Kapitel 37

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Kapitel 37 : 



Lule stand am Eingang. Zu mir kommt sie nicht, aber hier lässt sie sich blicken. Wut stieg in mir auf. Ich versuchte die Ruhe zu bewahren und konzentrierte mich auf das Tanzen. Als die Musik kurz verstummte, nahm Armend meine Hand und zusammen setzten wir uns an unseren Tisch, der prachtvoll geschmückt war. Die Party ging weiter, meine Augen suchten immer wieder Lule, die bei irgendwelchen Leuten saß und sich zu amüsieren schien. Wieso war sie hier? Vor allem, war sie überhaupt eingeladen? Es kamen so viele und wollten Fotos von uns. Immer wieder musste ich ein Lächeln aufsetzten. Als Lule plötzlich neben mir stand und mich umarmte war ich kurz vor dem ausrasten. 

„Herzlichen Glückwunsch.“, sprach sie laut. 
„Hast du den Weg doch noch gefunden.. nur ein bisschen verspätet findest du nicht auch?“, antwortete ich mit einem falschen Lächeln. 
„Tut mir leid, hatte viel zu tun. Aber ich hab es ja hier her geschafft.“, erwiderte sie.

Als Armend mir auf die Schulter tippte, reichte Lule ihm die Hand. 

„Alles gute euch beiden.“, sagte sie. 
„Danke.“, antwortete Armend irgendwie abweisend. 
„Das ist meine Freundin Lule. Hatte davor nicht die Gelegenheit euch beide vorzustellen.“, sagte ich an Armend gewandt. 

Er zuckte nur gleichgültig mit den Schultern, was mich irgendwie überraschte und wandte sich dann wieder seinem Cousin zu, der neben ihn stand. 

„Und wie läuft es bei dir?“, fragte ich Lule 
„Wie immer halt.“, grinste sie. 

Ja ja .. das war wieder die alte Lule, aber ihr grinsen war dennoch komisch und ich ertappte sie dabei, wie sie mehrmals zu Armend sah. Nein quatsch, ich bildete mir das sicher nur ein. Mein Kopf war einfach voll, dazu kam die laute Musik. Nach den letzten Tagen, war das dann doch alles zu viel für mich. 

„Schon Erfolg gehabt?“, wollte ich wissen. 
„Bei was?“, fragte Lule unwissend. 
„Leo klar machen.“, antwortete ich tonlos. 
Ihr Lächeln verschwand und irgendwie befriedigte mich das. 
„Nein .. hab es mir anders überlegt.“, sagte sie leise. 
„Achso.“ 

Es war jetzt keine Zeit mehr zum quatschen, es kamen immer mehr Leute, die uns gratulierten und Fotos mit uns wollten. Als ob sie es sich anders überlegt hatte, viel mehr hatte sie sicher einen Korb von Leo bekommen. Obwohl mich das nichts mehr anzugehen hatte, kochte ich allein beim Gedanken, dass er etwas mit Lule haben könnte.... 



Die Leute amüsierten sich alle prächtig und schienen den Abend zu genießen. Als die große Torte kam, griff Armend nach meiner Hand und führte mich in die Mitte des Saals. Zusammen schnitten wir die Torte an und „fütterten“ uns gegenseitig. Wisst ihr, wenn ich ehrlich sein sollte... Es war alles perfekt. Die Musik, die Stimmung, die Atmosphäre, das Essen, die Gäste, die Torte. Sogar mein Kleid war ein Highlight. Es war wirklich alles perfekt. Man könnte meinen, dass von so einer Traumhochzeit echt jedes Mädchen träumt. Es gab nur eine einzige Sache, die alles kaputt machte. Aber die reichte völlig aus, um all das andere auszublenden. Es stand der falsche Mann an meiner Seite! Nicht Leo nein, Armend war es, der mir die Hand hin hielt um zu tanzen. Nachdem die Torte weggebracht wurde, zog Armend mich in seine Arme und wir tanzten zur langsamen Musik. Ich versuchte möglichst viel Abstand zu halten, was mir aber nicht wirklich gelang, denn er hielt mich fest an seinen Körper gedrückt. Wäre die Kamera nicht auf uns gerichtet gewesen, würde ich ihm ins Ohr schreien, dass er seinen verdammten Griff lockern sollte. Aber nein, ich wollte für keinen Skandal sorgen .. Als die Musik nach einer gefühlten Ewigkeit endete, setzten wir uns wieder. Die Feier ging noch fast 2 Stunden weiter und so langsam wurde ich müde. 

„Wir gehen gleich.“, sagte Armend dicht an mein Ohr und grinste. 

Oh kuku .. wie sollte ich die kommenden Stunden nur durchstehen? Ich ignorierte sein Grinsen und atmete stattdessen tief aus. Was sollte ich jetzt machen? So langsam aber sicher stieg Panik in mir auf. Nur kurze Zeit später stand einer nach dem anderen auf und gingen. Der Saal leerte sich und nur noch ein paar Verwandte von Armends Familie waren hier. Unter ihnen auch Leos Eltern und dessen Schwester, die auf einmal auf mich zu kam, als ich alleine am Tisch saß. 

„Noch mal alles gute.“, flüsterte sie. 
„Danke.“, antwortete ich leise und spielte nervös mit meinen Fingern. 

Wusste sie von letzter Nacht? Nein, bestimmt nicht. Sowas intimes würde Leo sicher nicht weiter erzählen, auch wenn sie seine Schwester war. Gerade als ich nach ihm fragen wollte, kam Armend und übernahm das für mich.

„Hey Fjoll, wo ist Leo der Penner? Ich werde ihm das nicht verzeihen!“, meinte Armend. 
„Du weisst doch, dass es zwischen ihm und Papa nicht so gut steht ..“, gab sie zurück. 
„Ach wegen dieser Jehona? Die ist doch ganz hübsch, was hat der dumme?“ 

Mein Herz stand einen Moment lang still, das Adrenalin schoss durch meinen Körper. Fjolla warf mir einen kurzen Blick zu und ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. 

 „Ja keine Ahnung .. er liebt sie nicht.“
„Hat er eine andere?“, wollte Armend wissen. 

Ich starrte auf den Boden aber spürte irgendwie, dass Fjolla mir einen Blick aus den Augenwinkeln zu warf. 

„Ja glaub schon ..“, antwortete Fjolla. 

Oh mein Gott. Oh mein Gott! Was sollte das werden?! Ich wollte weg hier, sofort! Mein geschockter Blick ließ Fjolla wissen, dass es genug war! Ein Glück, dass Armend mich nicht sah.

„Ja wo liegt dann das Problem?! Der soll die andere nehmen, er soll für sie kämpfen.“

Okay, dieser Satz war wirklich zu viel für mich. In meinen Kopf drehte sich alles. Zu gerne würde ich wissen wie Armend reagiert hätte, wenn er wüsste dass ich die „andere“ bin. 

„Lass uns gehen bitte.“, sagte ich leise und rüttelte dabei an Armends Arm. 

Er grinste mich an und griff nach meiner Hand. 

„Tut mir leid Fjolla, ich muss mich jetzt um meine Nuse (Braut) kümmern.“, sagte er lachend. 

Fjolla lächelte uns müde an und ging dann wieder zu den anderen, die gleich darauf den Saal verließen. Meine Schwägerin Violeta kam zu uns. Sie wirkte immer noch so eingebildet wie bisher. Aufgetakelt wie eine Braut stand sie vor mir und zog arrogant eine Augenbraue hoch. 

„Und? Ich glaube du bist müde, kannst dich ja kaum auf den Beinen halten.“, meinte sie.

Normalerweise würde man nach diesen Satz denken, dass die Person Mitleid mit dir hat. Aber nein, sie klang so .. keine Ahnung. Als ob sie sich lustig über mich machen würde. 

„Mir geht’s gut.“, schüttelte ich kurz meinen Kopf und setzte ein falsches Lächeln auf.

„Ihr fährt jetzt los. Wir kommen in 10 Minuten nach.“, wies sie Armend an.
„Wir sehen uns dann zu Hause Nuse.“, fügte sie an mich gewandt hinzu. 
Armend nickte schnell und zog mich sofort Richtung Ausgang. Zu Hause? Na ein tolles zu Hause erwartete mich da. Allein der Gedanke, jeden Tag in dieses negative Gesicht sehen zu müssen. Ich hatte da so eine leise Vorahnung, dass es zwischen Violeta und mir nicht gut laufen würde. 



Armend plapperte die ganze Autofahrt über irgendwelchen Mist. Gott sei dank, waren wir nach 15 Minuten da, noch länger hätte ich das nicht ausgehalten. Er stieg aus und öffnete mir die Tür. Ein eisig kalter Windstoß fegte über meinen Körper und ließ mich erschaudern. 
„Komm schnell rein, dann wärme ich dich auf.“, grinste er mal wieder. 
Das Haus war ziemlich groß. Wie bei uns, waren es zwei Stockwerke, aber es gab mehr Zimmer und diese waren auch deutlich größer als die von uns. Eine große Familie braucht nun mal ein großes Haus. Aber irgendwie verstand ich nicht, wie die sich das leisten konnten. Mein Schwiegervater war arbeitslos, während Armend selbst Bankkaufmann war. Der große Bruder von ihm, der übrigends 27 und unverheiratet ist, war ebenfalls arbeitslos. Violeta ging noch zur Schule, genauso wie die drei anderen Geschwister von Armend, die alle samt Jungs waren. Da sie das Haus erst vor kurzem gekauft hatten, ging ich einfach mal davon aus, dass sie einen Kredit aufgenommen hatten .. 



Mein Herzschlag verdreifachte sich, als ich im Schlafzimmer stand und auf das Bett starrte. Ich wollte das nicht verdammt, ich wollte das nicht! Mit zittrigen Fingern machte ich die Haarklammern von meiner Frisur und legte sie auf die Kommode. Dann lehnte ich mich gegen den Schrank und schloss kurz meine Augen. Oh Allah bitte helf mir. Was sollte ich jetzt tun?! Wie würde Armend reagieren?! 

„Soll ich dir beim ausziehen helfen?“, riss mich Armends Stimme aus meinen Gedanken. 

Er stand lässig an der Tür gelehnt und grinste mich an.

„Nein.“, gab ich leise zurück. 

Er kam auf mich zu und hob mit seinen Finger mein Kinn an. Als er mich küssen wollte schubste ich ihn weg. Gerade als ich ihn anschreien wollte, hörte man von unten, dass die anderen gekommen waren. 

„Fass mich nicht an!“, zischte ich leise. 
„Willst du mich verarschen?!“, lachte er ungläubig. 
„Zieh dich aus und leg dich ins Bett los.“, wies er mich an. 
„Ich will aber nicht.“, erwiderte ich leise. 
„Keine Sorge, ich werde dir nicht weh tun.“, sagte er und machte erneut Anstalten mich anzufassen. 

Ich wich jedoch aus und machte einen Schritt zur Seite. 

„Ich will nicht!“, sagte ich nochmal, diesmal lauter. 
„Was willst du nicht?!“, zischte er genervt. 
„Ich bin keine Jungfrau mehr.“

Laut atmend stand ich da und sah mit an, wie Armends Gesichtsausdruck sich änderte …

SchicksalsschlägeWhere stories live. Discover now