Kapitel 56

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Traurig sah ich dabei zu, wie Marlon das Schlossgelände wieder verließ. Zwar würde ich ihn in kurzer Zeit schon wieder sehen, doch eigentlich hätte ich ihn gerne dabehalten.
Noch hatte ich keine Ahnung, was von gestern Abend im Schloss rumging. Wie schlimm die Gerüchte waren, gerade in Bezug auf mich. Wenn ich es erfuhr, war seine Unterstützung mit Sicherheit ziemlich hilfreich, doch ich konnte sehr gut verstehen, warum mein Vormund nicht blieb.
Bei unserer aktuellen Ferienplanung würden wir gerade einmal eine Woche in Frankreich und die restliche Zeit irgendwo unterwegs sein. Jetzt, wo sich Marlon wieder mit seiner Familie versöhnt hatte, wollte er wahrscheinlich die Zeit mit ihnen genießen.
Auf dem Weg zum Frühstück sammelte ich noch Adina ein, welche die Nacht über wortwörtlich im See abgetaucht war. Die Blondine schien vor Neugierde zu platzen. Jetzt wollte sie endlich wissen, was in der letzten Nacht passiert war, nachdem Dumbledore sie weggeschickt hatte. Also erzählte ich erneut die Ereignisse der letzten Nacht ein weiteres Mal, ließ Remus Werwolfdasein allerdings aus.
In der großen Halle war mal wieder das übliche Getuschel und Gemurmel zu hören. Ein leises stetiges Summen. Momentan noch für Hogwarts sehr leise. Wahrscheinlich schliefen die meisten noch. Gut für mich, dann wussten bisher noch nicht ganz Hogwarts von den Ereignissen der letzten Nacht. Das Frühstück würde ich also noch ganz in Ruhe einnehmen können.
Genüsslich kaute ich auf meinem Marmeladencroissant herum. Meinem Zweiten, um genau zu sein. Von hinten schlangen sich zwei Arme um mich. Blaise drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Guten Morgen, Primrose."
„Morgen", kam es von mir zwischen zwei Bissen.
„Im Gemeinschaftsraum spricht man darüber, dass Sirius Black wohl gefasst wurde, aber dann doch erneut entkommen konnte." Ich grummelte leise. Das hatte ich befürchtet.
„Du weißt nicht zufällig, ein bisschen mehr über diese Gerüchte, Primrose? Angeblich warst du deshalb im Krankenflügel." Ich grummelte erneut leise.
Blaise ließ sich neben mich auf die Bank fallen. Während er ebenfalls mit dem Frühstück begann, sah er immer wieder neugierig zu mir herüber. Ich aß noch in aller Ruhe mein Croissant auf, dann gab ich leise seufzend nach. Irgendwann würde Blaise die ganze Geschichte eh hören.
„Er wurde gestern Nacht gefasst. Und eventuell konnte er durch ein Fenster entkommen."
„Und jemand hat ihm eventuell geholfen?"
„Die Möglichkeit besteht, dass ein paar Schüler mit Hagrids Hippogreif Seidenschnabel zu dem Fenster geflogen sind und ihn so dort herausgeholt haben." Mein Mitschüler schüttelte breit grinsend.
„Ich würde gerne mehr über die möglichen Vorfälle der letzten Nacht wissen."
„Erzähle ich dir später", nuschelte ich. Wenn die große Halle nicht voller neugieriger Hogwartsschüler war, die größtenteils mit gespitzten Ohren auf Neuigkeiten in der Sache Black warteten.

Antiope und Bärchen sprangen glücklich bellend um Blaise, Jamie, Adina und mich herum. Die beiden Hunde jagten sich immer mal wieder gegenseitig und schnüffelten herum. Immer mal wieder liefen sie auch zum Rande des verbotenen Waldes, als erwarteten sie, Sirius würde mal wieder von dort aus kommen und sich zu uns gesellen.
Doch der große, schwarze Hund blieb heute verschwunden. Es war nicht überraschend, schließlich war er gestern auf dem Hippogreifen geflohen, doch schade fand ich es trotzdem. Wann ich wohl meinen Vater das nächste Mal wiedersehen würde? Wann hätte er ein sicheres Versteck gefunden, wo Marlon und ich ihn besuchen gehen konnten.
Mein Blick glitt wieder zu Blaise. Auf unserer Runde um den See hatte ich erneut erzählt, wie es letzte Nacht zur Festnahme von Sirius und seiner Flucht gekommen war. Auch bei dieser Erzählung ließ ich Remus Verwandlung einfach aus. Bisher hatte der dunkelhäutige Slyhterin noch kein Wort zu meiner Geschichte gesagt. Er hatte nur nachdenklich den beiden Hunden beim Spielen zugesehen.
„Du wirst also nicht zu Sirius ziehen, richtig?", fragte er schließlich.
„Nein, Marlon hat das Sorgerecht für mich. Er wird sich um mich kümmern, bis wir endlich Sirius Unschuld beweisen können."
„Er wohnt in Frankreich, nicht wahr?" Ich nickte leicht.
„Ja." Irgendwie wusste ich nicht, wohin dieses Gespräch führen sollte.
„Also wirst du in den Ferien nach Frankreich fahren? Meine Mutter schwärmt von Paris. Sie war in den Flitterwochen mit ihrem fünften Ehemann dort."
„Ihrem fünften?" Anscheinend hatte Blaises Mutter einen hohen Verschleiß an Ehemännern – Oder mein Klassenkamerad an Stiefvätern.
„Sie ist bei Ehemann sieben angekommen." Ich sah überrascht zu dem Jungen herüber. Sieben Ehemänner? Blaise hatte ziemlich viele Stiefväter gehabt. Noch nicht ganz so viele Möchtegernväter wie ich sie gehabt habe, doch trotzdem eine beachtliche Zahl. Man musste das Entsetzen in meinem Gesicht sehen.
„Jetzt schau nicht so, Primrose."
„Du - das sind viele Ehemänner."
„Ja, schon. Aber es macht nichts. Jetzt wo ich in Hogwarts bin, kriege ich von ihren Ehemännern eh nichts mehr mit."
„Und dein leiblicher Vater?"
„Er ist gestorben. Genauso wie Mutters andere Ehemänner." Ich sah beschämt zu Boden. Eigentlich wusste ich so gut wie gar nichts über Blaise Zabini.
Natürlich wusste ich, was man jeden Tag mitbekam. In welchen Fächern er gut war, in welchen schlecht. Ich wusste, was er am liebsten zum Frühstück aß, dass er beim Abendessen immer Salami mitnahm, um sie später mit Antiope und Bärchen zu essen. Doch ich hatte nie nach mehr gefragt. Weder bei ihm, noch bei Jamie oder Adina.
„Jetzt gucke nicht so traurig. Mir geht es gut damit. Erzähle mir von deinen Ferienplänen. Richtet ihr ein Zimmer für dich bei Marlon ein?", lenkte der Junge meine Aufmerksamkeit wieder auf ein anderes Thema.
„Ich denke nicht. Wir sind nur wenige Tage in Frankreich bei seiner Familie. Wir reisen viel."
„Wohin wollt ihr denn reisen?" Ich wollte gerade antworten, als hinter uns ein lautes, hohes „Draco!" zu hören war. Ich ballte sofort meine Hände wieder zu Fäusten, während ich mich umdrehte.
Draco kam mit seinen zwei Schlägern auf uns zugelaufen. Pansy Parkinson und die anderen beiden Mädchen aus unserem Schlafsaal liefen ihnen nach. Erstere hatte nach dem platinblonden Jungen gerufen, welcher es einfach ignorierte.
„Da seid ihr ja", rief Draco mit einem glücklichen Grinsen auf dem Gesicht. Misstrauisch betrachtete ich den Jungen. Entweder hatte er über Nacht wesentlich stärkere Gefühle für einen hier entwickelt, weshalb er sich jetzt so sehr freute, uns zu sehen, oder etwas anderes hatte ihm sehr glücklich gemacht. Das Seidenschnabel entkommen war, hatte ihn sicherlich zuerst komplett die Laune verhagelt. Also mussten es aus seiner Sicht die allerbesten Nachrichten der Welt sein. Vielleicht hatten sie Potter und Granger doch irgendwie bestraft.
„Draco, Primrose wollte uns gerade erzählen, wo sie alles ihre Ferien verbringt. Marlon und sie werden viel reisen. Also Primrose, wo geht es hin?"
„Nach Amerika, hier nach England und wir gehen einen alten Freund von Marlon besuchen."
„In Amerika wohnt doch deine leibliche Familie, richtig?", hakte Zabini sofort nach.
„Ja, in Texas. Wir gehen sie ein paar Tage lang besuchen."
„Oh, sie geht ihren Werwolf-Onkel besuchen", hörte ich Parkinson rufen. Ruckartig sah ich zu ihr herüber.
„Wie meinst du-?"
„Dein liebster Onkel Remus, die ganze Schule weiß es. Ein lausiger Werwolf! Das Dumbledore so einen eingestellt hat!", fauchte meine Klassenkameradin.
„Er ist kompetent. Was spricht dagegen, dass er Lehrer ist?", fragte ich ziemlich kleinlaut, auch wenn ich wusste, was ihr Problem war.
„Was dagegen spricht? Er ist ein Werwolf! Ein gefährliches Monster!"
„Nur einmal im Monat. Und durch den Wolfbanntrank nicht einmal das", verteidigte ich den Lehrer.
„Werwölfe sind Bestien! Jeden Tag im Jahr!"
„Pansy, halte die Klappe! Werwölfe sind im verwandelten Zustand gefährlich. Wenn es stimmt, dann hat Professor Lupin im letzten Jahr niemanden verletzt. Dumbledore und er haben wohl eine Lösung gefunden", ging Blaise dazwischen.
„Und dann geht es einmal schief und wir werden alle getötet! Aber das ist der kleinen Black wahrscheinlich nur recht! Hat schließlich ihren liebsten Daddy befreit! Einen Mörder! Letzte Nacht! Wahrscheinlich haben die beiden von Anfang an zusammengearbeitet", tobte Parkinson ungerührt weiter.

Hexagramm - SchlangenbrutWhere stories live. Discover now