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Mir war ziemlich unwohl, als ich mich auf meinen gewohnten Platz niederließ. Mein Buffet packte ich diesmal nicht aus und das hatte mehrere Gründe.

Erstens, wurde der Chemieunterricht heute anscheinend von einem Vetretungslehrer gehalten und da ich den nicht genau einschätzen konnte und meine sehr gute Note nicht aufs Spiel setzen wollte, blieb der Kram eben diesmal in der Tasche.

Zweitens, ich hatte keinen besonderen großen Hunger, mir lag seit dem Gespräch bei den Schließfächern gefühlt ein Stein im Magen... ein großer, fetter, tonnenschwerer Stein.

Und drittens... ich wusste nicht, ob Cassie mich wieder mit ihrer Anwesenheit neben mir beehren würde oder nicht.

Wahrscheinlich nicht.

Aber so richtig entscheiden, ob sie lieber zu ihrer Freundin nach vorn oder zu mir wandern sollte, konnte ich mich auch nicht.

Es würde auf jeden Fall eine alles andere als angenehme Stimmung herrschen.

So wartete und wartete ich ungeduldig, die Minuten vertsrichen immer langsamer und trotzdem tauchte sie einfach nicht auf, obwohl Liv schon längst ihren Platz im Raum eingenommen hatte.

Schließlich ertönte der Gong zum Unterricht und mit ihm glitten meine Augenbrauen leicht nach oben.

Hätte ich ihr gar nicht zugetraut, dass sie schwänzen würde.

Mr Godiac, wie auch immer das ausgesprochen wurde, ich konnte nur seinen in krakeliger Handschrift geschriebenen Nachnamen lesen, ging zur Tür, wahrscheinlich um sie zu schließen - allerdings verschwand er noch mal auf den Flur.

Umso besser, weniger Chemie.

An sich interessierte mich diese Naturwissenschaft, aber nur, wenn ich mir gewisse Grundlagen selbst beibrachte, der Unterricht war gähnend langweilig.

Helle blonde Haare zogen erneut meine Aufmerksamkeit an, in ziemlicher blasser und aufgewühlter Verfassung betrat Cassie doch endlich den Chemieraum, ihr Blich zuckte zu dem leeren Stuhl neben ihrer besten Freundin. Doch bevor sie diesen überhaupt anpeilen konnte, nahm ihr Mr Godiac den Wind aus den Segeln.

"Ich gehe mal davon aus, dass ihr alle nach dem Sitzplan, der sonst hier gilt, auch sitzt?"

Ach du scheisse.

Cassie verdeutlichte mal wieder genau das, was ich dachte, denn ihre Kinnlade fiel fast fassungslos auf den Boden, jedoch schritt sie relativ selbstbewusst auf den freien Stuhl neben mir zu.

Sofort kroch ihr schöner Duft, den ich nie genau beschrieben konnte, aber als tierisch angenehm empfand, zu mir herüber, als sie sich kommentarlos auf die Sitzfläche fallen ließ.

Natürlich schauten wir uns nicht an, ich spürte, dass sie eine unsichtbare, riesige Mauer zwischen uns errichtet hatte, diese stocksteife Sitzhaltung und das angespannte Gesicht sagten alles.

Wir hockten eine ganze Weile so nebeneinander.

Sie in unveränderter Postion, ich schon fast vom Stuhl rutschend, weil ich mich halb hängend vorhin dort hingesetzt und seit dem keine Bewegung unternommen hatte.

Zugegeben, dem Unterricht folgte ich diesmal nichtmal zu zehn Prozent. Nichtmal zu annähernd fünf, lieber achtete ich auf jeden kleinen Wimpernschlag von der Person neben mir. Da es mir irgendwann zu langweilig wurde und ich nunmal zu den Menschen mit einer dreisten, provokanten Art gehörte, linste ich sehr deutlich zu ihr herüber, den Kopf etwas gedreht - lustigerweise tat sie genau das gleiche im selben Moment auch.

Nur mit dem Unterschied, dass sie sich panisch abwandte... und nervös an ihrer Lippe knabberte.

Das brachte mich auf meinen Entschluss von vorhin. Als nächstes wollte ich sie nicht nur läppisch berühren, ich wollte sie endlich küssen... aber bis dahin war es wieder ein weiter Weg, den ich mir erneut freiräumen musste.

Dark LoveWhere stories live. Discover now