Kapitel 8

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Erschöpft ließ ich mich den Rücken gegen einen Baum fallen. Meine Lunge brannte noch von meinem Sprint, der am Slytherin-Gemeinschaftsraum begonnen hatte und schließlich hier am Rande des verbotenen Waldes geendet hatte.
Langsam begann sich meine Atmung wieder zu normalisieren. Ein leises Rascheln hinter mir schreckte mich auf. In einer fließenden Bewegung ließ ich mein Messer wieder in meine Hand rutschen. Ich ließ meinen Blick über die Büsche gleiten.
Es raschelte erneut, dann kam der riesige, schwarze Hund zum Vorschein. Er gab ein kurzes Bellen von sich, bevor er mir liebevoll über die Hand leckte.
„Na, du? Streunerst du immer noch durch die Gegend?" Ich ging in die Knie und begann ihm hinter den Ohren zu kraulen. Er schien noch ein wenig dünner geworden zu sein, seitdem ich ihm das letzte Mal gesehen hatte. Armer Kerl. Da war er schon so ein liebes Tier, doch hatte trotz allem kein zu Hause. Der Hund ließ sich noch ein bisschen durchkuscheln, bevor er wieder den Kopf hob. Er hatte offensichtlich etwas gehört. Neugierig drehte ich mich um.
Adina kam auf mich zu gelaufen. Ich verdrehte die Augen. Offensichtlich hatte sie nicht kapiert, dass ich keine Lust mehr auf sie hatte. Ich wollte niemanden zur Freundin haben, nur weil sie nun einmal auch eine Nymphe war. Die Blondine erreichte mich, musterte kurz misstrauisch den Hund, bevor sie sich an mich wandte.
„Hey."
„Was willst du? Habe ich mich nicht klar ausgedrückt, dass ich keine Lust auf dich und deine Oberflächlichkeit habe?"
„Eigentlich schon." Sie sah unsicher auf ihre Finger.
„Und uneigentlich bist du zu dumm es zu verstehen, oder was?" Sie begann nervös mit ihren Fingern zu spielen.
„Nein, ich verstehe es schon, aber ich habe dazu auch noch etwas zu sagen. Also dachte ich, ich gehe dir einfach mal nach und rede nochmal mit dir." Ich seufzte leise. Jetzt kam dieses Bestreiten, sie würde nicht nur mit mir befreundet sein wollen, weil ich eine Nymphe war.
„Also läufst du jetzt nicht sofort wieder weg, sondern hörst mir zu?" Ich zuckte mit den Schultern.
„Ja, mache ich wohl." Ich kraulte weiter dem schwarzen Hund hinter den Ohren, während ich erwartungsvoll zur Blondine sah, welche sich neben mich auf den Boden setzte.
„Ich weiß, dass es nicht fair war, dich automatisch als meine Freundin anzusehen, weil du ebenfalls eine Nymphe bist. Ich weiß selber, wie nervig das ist. Der Grund dafür, dass ich bei meinen Eltern, also bei den Malfoys, aufgewachsen bin, war, dass ich nun einmal eine Nymphe bin. Sie standen während des Zaubererkriegs unter dem Imperius-Fluch. Meine biologischen Eltern wurden während des Krieges ermordet, Todesser haben mich auf Grund meiner Fähigkeiten entführt. Ich sollte zu eine von Du-weißt-schon-wems Anhängerinnen erzogen werden. Nach dem Krieg standen sie mit einem entführten Waisenkind in ihrer Obhut da und haben mich dann mit Erlaubnis des Ministeriums behalten. Sie waren immer sehr lieb zu mir. Gerade meine Mutter ist ein wirklich lieber Mensch. Sie liebt Draco und mich über alles, ließt uns jeden Wunsch von den Augen ab. Mein Vater ist um einiges strenger, aber trotzdem auch sehr lieb. Er erwartet halt, dass wir gute Noten nach Hause bringen und dass wir uns auf Leuten unseres Niveaus abgeben. Er will nun einmal, ein gutes Leben für uns. Schon als Kind wurden uns unsere Freunde vor die Nase gesetzt. Daphne wurde immer erzählt, dass es eine Ehre ist, mit einer Nymphe wie mir befreundet zu sein. Sie stimmt mir bei allem zu, egal, was ich sage, weil sie auf gar keinen Fall riskieren will, dass ich sie irgendwann nicht mehr um mich herum haben will. Wäre ich keine Nymphe sähe das alles wahrscheinlich ganz anders aus. Pansy, Daphne und Deanna würden mir niemals so in den Arsch kriechen, wenn ich nicht die Wassernymphe wäre. Daphne würde mir wahrscheinlich immer noch hinterherrennen, aber Pansy ist selbst sehr dominant. Sie hasst es jetzt schon, dass ihre Eltern erwarten, dass sie sich mir unterordnet. Dafür freut sie sich sehr über Deannas Arschkriecherei. Sie mag diese Art von Freundschaft sehr gerne. Wäre ich keine Nymphe, würde sie wahrscheinlich versuchen mich fertig zu machen. So wie dich jetzt. Ihr gefällt es überhaupt nicht, dass jemand in ihrem Schlafsaal wohnt, den sie nicht herumscheuchen kann, obwohl du ... na ja –" Adina sah beschämt auf ihre Hände. Ich zog belustigt eine Augenbraue hoch. Ich schämte mich nicht für das, was ich war.
„Obwohl ich im Waisenhaus lebe und zwischendurch auch mal auf der Straße? Obwohl ich einen niedrigen sozialen Status in der Gesellschaft habe? Dafür kann ich ohne Mum und Dads Geld leben, auf eigenen Beinen stehen. Pansy hingegen wird irgendwann aus ihrer Prinzessinnenwelt herausmüssen und dann auf etwas namens Realität treffen. Wird ein sehr schmerzhafter Fall für sie." „Ja, so wollte ich das jetzt nicht ausdrücken. Na ja, auf jeden Fall sind alle aus meinem Umfeld nur da, weil ich nun einmal die Wassernymphe bin, nicht weil ich ich bin. Ich weiß, dass sie nicht meine wahren Freunde sind. Als du dann aufgetaucht bist und dich als Nymphe herausgestellt hast, dachte ich, dass du mich nicht nur mögen wirst, weil ich eine Nymphe bin. Dafür war ich dieses Mal diejenige, die nur mit dir befreundet war, weil du eine besondere Kraft hast. Das war nicht fair von mir. Tut mir leid. Ich hoffe, wir können vielleicht einfach noch einmal einen Neustart wagen und richtige Freunde werden. Unabhängig von unseren jeweiligen Genkombinationen. Mehr wollte ich auch gar nicht sagen. Ich lass dich jetzt in Ruhe, damit du weiter mit dem Hund spielen kannst." Die Blondine stand auf. Langsam trottete sie in Richtung Schloss davon.
Der Hund stupste mir auffordernd in den Rücken. Erst einmal, dann zweimal und als ich mich immer noch nicht bewegte, ein drittes Mal. Ich seufzte leise. Wenigstens hatte die Blondine nicht bestritten, dass sie nur mit mir befreundet sein wollte, weil ich nun einmal Ares um meinen Hals trug. Sie war ganz ehrlich gewesen. Ganz klar ein Pluspunkt.
Mir wurde ein viertes Mal in den Rücken gestupst. Langsam stand ich auf.
„Adina?" Die Blondine drehte sich wieder zu mir um.
„Ja, Rona."
„Dir ist bewusst, dass ich dir die Wahrheit immer ehrlich um die Ohren schmeißen werde, wenn du mal wieder Ewigkeiten quatschst, ich dir nicht zuhöre und wenn du mich dazu zwingst mit dir Hausaufgaben zu machen, werde ich zeichnen, Musik hören oder dich solange nerven, bis du mich eine von den ersten beiden Sachen in Ruhe machen lässt. Kannst du damit Leben?" „Kommst du mit mir Schwimmen? Ich gehe jeden Morgen vor der ersten Stunde im schwarzen See." Ich biss mir auf die Unterlippe.
Schwimmen gehörte zu den Dingen, die ich nicht wirklich beherrschte. Während meiner Zeit bei den Howarth hatten sie es zwar Natasha und mir beibringen wollen, doch wirklich sicher konnte ich es nicht. Es gehörte wohl wie Fahrrad fahren, lesen und schreiben zu den Dingen, die ich halb gelernt hatte und wo sich nie jemand die Zeit genommen hatte, es mir zu Ende beizubringen.
Doch dass Adina Malfoy genauso wie ich immer sehr früh wach war, war mir doch schon aufgefallen. Allerdings hatte ich ihre Abwesenheit lieber im Bad und ungestört im Gemeinschaftsraum verbracht, als ihr hinterherzuspionieren.
„Ich setze mich an den Rand und halte vielleicht mal die Füße ins Wasser. Wenn es sehr warm ist."
„Na gut." Die Blondine grinste mich glücklich an, fast so, als hätte ich gerade irgendetwas Tolles gesagt.
Der schwarze Hund saß noch immer genau dort, wo Adina und ich ihn zurückgelassen hatten, und beobachtete uns vom Weiten.
„Seit wann hast du eigentlich einen Hund?" Ich sah das Mädchen amüsiert an. Ging sie wirklich davon aus, dass er mir gehörte? Ich konnte mir nicht einmal passende Kleidung kaufen, sondern trug noch immer diese ausgebeulten Jeans, die zu großen T-Shirts und die eigentlich abgetragenen Schuhe. Für einen Hund fehlte mir einfach das Geld.
Außerdem würden mich die Nonnen killen, wenn ich mit einem Tier ankam. Zwar erzählten sie immer, wir sollten alle von Gottes Wesen respektieren, doch einen armen Streuner aufzunehmen, kam ihnen nicht in den Sinn. Vor allem da sie schon genug davon, in Form von Straßenkindern, in ihrem wunderbaren Kloster hatten.
„Er ist nicht mein Hund. Nur ein Streuner, der hier herumläuft. Ich habe ihn am Donnerstag kennengelernt und mag ihn." Ich ließ mich wieder neben den Hund fallen. Liebevoll kraulte ich ihm hinter den Ohren. Ein leises Bellen war zu hören, dann wurde mir einmal quer durchs Gesicht geschleckt. Ich kicherte leise.
„Du bist ein kleiner Frechdachs, was?" Wieder hörte ich ein leises Bellen. Eindeutig eine Zustimmung. Adina stand noch immer einige Meter von mir entfernt. Sie sah misstrauisch zu dem Hund, fast als hätte sie ein wenig Angst vor ihm.
„Glaubst du, es ist wirklich eine gute Idee mit einem unbekannten Hund zu spielen. Vielleicht hat er Flöhe oder beißt und überträgt Tollwut." Ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf.
„Ja, er hat Flöhe und jetzt stell dich nicht so an. Madam Pomfrey wird dich schon wieder zusammenflicken, wenn er dich zerfleischt, und ich weide ihn höchstpersönlich mit meinem Messer aus. Darauf steht ihr Malfoys doch oder etwas nur dein Bruder? Obwohl er will gerne, dass Seidenschnabel der Kopf abgehackt wird. Soll ich ihm den Kopf besser abhacken?"
Ich wurde total verstört angestarrt. Zum einen von dem Hund, der von der Idee ausgeweidet zu werden und seinen Kopf zu verlieren nicht sehr begeistert schien, zum anderen von Adina, die nicht sicher schien, ob ich es nun ernst meinte oder es nur ein Scherz war.
„Ich töte keine Tiere. Das Einzige, was ich machen werde, ist jemanden umzubringen, der uns versucht zu töten. Aus Notwehr." Ich wurde nachdenklich angesehen.
„Und wenn der Hund mich zerfleischen will?" Ich seufzte leise.
„Dann werde ich dafür sorgen, dass er es nicht tut, aber er wird nicht sterben. Höchstens ein paar Wunden zum Lecken haben. Beim Töten reduziere ich mich auf Menschen." Die Wassernymphe schien noch immer nicht zu mir und dem Hund kommen zu wollen.
„Was ist mir Sirius Black? Er ist hier in der Nähe. Vielleicht rennt er gerade durch den verbotenen Wald. Wir stehen genau daneben. Wir sollten in der Nähe des Schlosses bleiben." Ich seufzte leise. Einen Grund, warum ich bisher etwas gegen Freundschaften gehabt hatte. Jetzt meinte noch jemand, mir sagen zu müssen, was gut für mich war.
„Glaube mir, wenn Black hier auftaucht, um einen von uns beiden umzubringen, dann werde ich es merken. Meine Nymphensinne erklären mir sehr zuverlässig, wenn ein Gegner sich an mich heranschleichen will. Ich nutze sie schon seit ihrer Aktivierung dafür. Außerdem habe ich noch immer das hier." Ich warf mein Messer in die Luft und fing es geschickt wieder auf.
„Wie ich damit gegen einen Menschen vorgehen kann, weiß ich seit dem ich sechs Jahre alt bin. Jetzt komm endlich her oder verkriech dich im Schloss. Ich bleibe hier."
Die Blondine sah sich noch einmal unsicher um. Schließlich kam sie leise seufzend wieder zu mir gelaufen. Nur ziemlich zögerlich setzte sich die Wassernymphe neben mich und begann den Hund zu streicheln.

Hexagramm - SchlangenbrutWhere stories live. Discover now