{16. Kapitel}

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Mein heutiger Termin bei Harry wurde, aus mir unbekannten Gründen nach hinten verschoben. Die Uhr zeigte bereits 20:07, als ich im Luminal eintraf. Es war ungewöhnlich. Die Befragungszeit lag zwischen 10 Uhr und 18 Uhr. Davor und danach durfte niemand zu den Inhaftierten.

Mit leichten Magenschmerzen zeigte mir mein Körper, dass ich keine Lust auf diese Befragung hatte. Ein Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, erschwerte mir das Schlucken.

Es schien, als wären wir heute viel zügiger durch das Labyrinth aus Gängen vorangekommen. Denn bereits nach wenigen Augenblicken wurde ich zu Harry in die Zelle geschoben.

Erst als mein Blick über die Konturen seines Körpers glitt, machte ich mir Gedanken, warum die Befragung wohl nach hinten verschoben wurde. Im Gegensatz zu letzter Woche, schien ihm heute nichts zu fehlen. Sein Auge war zwar immer noch blutunterlaufen und die Haut rundherum schimmerte violett, aber die Schwellung war abgeklungen und er konnte ungehindert seine Lider öffnen.

„Es freut mich zu sehen, dass es Ihnen wieder besser geht." Meine Tonlage war heruntergekühlt, meine Worte klangen nicht so aufrichtig und nett, wie ich sie mir in meinem Kopf zu Recht gelegt hatte. Und dies durfte auch nicht an Harrys Wahrnehmung vorbeigeglitten sein, denn er ließ mich seine Stimme nicht hören. Er blieb stumm. Sein Blick war starr auf den Boden fixiert. Die Stuhlbeine quietschten über das Linoleum, als ich Platz nahm. „Was ist los? Wo ist Ihr lautes Mundwerk heute?" stachelte ich ihn an.

Ich hatte mittlerweile einiges an Zeit mit Harry verbracht und auch wenn ich in seiner Mimik nichts lesen konnte, wusste ich, er würde gleich zu einer Antwort ansetzten. Also verstummte nun auch ich.

Ich sah, wie sich seine Lippen langsam öffneten. „Sergeant...ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen." Harry hob seinen Kopf an, seine Augen suchten meine. Er starrte geradewegs hinein. „Ich bin zu weit gegangen."

Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust. Leise lachte ich auf, bevor ich zu sprechen begann. „Es ist faszinierend... ja fast schon beeindruckend, wie viele Facetten Sie beherbergen. Dominant, angriffslustig, charmant und jetzt auch noch devot. Sie beherrschen die gesamte Palette und alle glauben es Ihnen auch noch."

„Hören Sie auf ständig zu denken, dass ich Sie manipulieren will. Es tut mir ehrlich leid und ich bereue es." Sein intensiver Blick und seine tiefe Stimme ließen meine Knie weich werden und das obwohl ich saß. Ich hasste es, dass er diese Wirkung hatte.

Harrys, nur allzu bekanntes Lächeln, war nun wieder von seinen rosigen Lippen abzulesen. Doch diesmal wirkte es nicht so selbstbewusst wie sonst.

„Was haben Sie nur an sich?" Ich schüttelte meinen Kopf über mich selbst.

Harrys freundlicher Gesichtsausdruck wurde zunehmen irritierter. „Worauf wollen Sie hinaus, Sarge?"

Ich strich mit meinen Fingern über die kalte Tischplatte. „Die Wärter lassen Sie machen, was Sie wollen und dennoch sagen sie mir ständig, ich soll mich vor Ihnen in Acht nehmen." Harrys interessierter Blick lag auf mir, aber dennoch verließ seine Lippen kein Wort. „Was schüchtert alle so ein? Wer hat Ihnen für alles den Freifahrtsschein erteilt?"

Ich erwartete keine Antwort, weshalb ich mir gedanklich überlegte, was ich als nächstes sagen würde, als ich plötzlich das Knarren von Harrys Stuhl vernahm. Er veränderte seine Sitzposition. Er legte seine Arme auf der Tischplatte ab und richtete sich mir weiter entgegen.

Harrys Gesicht war nun so dicht an meinem, dass sein Atem heiß über meine Haut tanzte. Seine Augen fixierten mich. Die Luft die uns umgab, nahm eine elektrisierende Spannung an. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als er sprach. „Es war nicht ein jemand..., sondern ein Etwas."

Meine Pupillen huschten von seinen Augen zu seinen Lippen. Ich wartete darauf, dass seine Stimme nochmals die Stille durchbrach. Doch sein Mund blieb verschlossen. „U-und was war dieses Etwas?" hauchte ich vorsichtig und genauso leise zurück, als er keine Anstalt machte, weiterzusprechen.

Schlagartig veränderte sich seine Körpersprache. Das Friedliche brach ein und offenbarte etwas, das ich so noch nicht an ihm gesehen hatte. Sein Lächeln fiel wie eine Maske. Seine Augen verdunkelten sich und ließen ihn zunehmend gefährlicher wirken. Er zog seine Augenbrauen zusammen und sein Kiefer spannte sich an. „Der Grund warum ich hier drin bin...der hat mir den Freifahrtsschein ausgestellt."

Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus. Meine Augen brannten, aber ich konnte einfach nicht blinzeln. Harry schien meinen Blick gefangen zu halten. „Warum...bist du hier drin?" Ich formte diese Wörter, ohne auch nur einen Ton von mir zu geben.

Harrys Gesichtszüge wurden wieder weicher, er schien mit sich selbst zu hadern. Man konnte seinem Verstand förmlich dabei zusehen, wie er abwog, ob es sich lohnte, mir etwas anzuvertrauen, was in keiner seiner Akten bisher niedergeschrieben wurde.

Der Engel auf seiner Schulter schien die Oberhand über den Teufel zu gewinnen. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Unbewusst hielt ich meinen Atem an, ich würde endlich erfahren, warum Harry Styles in den Fängen der Luminalstrafanstalt war.

Er zog die Luft scharf ein und strafte seine Schultern. „Ich... war kaum volljährig, als ich..."

Das plötzlich auftauchende und viel zu laute Alarmsignal der Sicherheitstür ließ uns auseinanderfahren.

„Sergeant, Sie müssen die Befragung beenden. Sie werden dringlichst benötigt", meldete sich nun der uniformierte Störenfried zu Wort.

„Ich kann jetzt nicht!", knurrte ich zurück.

„Es ist ein Notfall. Ich muss leider darauf bestehen. Ihre Kollegen warten oben auf Sie." Der Gesichtsausdruck des Wärters ließ mich das Schlimmste erwarten. Innerlich verfluchte ich alles und jeden. Ich sträubte mich dagegen und dennoch sprang ich in Windeseile auf und hastete zur Tür.

„Lou...äh Sergeant!" Es war Harrys samtige Stimme, die mich in meiner Bewegung inne halten ließ. Ich fuhr zu ihm herum. Seine Miene war voller Sorge. „Bitte, seien Sie vorsichtig."

Ich hätte gerne etwas erwidert, doch seine Worte drangen nicht vollständig zu mir durch, weshalb ich ihn schlussendlich, ohne jegliche Antwort oder Reaktion, in der kleinen Zelle zurück ließ.

Schachmatt || LarryDonde viven las historias. Descúbrelo ahora