Kapitel 68 - Vorbereitungen

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Es hatte zu regnen begonnen.
Scar warf sich einen dreckigen Filzumhang über die Schultern, nachdem er durch das Portal der Handelsgilde hinaus in die Kälte getreten war und schlang die Arme um die Brust. Er sehnte sich jetzt nur noch nach einem warmen Platz am Feuer und eine heiße Tasse Mokka.
Obwohl er mit seiner Familie schon vor vielen Jahren die sengende Hitze und den heißen Wüstensand Ägyptens hinter sich gelassen hatte, konnte er sich nie an das kalte, nasse Wetter des Nordens gewöhnen. An besonders kühlen Tagen machte sich sein inzwischen doch recht fortschrittliches Alter bemerkbar. Er würde vielleicht noch ein paar Jahre an vorderster Front mitkämpfen können, bevor er seinen Platz seinem Sohn überlassen müsste.
"Bei Isis. Oder bevor ich mich am spitzen Ende einer Klinge wiederfinde." Murmelte er leise zu sich selbst. Scar schaffte es größtenteils unbehelligt zur Kneipe. Nur ein Mal griff ein Bettler nach dem Zipfel seines Umhangs und flehte um etwas Kleingeld. Als er jedoch Scar's Gesicht sah, spuckte er vor dessen Füße und kroch weg.
Der Jäger kannte diese Reaktion schon zu genüge. Viele Wikinger hatten noch nie einen Mann mit einer solchen Hautfarbe gesehen und empfanden es als unnormal. Als von den Göttern verflucht. Nur wenige haben den Anstand, eine Person nicht über sein Aussehen zu beurteilen.
Einer dieser wenigen Männer war Dreki Kristianson. Der stämmige Hüne hatte ihm und seinem Sohn gleich einen Platz zum übernachten angeboten, als die zwei das erste Mal Fuß auf den Schwimmenden Schwarzmarkt gesetzt hatten.
Seine Vorfreude auf den heißen Mokka stieg, als er die Tür zu Drekis Bar aufstieß und ins warme Innere trat.
Der Geruch von fruchtigem Tabak stieg ihm in die Nase, begleitet von einer leichten Gewürznote. Es hatten sich bereits einige Gäste eingefunden, um entweder in ruhiger Runde zu schätzen oder vor einem großen, gläsernen Kolben zu sitzen und feinen, weißen Dampf aus einem Schlauch zu ziehen.
Wasserpfeifen. Dreki kannte sie aus seiner Jugend. Tabak wurde durch glühende Kohlen erhitzt und der Dampf dann durch das Wasser im Boden gefiltert. Mit der richtigen Mischung im "Kopf" konnte man einen bewusstseinsverändernden Zustand erreichen und sich komplett von der realen Welt verabschieden. Scar hatte schon viele Männer gesehen, die der Versuchung der Pfeife erlagen, selbst für die eigene Familie irgendwann nicht mehr wiederzuerkennen war.

Viele der Gäste hatten eine solche Wasserpfeife vor sich stehen und pafften nach jedem Zug kleine, weiße Rauchwolken zur Decke hinauf. Für manche Wikinger war es das erste Mal und man konnte sie laut Husten und Röcheln hören. Andere hatten viel mehr Erfahrung und bliesen kunstvolle Rauchringe aus, um bei ihren Freunden anzugeben.
Scar bahnte sich einen Weg durch den Dunst zur Bar, hinter der Dreki mit dem säubern einer Pfeife beschäftigt war.
"Mein Freund, guten Abend!" Grüßte der Wirt ihn sogleich, als er von seiner Arbeit auf blickte und Scar bemerkte. Er stellte sogleich das bauchige Gefäß bei Seite und zog den Mann zu einer festen Umarmung über den Tresen.
"Deine Begrüßung wärmt mein Herz, alter Freund." Erwiderte Scar lächelnd.
Dreki wies sogleich auf einen leeren Platz vor seinem Tresen und Scar ließ sich auch gleich nieder. Sein Filzmantel war durchnässt und roch, also ließ er ihn von den Schultern gleiten und warf ihn neben sich zu Boden.
Sein Lächeln wurde breiter, als ihm Dreki unaufgefordert einen kleinen Tonbecher mit einer dampfenden, dunklen Flüssigkeit servierte. Der Wirt hingegen schaute ein wenig entschuldigend drein.
"Ich habe dich früher erwartet. Er stand lange auf dem Feuer, vielleicht ist er zu stark."
Doch Scar leerte seinen Mokka mit einem Zug und somit waren Drekis bedenken verflogen.
Sogleich schenkte er seinem Freund nach und machte sich dann wieder an seine Arbeit.
"Wie war dein Besuch bei der alten Hexe?" Fragte Dreki mit gesenkter Stimme. "Die Hohe Lady war nicht erfreut darüber gewesen, dass wir die Arena in Brand gesteckt haben. Doch sie war gütig und hat mir vergeben, als ich sagte, dass wir nun einen Drachenreiter in unserer kleinen Gilde hätten." Erklärte Scar. Kurz darauf leerte er auch seinen zweiten Becher und er schüttelte sich kurz. Eine wohlige Wärme breitete sich nun in seinem Bauch aus.
Dreki beäugte den Dunkelhäutigen derweil skeptisch.
"Ob das eine so gute Idee war, Jalaris von dem Jungen zu erzählen?"
"Eine schlechte Idee wäre es gewesen, ihr davon nicht zu erzählen. Die Hohe Herrin hat ihre Augen und Ohren überall und wer sie hintergeht, findet sich oft am Grund des Meeres wieder."
Beide Männer blickten sich mit verhärteter Miene in die Augen, bevor sie zugleich die Blicke abwandten und wortlos beschlossen, das Thema zu beenden. Stattdessen schenkte Dreki dem Jäger nun ein kühles Met ein.

"Vater, du bist zurück?"
Skjall kam durch die Tür hinter der Bar und seine Augen fielen sogleich auf seinen Vater, was ihn breit lächeln ließ. Rasch umrundete er den Tresen und nahm neben Scar Platz.
"Ist alles in Ordnung, oder werden wir Schwierigkeiten bekommen?"
Scar hob eine Hand, um den Redeschwall seines Sohnes einhalt zu gebieten. Dann nahm er noch einen Schluck von seinem Met und verzog das Gesicht bei dem Geschmack des nordischen Getränks. Es war nicht nur die Hitze, die er aus Ägypten vermisste. Das Bier dort war auch besser.
"Ich habe noch immer meinen Kopf auf den Schultern, oder nicht? Ja, sie verzeiht uns." Erzählte er, kurz angebunden, da er das Thema nun endlich beenden wollte.
Über die Hohe Herrin zu sprechen konnte oftmals zu einem nassen Grab führen.
"Habt ihr euch eure Quartiere schon angesehen? Und wo ist unser Neuling?"
"Dreki hat sich darum gekümmert. Ike und Blitz sind in ihrem Quartier geblieben. Er sah müde aus. Vielleicht schläft er gerade." Antwortete Skjall
"Dann weck ihn. Wir haben viel zu besprechen und wenig Zeit."

Als Ike kurze Zeit später mit Scar und Dreki in einem kleinen, schwach beleuchteten Raum saß, waren seine Augen gerötet und sein zerzaustes Haar noch stärker durcheinander. Es fiel ihm sichtlich schwer, die Augen offen zu halten. Skjall sah ihn mitleidig an, während Scar bereits einige alte Karten auf dem Tisch zwischen ihnen ausgelegt hatte. Zusammen mit einem Steckbrief für den Khan.
Dreki hatte ihnen alle Getränke gebracht und ihnen angeboten, dass sie jederzeit nach ihm rufen konnten, wenn sie etwas brauchten. In der Zwischenzeit würde er die Bar beaufsichtigen und dafür sorgen, dass niemand in die hinten liegenden Räume ging.
"Lasst uns kurz zusammenfassen, was wir wissen. Ike, du fängst an. Sag uns, was du über den Khan weißt."
Bei der Erwähnung des Khans wurde Ike schlagartig hellwach. Er fuhr sich kurz durch die Haare, rückte mit dem Stuhl näher an die Karten und der Zeichnung des Feindes heran und legte die Stirn in Falten. Er brauchte ein paar Sekunden, um seine Gedanken zu sammeln.
"Also... sein Name ist Mong'grhal Khan. Er kommandiert eine kleine Armee und ein riesiges Schiff. Ich habe noch nie ein solches Schiff gesehen, sicherlich würden die Bewohner eines ganzen Dorfes darauf Platz finden. Vielleicht sogar zwei Dörfer. Er... ähm... er kommandiert auch Drachen. Ich weiß nicht, ob sie sich ihm freiwillig angeschlossen haben oder nicht. Außerdem hat er... also, er hat einen Drachenreiter auf seiner Seite."
Nachdem er den letzten Satz ausgesprochen hatte, biss er sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Scar und Skjall wussten beide, dass es wohl mehr über diesen Drachenreiter zu sagen gab, als Ike zugeben wollte, doch sie sahen auch, wie schwer es dem Schwarzhaarige fiel, darüber zu sprechen. Also bedrängten sie ihn nicht mit ihren Fragen.
"Sein Schiff ist die Tatay Tenger. Er hat es nach einem alten Geist der Stürme und Blitze genannt. Die Bauweise ist wirklich etwas besonderes. Ich habe schon viele Schiffe gesehen, darunter Griechische und Römische Galeeren. Aber sowas ist auch mir fremd." Erklärte Scar, nachdem er meinte, dass die Stille lange genug geherrscht hatte.
Dann lenkte er die Blicke der zwei Jüngeren Männer auf die große Seekarte. Das Inselreich war darauf abgebildet, zusammen mit der Nordküste Norwegens im Südosten und dem ewigen Eis im Norden. Kurz fiel Ike's Blick auf die Insel Berk in der Mitte, dann auf Weißfels am östlichen Rand.
Die Karte war nicht komplett. Der Drachenreiter wusste von mindestens zwei weiteren Inseln, die er in den letzten Jahren besucht hatte, aber auf dieser Seekarte nicht eingezeichnet waren und sofort kam ihm die Frage, wie viele Inseln wohl noch unentdeckt waren?
Doch seine Aufmerksamkeit wurde von Scar sogleich auf eine Insel im Süden gerichtet. Mit dürrem Finger tippte er mehrmals auf sie.
"Vor einigen Wochen hat er sein Lager auf der Zackenkronen-Insel aufgeschlagen. Sein Schiff liegt dort vor Anker und die ganze Insel wurde befestigt. Als ich mich zuletzt dort umsah waren sie dabei, einen Turm in ihrer Mitte zu errichten."
"Ihr seid gut informiert." Wand Ike skeptisch ein. Dabei warf er Scar und Skjall jeweils einen misstrauischen Blick zu.
Scar ließ sich davon nicht beirren, Skjall hingegen fühlte sich beleidigt.
"Natürlich sind wir da!. Wir sind Kopfgeldjäger, keine hirnlosen Barbaren! Wir stürmen nicht planlos in eine Schlacht und riskieren dabei unsere Köpfe!" Antwortete er beißend.
Sofort zuckte Ike erschrocken unter der schärfe in Skjalls Worten zusammen und murmelte mit rot angelaufenen Ohren ein kurzes "Tschuldigung". Skjall wollte wohl noch nachtreten, doch Scar brachte seinen Sohn mit einer Handbewegung zum schweigen.
"Genug davon. Skjall, er ist jung, hab etwas nachsicht mit ihm. Und Ike, ich weiß, du traust uns nicht. Aber wir haben dir geholfen, deinen Freund zu befreien und wir bieten dir Hilfe bei deiner Rache an. Daher würde ich es begrüßen, wenn du uns weniger feindlich gesinnt wärest."
Wieder nickte Ike.
"Gut. Dann lasst uns weiter über den Plan reden. Schließlich rieselt der Sand."
Er erlaubte sich ein kurzes, zufriedenes Grinsen, als Ike und Skjall sich noch einmal leise gegenseitig beim anderen entschuldigten. "Zu dritt werden wir niemals gegen den Khan gewinnen können, mit oder ohne Drachen. Diesem Mann wird nachgesagt, ein Teufel oder Monster zu sein. Daher umgeben wir uns mit den Besten der Besten und starten dann einen schnellen, direkten Angriff auf sein Herz.
Mong'grhal Khan hat bei seinem letzten Überfall herbe Verluste erleiden müssen. Ein Teil seiner Truppen wurden dezimiert und nun ist er fleißig damit beschäftigt, die Lücken in seinen Linien zu füllen."
Ike war dankbar darüber gewesen, dass Scar den Namen der Insel ausließ, die der Khan überfallen hatte. Er wusste selbst gut genug, welche es gewesen war und musste nicht noch einmal daran erinnert werden.
"Gleichzeitig hat er Späher ins Inselreich geschickt. Der Khan scheint etwas zu suchen, nur wissen wir leider noch nicht, was es ist. Doch das ist erst einmal zweitrangig. Er muss seine Truppen stärken und das gibt uns genügend Zeit, uns auf die kommende Auseinandersetzung vorzubereiten."
Noch immer war es Ike ein Rätsel, wie Scar plante, mit einer kleinen Gruppe von Kopfgeldjägern eine ganze Armee heraus zu fordern. Der Mann hüllte sich in Geheimnisse und ließ sich nicht in die Karten schauen. "Ihr sagtet, ihr wüsstet bereits, wer für eure Gilde in Frage käme." Erinnerte Ike.
"Das ist richtig. Drei große Krieger, speziell auf ihre ganz eigene Art. Aaron, Sohn von Rendall, Ember und Rafael Sturmkrone. Zu Ember und Rafael fehlen mir bisher die Spuren, doch ich weiß, wo wir Aaron finden. Er ist ein Mitglied des Heimdall-Ordens und er reitet die Küsten Norwegens auf und ab, für Recht und Ordnung in den kleineren Siedlungen sorgend."

Der Heimdall-Orden. Ike erinnerte sich daran, wie Antke ihm und anderen Kindern seines Clans im Unterricht von diesem Orden erzählt hatte und auch seinem Vater waren einige Legenden über sie bekannt.
Der Ase Heimdall galt im Glauben der Wikinger als Wächter der Götter, der die Regenbogenbrücke, den Bifrost, bewachte. Und wie ihr Schutzpatron, so wachten auch die Mitglieder des Ordens. Von ihrer Festung auf der Insel Magerøya aus überwachten sie die Meerenge zwischen dem norwegischen Festland und dem ewigen Eis. Damit waren sie die erste Verteidigungslinie gegen Eindringlinge aus dem Osten. Ihre Taten waren weit bekannt und ihre Mitglieder im ganzen Inselreich hoch angesehen und geschätzt. Doch kam der Khan nicht aus dem Osten?
"Seid ihr sicher, dass dieser Aaron noch am Leben ist?" Platzte es aus Ike heraus, ohne das er über seine Worte nachgedacht hatte.
Scar fasste ihn darauf mit einem verwunderten und gleichzeitig verärgerten Blick scharf ins Auge.
"Was lässt dich glauben, dass er tot sei?" Fragte er zurück.
Dieses Mal wollte Ike nicht unter dem Blick und der Stimme des Älteren klein beigeben. "Der Khan kommt doch aus dem Osten. Also muss er die Route entlang des ewigen Eises genommen haben. Sein Schiff passierte also die Heimdall-Pforte und kam somit an der Festung des Ordens vorbei. Ich glaube nicht, dass der Orden eine solche Bedrohung einfach durchgewinkt hat. Meine Frage ist also gerechtfertigt. Seid ihr sicher, dass Aaron, oder sonst irgendein Wächter noch am Leben ist?"
Skjall blickte neugierig zwischen seinem Vater und Ike hin und her: "Is' 'ne gute Frage, Vater." Rasch wies Scar seinen Sohn mit einem Blick stumm zurecht, bevor er sich räusperte: "Natürlich ist Aaron noch am Leben. Es ist wahr, dass es um den Orden still geworden ist, weswegen wir mit dem schlimmsten rechnen müssen, doch er selbst wurde zuletzt in der Nähe von Fensal gesichtet. Sicherlich ist er auf dem Weg in die Stadt."
Der Name Fensal sagte Ike nun nichts. Doch er hatte sich nie groß mit den Orten des Festlandes auseinandergesetzt. Norwegen war zwar nicht weit von Weißfels und dem Rest des Inselreiches entfernt gewesen und mit einem Drachen hätte er sicherlich mühelos das Festland erreichen können, doch bisher hatte er noch nicht das Verlangen verspürt, auch wirklich dorthin zu fliegen.
Was war schon besonders an endloser Landmasse?

"Also reisen wir nach Fensal, fangen diesen Aaron ab und überreden ihn, sich unserer Sache anzuschließen, richtig?" Fragte Skjall.
"So lautet der Plan. Du wirst mit Ike vor Sonnenaufgang nach Fensal aufbrechen. Dort werdet ihr euch mit einer weiteren Freundin unserer Sache anschließen. Ihr Name ist Thalia. Sie ist voraus gesegelt und versorgt mich regelmäßig mit Informationen. Findet sie und sie wird euch helfen, Aaron zu finden."
"Und was machst du?" Hakte Skjall sogleich nach, sichtlich verwundert über den Umstand, dass sein Vater sie nicht begleiten würde.
"Ich suche nach Ember und Rafael. Mit etwas Glück finde ich heraus, wo wir einen von ihnen finden, bis ihr zurück seid."

Damit war ihr treffen beendet. Scar rollte die Karten wieder zusammen, während Skjall schon halb aus dem Raum marschiert war. Wahrscheinlich, um seine Sachen für die Reise zu packen. Nur Ike fühlte sich ein wenig verloren, also trottete er erst dem Sohn hinterher und bog dann in sein eigenes Zimmer ab.

Für Scar führte der Weg zurück in die Schenke. Er bezweifelte, dass der Drache des Schwarzflügels auch seinen Sohn auf seinem Rücken mitreiten lassen würde und selbst wenn dem so wäre, würden sie die Heimreise zu viert antreten. Ein Schiff musste also organisiert werden. Glücklicherweise war am Abend Drekis Bar immer gut von Seefahrern, Fischern und Händlern besucht. Und der Tabak in der Luft half dabei, diese Männer davon zu überzeugen, ihnen eine Fahrt zu spendieren.
"Sapperlot, hier is' die Luft dicker als in deener Bohnensupp, Liv!" Im selben Augenblick, als Scar die Bar umrundete und sich an den erstbesten, benebelten Gast wenden wollte, betrat eine kleine Gruppe die Kneipe. Eine stämmige Frau mit einer Flasche am Gürtel, ein junges Mädchen ohne Schuhe und ein hagerer, junger Mann, dessen Alter der Kopfgeldjäger beim ersten Blick nicht wirklich deuten konnte.
"Und trotzdem schlingst du sie immer runter, als hättest du Angst, jemand klaut dir was." Antwortete die Jüngere Frau trotzig, doch schon bald hatte sie das Interesse an ihrer Begleitung verloren und bestaunte eine der kunstvoll bemalten Wasserpfeifen.
"Wie cool. Schau mal, da ist Wasser drin. Und Dampf. Und... sniff sniff... riechen tut es auch komisch, ulkig."
"Liv, komm da wech. Dat is nix für dich, du bist zu jung." Rief die Stämmige, nachdem sie sich an den Tresen gesetzt und Dreki etwas Gold zugeworfen hatte. Wortlos folgte darauf ein Krug mit Met.
Scar hatte von dieser Frau bereits gehört. Jin Attala, eine eher glücklose Piratin, die nun ihr Geld mit simplen Frachtfahrten verdiente. Der Junge und das Mädchen mussten ihre Begleitung sein. Vielleicht sogar ihre Crew? Er wusste es nicht und es war ihm auch egal. Jin machte nicht den Eindruck, als wollte sie in Kürze wieder in See stechen, da hatte er bei einem anderen Händler sicherlich mehr Glück.
"Scar? Seid ihr hier? Ich habe da noch eine Frage, wegen..."
"IKE?!"
Ike war aus dem Flur getreten und kurz darauf hatte die junge Liv ihn auch sofort gesehen. Mit tellergroßen Augen stürmte sie sofort von der Wasserpfeife weg und sprang dem Schwarzhaarigen förmlich in die Arme. Ike geriet ins stolpern, brachte vor Schreck kein Wort heraus und verfiel in eine Art starre, während die Blonde um ihn herum tänzelte.
"Er lebt! Du lebst! Jin, schau mal, Ike ist hier! Er lebt!"
Jin blickte den Schwarzhaarigen an, als hätte sie einen Geist gesehen. Sie nahm vorsichtshalber einen Schluck von ihrem Met und schaute dann noch einmal hin, doch Ike war nicht verschwunden. Also sprang sie von ihrem Hocker und eilte auf die kleine Wiedersehensfeier zu, Holm stillschweigend folgend.
Er sagte nichts, doch er lächelte ein wenig. Scheinbar freute auch er sich, Ike wieder zu sehen.
"Bei Thor's Unterbuchs, du lebst ja. Ick hab gedacht, dich hät's erwischt." Brach Jin nach längerem starren endlich hervor.
Ike befreite sich derweil aus der Starre und aus Liv's Fängen.
"Scar hier hat mich aus dem Meer gefischt." Antwortete er nur knapp. Sein Gesicht hatte sich verfinstert und sofort mied Jin jeglichen Blickkontakt. Liv bemerkte sogleich die Stimmungswechsel, schaute abwechselnd zwischen ihnen hin und her und seufzte.
Dann, ohne Vorwarnung, ballte sie die Faust und schlug Ike ins Gesicht.
Der Schwarzhaarige ging sogleich zu Boden, Jin schnappte erschrocken nach Luft, Holm riss die Augen auf und Scar hatte bereits die Hand an der Waffe.
"Liv? Sag mal, spinnst du?" Brach es aus Holm hervor, der sich scheinbar nicht länger im Schatten verstecken wollte. Rasch half er dem benommenen Schwarzflügel wieder auf die Beine. Liv hingegen zuckte unbekümmert mit den Schultern.
"Was ist? Ich hab gelesen, dass eine ordentliche Backpfeife bei sturen Kerlen Wunder bewirken soll!" Erklärte sie sich.
Holm hätte am liebsten frustriert die Arme in die Luft geworfen, würde er Ike nicht gerade stützen müssen.
"Liv, das macht man mit der flachen Hand, nicht mit der Faust!"
"Echt? Upsie."
Rasch hatte Dreki ein etwas Eis besorgt, dass sich Ike sogleich auf die geschwollene Backe legte. Noch immer wirkte er ein wenig desorientiert und schien sich zu fragen, von wo der Schlag kam.
Liv nahm derweil auf einem der Hocke platz und schnippste vor Ike's Augen, sodass der Schwarzhaarige seine Aufmerksamkeit auf sie richtete.
"Sorry, das war anders geplant. Aber verdient hast du es trotzdem. Mach Jin nicht weiter dafür verantwortlich, was passiert ist. Es tut ihr leid und sie quält sich schon die ganze Zeit mit der Schuld herum. Wir haben dir und deinem Drachen ein Dach über dem Kopf geboten, etwas zu essen und eine kostenfreie Überfahrt zum Schwimmenden Schwarzmarkt. Also sei nicht so ein Arsch, ja?"

Scar hatte derweil seine Hand wieder vom Griff seines Chepesch genommen und die Schultern entspannt. Dies war also nichts weiter als eine Debatte unter Bekannten. Kein Grund also, alarmiert zu sein. Er trat näher an Ike heran, um seine Hand vorsichtig auf der Schulter des Jungen abzulegen und sich zu ihm herab zu beugen.
"Du solltest auf das Mädchen hören, Ike. Groll dieser Art ist nur Gift für die eigene Seele. Hebe dir diese Gefühle für die auf, die es wirklich verdienen."
Ike zögerte sichtlich, doch schließlich schloss er seufzend die Augen und nickte zustimmend.
"Tut mir leid, Jin." Murmelte er.
"Schon gut, Jung'." Kam es leise von Jin zurück.
Dann klatschte Liv in die Hände, über beide Backen strahlend: "Sehr gut. Und nun, wo das aus der Welt ist, gibt es erstmal ein kaltes Met."
"Nix da, du bist zu jung!"
"Och menno."


Drachenzähmen leicht gemacht - Die Schwarzflügel-ChronikenTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang