Kapitel 73 - Mit Drachen geht alles einfacher

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Er hatte sicherlich Stunden damit verbracht, bei der Versorgung und Behandlung der Verletzten zu helfen, dass ihm zunächst gar nicht bewusst wurde, wie kräftezehrend diese Aufgaben wahren. Erst, als Ike sich eine kleine Pause gönnte und sich an einen freien Tisch in der Nähe der Eingangstür setzte, spürte er seine protestierenden Muskeln und die alles überschattende Müdigkeit, die an seinem Bewusstsein zerrte wie ein Schrecklicher Schrecken an einem zu groß geratenen Karpfen.
Er fuhr sich durch das langsam fettig werdende Haar und wünschte sich, nicht zum ersten Mal an diesem Tag, er hätte die Zeit und die Gelegenheit für ein heißes und entspannendes Bad. Auf seinem Weg durch die Stadt an Skjalls Seite hatte er erfahren, dass Fensal ein großes Badehaus besaß. Vielleicht, wenn sich die Zeit dazu finden ließe und das Badehaus nicht dem Erdbeben zum Opfer gefallen war, würde Ike sich einen kurzen Besuch dort gönnen.
"Wir haben gute Arbeit geleistet. Weniger Seelen als erwartet werden heute die Duat erreichen."
Skjall hatte Ike am Tisch sitzen sehen und beschlossen, sich ebenfalls eine Pause zu nehmen. Über seiner Schulter lag ein mit Blut durchtränktes Tuch und seine Finger waren ebenfalls beschmiert vom Lebenssaft der Verletzten. Auf seiner dunklen Stirn perlte Schweiß und er ging ein wenig gebeugt. Die Erschöpfung stand ihm ins Gesicht geschrieben und dennoch lächelte er breit.
"Ich bin kein Heiler. Viel konnte ich für die meisten Verwundeten nicht tun, außer ihnen das Blut aus dem Gesicht zu wischen und ihre Hand zu halten."
"Es zeugt von einem starken Charakter, wenn ein Mensch in einer solchen Situation über seine ihm bekannten Fähigkeiten hinauswächst, aber manchmal reicht es schon, dass man sich dazu entscheidet, jemanden die Hand zu halten. Wenn jemand leidet, muss man versuchen zu helfen, nicht den Kopf in den Sand stecken und auf schöneres Wetter warten, Ike. Ich bin mir sicher, das Horus auf dich herab lächelt."
Eines musste man dem Ägypter lassen, er wusste, wie man jemanden Mut zusprach. Ike war immer noch so fasziniert davon, wie ein Mann wie Skjall, der sich sein tägliches Brot durch das Ermorden anderer verdient, mit einem so breiten Grinsen durch die Welt gehen konnte?
War es das Wissen, dass die Männer, die er tötete, allesamt selbst Schurken waren? War es okay zu töten, wenn die Seele, die man nahm, verdorben war? Oder setzte man sich einfach nur auf die selbe Stufe herab?
Wer war der größere Mörder? Der Mörder, oder der Mörder, der ihm folgte?
"Es ist zu spät, jetzt darüber zu philosophieren, Ike." Ermahnte sich der Schwarzhaarige selber und er dachte an die Drachenjäger zurück, deren Leben er auf dem Schwimmenden Schwarzmarkt beendet hatte.
"Du bist jetzt einer von ihnen. Gewöhne dich besser an das Gefühl."
Es gefiel ihm dennoch nicht...

Kurz darauf setzte sich auch Thalia zu ihnen. Anders als die beiden Männer hatte sie deutlich mehr getan als nur zu helfen. Eine Schwester aus dem nahegelegenen Tempel, die für die Versorgung der Verwundeten im Gasthaus zuständig war, hatte ihr in kurzer Zeit die wichtigsten Schritte zur Versorgungen der Verletzten beigebracht und sie dann willkürlich auf die Patienten los gelassen. Vom vielen Bücken und Stehen schmerzte nun ihr Rücken und sofort sprang Skjall von seinem Stuhl auf, als die Rothaarige in ihre Richtung wankte, um ihr einen Platz zu ermöglichen.
Sie bedankte sich mit einem erschöpften Lächeln, faltete dann die Arme über dem Tisch zusammen und legte ihren Kopf mit einem lauten Stöhnen ab.
"Dabei wollte ich nur...
"...Tanzen und Singen." beendete Ike den Satz neckend, den er inzwischen ein dutzend Mal gehört hatte.
Für eine verbale Antwort fehlte Thalia offenbar in diesem Augenblick die Kraft, den sie hob stattdessen nur ihren Mittelfinger in die Luft.

"Das Schlimmste scheint überstanden zu sein. Viel können wir nun nicht mehr tun. Wir sollten uns ausruhen und später unsere Suche nach dem Wächter fortsetzen." Schlug Skjall vor.
Ike und Thalia protestierten nicht.
"Ich habe ein Zimmer hier in diesem Gasthaus. Es steht euch frei, den Boden dort mit eurer Anwesenheit zu beglücken." Schlug Thalia vor.
"Ich soll auf dem Boden schlafen?" Wand Ike überrascht und auch ein wenig aufgebracht ein.
Thalia sah ihn darauf selbst überrascht an: "Äh, ja? Erwartest du etwa, dass ich dich mit ins Bett nehme? Du bist süß aber definitiv nicht mein Typ. Und viel zu jung..."
Ike lief rot an und schüttelte den Kopf: "W-Was? Nein, so meine ich das doch gar nicht. Ich sagte doch nur... und was heißt hier zu jung? Ihr seid doch kaum älter als... ach, vergesst es."
Aufgewühlt von dieser Unterstellung sprang Ike von einem Platz auf und ergriff Skjall an den Schultern, der sich bereits den Bauch hielt vor Lachen, um ihn in Richtung Tür zu drehen.
"Skjall, wir gehen zum Schiff zurück. Wir... wir kommen später wieder."
Ihm war das alles viel zu peinlich, als das er noch länger mit dieser Frau an einem Tisch sitzen wollte. Allein die Vorstellung empfand er als lächerlich und er konnte darauf verzichten, dass sich Thalia weiter auf seine Kosten amüsieren würde.

Doch er kam gerade mal bis zur Tür, wo er unachtsam gegen die Brust eines strammen, blonden Mannes lief und beinahe das Gleichgewicht verlor. Noch in letzter Sekunde konnte der blonde Neuankömmling Ike am Oberarm packen und somit verhindern, dass der Schwarzhaarige zu Boden ging.
"Nicht so stürmisch, mein junger Freund. Normalerweise stürmen die Männer um diese Uhrzeit in die Schenke, nicht aus ihr heraus. Ist das Bier etwa bereits ausgegangen?"
Ike blickte hoch in das grimmige Gesicht des blonden Hünen und verspürte sogleich den Instinkt, zu seiner Waffe zu greifen. Er wusste nicht, wieso er so empfand, doch dieser Mann jagte ihm einen kalten Schauer ein.
Auch Skjall hinter ihm schien es ähnlich zu gehen, denn sofort war dessen Körper angespannt, als würde er gleich jemanden anspringen.
"Verzeiht... aber seid ihr... Aaron der Wächter?"
Die Augen des Blonden weiteten sich kurz vor Überraschung, dann lächelte er. Ike hingegen wechselte zwischen dem Gesicht des Hünen und Skjalls hin und her.
Sollten sie wirklich das Glück haben, in Aaron gerannt zu sein? Dem Wächter Heimdalls und die Person, die sie suchten?
"Der bin ich in der Tat. Und eurer exotischen Hautfarbe nach seid ihr nicht aus dem eisigen Norden, mein Freund. Sagt, was kann ein einfacher Mann wie ich für euch tun?"
Ike lachte nur humorlos über diese Worte. Aaron war alles andere als ein einfacher Mann. Alles an ihm schrie förmlich nach Gefahr. Dieser Mann könnte einen wilden Drachen im Zweikampf erlegen.
Skjall hatte sich indessen wieder beruhigt. Seine Schultern entspannten sich und seine Hand verkrampfte sich nicht mehr um den Knauf seiner Waffe. Auch sein Sorgenloses Lächeln kehrte zurück und er schob Ike etwas grob bei Seite, damit der Schwarzhaarige nicht mehr hilflos verloren zwischen ihm und dem Wächter stand.
"Mein Name ist Skjall Knochenbrecher. Mein etwas aufgebrachter Freund hier ist Ike Schwarzflügel. Mein Vater schickt uns, damit wir euch treffen können. Es geht um... wichtige Geschäfte."
Aaron hatte bei der erwähnung ihrer Namen aufgehorcht und warf nun einen neugierigen Blick auf Ike, der grimmig drein Blickend an der Seite des Gespräches stand.
"Ja natürlich. Nach den Erzählungen kann nur ein Schwarzflügel diese besonderen, roten Augen besitzen. Aber ich hörte, dass alle Schwarzflügel tot seien."
"Nicht alle." Korrigierte Ike kuhl.
Aaron's Blick hatte sich geändert. Anstatt einen grimmigen, misstrauischen Wilden hatten sie plötzlich einen mitfühlenden Mann vor sich, der sichtlich Mitleid für Ike's Situation empfand.
"Natürlich. Verzeiht, das war Taktlos von mir." Sagte er, senkte kurz den Kopf als Geste des Respekts und wand sich dann wieder an Skjall, "Warum führen wir dieses Gespräch nicht in meiner Kammer fort, fern von neugierigen Ohren? Dann könnt ihr mir mehr über eure Geschäfte erzählen."
Skjall stimmte diesem Vorschlag zu und ließ den Blonden vorangehen. Er warf einen letzten, mahnenden Blick zu Ike und winkte dann Thalia zu ihnen, die schon halb an ihrem Platz eingeschlafen war. Mürrisch erhob sich die Rothaarige von ihrem Platz und folgte den drei Männern nach oben.


"Euer Vater will also, dass ich seiner kleinen Bande von Kopfgeldjägern beitrete? Ich muss schon sagen, ihr Südländer habt einen guten Sinn für Humor."
Aaron schlug sich lachend auf den Oberschenkel, nachdem Skjall ausführlich erklärt hatte, warum er, Ike und auch Thalia sich die Mühe gemacht hatten, nach Fensal zu kommen um nach ihm zu suchen.
Sie hatten alle Platz in der kleinen Kammer gefunden, die Aaron für seinen Aufenthalt in der Stadt gemietet hatte. Thalia saß, teilweise schon zusammen gesunken, auf dem Bett und lauschte der Konversation nur mit einem Ohr. Ike lehnte daneben gegen den bettpfosten, die Arme provokant vor der brust verschränkt. Skjall saß auf dem einzigen im Raum vorhandenen Stuhl und Aaron lehnte gegen die Wand.
"Euer Beitritt wäre nur auf Zeit. Sobald wir unseren Auftrag beendet haben, steht es euch frei, wieder zu gehen." Versuchte Skjall ihren Vorschlag noch zu versüßen.
Doch man sah es dem Wächter an, dass er davon noch nicht überzeugt war.
"Vorausgesetzt, dass ich den Kampf gegen den Khan überlebe, meint ihr. Tut mir leid, Junge, aber anders als ihr weiß ich, mit wem ihr euch da anlegen wollt. Der Khan ist meinem Orden bereits bekannt und glaubt mir, wenn ich sage, dass wir eine Armee brauchen werden, um ihn zu töten. Dieser Mann ist kein Mensch."
"Dann haben wir umso mehr Gründe, die Welt von dieser Abscheulichkeit zu befreien."
"Was ist mit dir, Junge? Warum kämpfst du gegen ihn?" Fragte Aaron an Ike gewandt, der sich bis jetzt noch nicht in diesem Gespräch geäußert hatte.
"Aus Rache." Antwortete er nur knapp.
"Ah, Rache. Die gute alte Rache. Und wird es deinen Clan zurückbringen, wenn du den Khan getötet hast?"
Diese Frage traf Ike überraschend, doch anstatt über ihre Bedeutung nachzudenken, stieß er sich Zähnefletschend von der Bettkante ab und trat Aaron entgegen.
"Ihr wagt es so zu mir zu sprechen?"
"Du weichst der Frage aus, Kleiner! Hast du überhaupt eine Ahnung, was Rache bedeutet? Was du dir vorgenommen hast? Es gehört weit mehr dazu, als einem Feind ein Schwert ins Herz zu rammen. Aber ich kann von einem Kind nicht erwarten, dass es so etwas versteht."
Das war zuviel für Ike. Er wollte zu seiner Waffe greifen, Lillie ziehen und dem Blonden zeigen, dass er schon lange kein Kind mehr war. Doch Skjall schaffte es, rechtzeitig aufzuspringen, sich zwischen die beiden Männer zu werfen und Ike davon abzuhalten, sich mit dem Wächter anzulegen.
"Lass mich los!" keifte Ike wütend, doch Skjall lockerte seinen Griff nicht.
"Zügel deine Wut, Ike. Gegen einen Wächter des Heimdall-Ordens kommt selbst ein Schwarzflügel nicht an. Geh nach unten und kühl deinen Hitzkopf ab, bevor du dich noch verletzt!" Zischte Skjall mahnend und mit hartem Blick.
"Aber er..."
"Geh jetzt!"

Die Tür fiel donnernd ins Schloss, nachdem Ike wutentbrannt aus dem Zimmer gestürmt war. Skjall seufzte schwer und nahm wieder auf dem Stuhl Platz.
"Verzeiht das Verhalten meines Kameraden. Er ist jung und unerfahren, doch sein Herz ist am rechten Fleck."
"Das bezweifle ich nicht. Doch ein Krieger darf im Kampf nicht nur auf sein Herz vertrauen. Auch sein Kopf ist von großer Bedeutung. Ike muss lernen, sich nicht von seinen Emotionen beeinflussen zu lassen, sonst kann er seinen Kopf bald unter einen Arm klemmen."
Skjall stimmte ihm dabei wortlos zu und er hoffte, dass Ike selbst diese lektion eines Tages lernen würde, bevor sie alle gegen den Khan in die Schlacht zogen. In der kurzen Zeit, die sie sich nun kannten hatte er den 16 Jährigen zu mögen begonnen. Er sah vieles von sich selbst in ihm, als Skjall selber in diesem Alter war, auch wenn das noch nicht so lange her war. Scar hatte lange gebraucht, um aus dem mit Emotionen überlaufenden jungen den Killer zu machen, der Skjall heute war.
"Wenn ihr euch unserer Sache anschließt, könntet ihr es ihm selbst beibringen, Aaron." Sagte er, worauf der Wächter die Augen verdrehte.
"Hör zu, Junge. Ich sagte bereits..."
"Wartet, lasst mich sprechen."
Aaron war ein wenig überrumpelt von der plötzlichen Unterbrechung, doch er ließ den Dunkelhäutigen gewähren und deutete mit einer Handbewegung, dass er fortsetzen sollte.
"Ich kenne nicht die Worte, die nötig sind, um euch zu überzeugen. Doch ich weiß, wer sie kennt. Mein Vater. Erlaubt euch selbst, uns zum Schwimmenden Schwarzmarkt zu begleiten und hört euch die Worte meines Vaters an. Um mehr bitte ich euch nicht."
Aaron ließ sich Zeit mit einer Antwort. Im Kopf wog er das für und das wieder ab und es war offensichtlich, dass das wieder überwog. Doch er wusste auch, dass es nicht schaden würde, Scars Worten zu lauschen. Zudem hatte er Thalia eh bereits sein Wort gegeben, dass er sich mit dem Anführer der Kopfgeldjäger treffen würde.
"Einverstanden. ich werde mit euch kommen. Aber erst, nachdem meine Aufgabe hier beendet ist. Die Herrscherin bat mich, ihre verlorene Tochter zu finden und... es wäre im Interesse aller, wenn ich dieser Bitte nachgehen würde."
Während des letztens Satzes legte sich ein Schleier um den Hünen, der ihn zu einem grimmigen Götzenbild mutieren ließ und Skjall fragte sich, was er wohl mit diesen Worten meinte?
Doch darüber würde er ihn später noch befragen können: "Osiris sei dank. Dann erlaubt uns, euch in eurer Quest zu helfen. Die Fähigkeiten meines jungen Begleiters könnten euch da von großem Nutzen sein."

Darauf musste Aaron verwirrt die Stirn runzeln.
"Welche Fähigkeiten?"


"Wenn ich gewusst hätte, dass ich mich auf dieser Reise in einem Gebüsch verstecken müsste, hätte ich ein anderes Kleid angezogen."
Aaron hatte nur wenig Mitleid für die rothaarige Tänzerin an seiner Seite. Er war vielmehr überrascht gewesen, dass Thalia darauf bestanden hatte, ihn zu begleiten.
Von Skjalls Erklärung und Ike's Wutausbruch im Gasthaus hatte sie nur wenig mitbekommen. Die Müdigkeit hatte sie rasch ins Reich der Träume getragen, doch nun sprühte sie vor Energie und als sie erfuhr, dass Aaron auf der Suche nach einer verschwundenen Prinzessin war, auch wenn das nicht genau sein Wortlaut war, war sie sofort Feuer und Flamme von der Idee, ihm bei seinem Auftrag zu begleiten.
Und nun, wo sie nördlich der Stadt Fensal am Taleingang auf der Lauer lagen und warteten, schien sie zu beginnen, ihre Entscheidung zu bereuen.
"Warum sollte eine Prinzessin sich in dieser Pampa verstecken? Das macht doch alles keinen Sinn."
"Genau deshalb sind wir ja hier, werte Dame. Um die junge Tochter ihrer göttlichen Majestät zu finden und dieses Rätsel zu lüften." Versuchte Aaron sie erneut zu beschwichtigen.
Er gab zu, so langsam verlor er die Geduld mit Thalia.
"Und worauf warten wir dann? Sollten wir nicht losgehen und das Tal absuchen? Obwohl, zu Zweit würde das Tage dauern und ich habe meine Wanderstiefel nicht eingepackt. Ich werde mir Blasen holen." Quengelte sie.
Aaron seufzte: "Sind Blasen eure einzige Sorge?"
"Ich bin Tänzerin. Eine Blase zur falschen Zeit kann das Ende meiner Karriere bedeuten."
"Oh Thor," dachte der Wächter wehleidig, "wenn du mich das hier überstehen lässt, werde ich dir von nun an einen ganzen krug Met opfern, anstatt die Hälfte selber zu trinken."

"Und worauf warten wir nun?"
"Auf unsere neuen Freunde."
"Aha, und wann kommen die?"
"Das weiß ich nicht. Und jetzt gebt Ruhe."
Thalia blies beleidigt über diese Schelle die Wangen auf. Sie mochte es gar nicht, wenn ihr jemand Befehle erteilte und schon gar nicht ein Mann. Zu oft in ihrem Leben hatte ein Mann ihr gesagt, was sie zu tun hatte und was nicht und sie war es inzwischen Leid gewesen.
Doch auf eine Standpauke hatte sie nun noch weniger Lust und so beschloss sie, Aaron für den Rest der Nacht einfach zu ignorieren.
Sie suchte sich eine andere Beschäftigung, doch weder waren Blumen in der Nähe, die sie zu einem kleinen Strauß binden konnte, noch ein stabiler Zweig, um Kreise in den Dreck zu malen. So gesehen gab es absolut nichts für sie zu tun, als zu warten oder hinauf in die Sterne zu blicken. Also beschloss sie, letzteres zu tun und schon bald fand sie Freude daran, mit Hilfe ihrer doch recht farbenfrohen Fantasie neuartige Sternzeichen zu formen.
"Ich nenne diese Form da Thor's Gemächt, weil sie so klein ist und der Gott des Donners ja scheinbar mit seinem Hammer irgendwas kompensieren muss. Hmm, was ist denn das?"
Aaron, der versucht hatte, die Tänzerin auszublenden, besonders die Gotteslästerung gegenüber Thor, blickte nun ebenfalls zum Himmel empor, alarmiert über ihre letzten Worte.
"Was meint ihr?" Fragte er und Thalia rückte näher, um mit einer ausgestreckten Hand zu den Sternen zu zeigen.
"Dort. Dieser Schatten, der sich ab und an vor die Sterne schiebt."
"Es könnte ein Vogel sein." Vermutete der Blonde, doch Thalia schüttelte den Kopf.
"Zu groß für einen Vogel. Ein Drache? Aber ich dachte, die gibt es nur im Inselreich!?"
"Drachen gibt es auf der ganzen Welt, nur sind sie in manchen Gebieten seltener als in anderen. Hoffen wir, dass dieser Drache nicht wild und gefährlich ist und im Tal nach Beute sucht."
Aaron wand sich wieder vom Himmel ab und richtete seinen Blick auf die Straße, gespannt auf Skjall und Ike wartend. Thalia hingegen konnte sich nicht von dem Anblick des Drachen lösen und sie begann nervös auf ihrer Lippe herum zu kauen, als er erkannte, dass der Schatten über ihnen Kreise zog und größer wurde.
"Aaron, ich glaube, der kommt zu uns."
"Wer, der Drache?"
"Ja. Und ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass er gleich... kyaaaah!!!"

Fauchend kündigte sich der Drache an. Mit starken Flügelschlägen verlangsamte er seinen Sinkflug und landete krachend mit seinen Hinterbeinen zwischen den Bäumen des Waldes, nur wenige Meter von Aarons und Thalias Versteck entfernt. Sofort sprang der Heimdall-Wächter aus dem Gebüsch, zog sein Schwert und schob sich zwischen das Tier und die Tänzerin.
"Thalia, Rasch! Bringt euch in Sicherheit!"
Doch die Tänzerin blieb an ihrem Platz. Anstatt fort zu laufen streckte sie ihren Arm aus und deutete auf den Rücken des Drachens, der Angriffslustig kleine Funken über seine Flügel Membranen tanzen ließ.
"Da... Da sitzt einer!"
Und nun sah auch Aaron, dass tatsächlich jemand auf diesem Drachen, ein Skrill, wie er nun erkannte, saß und ihnen ein breites Grinsen zuwarf.
Es war der junge Ike Schwarzflügel. Und er ritt einen Skrill.
"Ike Schwarzflügel, Drachenreiter und Kopfgeldjäger, meldet sich zu Dienst, Sir!" Begrüßte Ike die beiden lachend und er ahmte sogar einen militärischen Salut nach.
Aaron steckte Kopfschüttelnd sein Schwert zurück in die Scheide, während Thalia nervös hinter ihm hervor trat und Ike dann wütend ein Büschel Gras entgegen warf, dass sie vor Schreck aus dem Boden gerissen hatte.
"Sag mal, willst du, dass ich einen Herzinfarkt bekomme, Kleiner? Kommst hier auf deinem furchteinflößenden Drachen angeritten, als sei es das normalste auf der Welt!" Schimpfte sie, hielt aber bedächtigen Abstand zum Skrill.
Ike hingegen konnte sich das Lächeln nicht aus dem Gesicht wischen: "Aber Lady Thalia, Blitz würde euch doch nichts zu Leide tun. Es bestand kein Grund zur Besorgnis."
"Weiß dein Drache das auch!?"

Aaron hatte in seinem langen Leben schon den einen oder anderen Drachenreiter gesehen. Für ihn war es dennoch ein erhabener Anblick, einen Menschen auf einem Drachen sitzen zu sehen, zu beobachten, wie sie eine Partnerschaft eingingen und sich gegenseitig ihr Leben anvertrauten. Noch immer wurden Drachen in weiten Teilen des Inselreiches gejagt und getötet und auch an der norwegischen Küste gab es immer noch Märkte für Drachenschuppen und Knochen.
Einen Schwarzflügel auf dem Rücken eines Skrills hingegen gab ihm Hoffnung auf eine gute Zukunft.
"Hast du deinen Freund außerhalb der Stadt versteckt? Wäre ein Skrill in Fensal gelandet, hätte ich wohl früher von dir erfahren, Kleiner." Unterbrach Aaron das Gezeter der Tänzerin.
Ike nickte: "Blitz blieb auf dem Schiff mit dem wir in die Stadt gekommen waren. Ich musste meine Kapitänin bitten, zurück auf den Fjord zu fahren, um unbemerkt und fern der Wachen mit ihm aufsteigen zu können."
"Du hast ihn Blitz genannt? Nicht gerade sehr einfallsreich." Kommentierte Thalia den Namen des Skrills und Ike verdrehte die Augen.
"Ich war acht!" Verteidigte er seine Entscheidung von damals mit einem Ton, der verriet, dass Ike wohl schon häufiger seine Namensgebung rechtfertigen musste.
"Wo ist dein Begleiter, Skjall? Kommt er zu Fuß oder reitet er auch einen Drachen?"
Darauf schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf.
"Skjall hat beschlossen, in der Stadt zu bleiben. Er sagte, wenn diese Frigga wirklich für das Beben verantwortlich sei, muss es einen Trick geben. Er glaubt nicht an göttliche Kräfte und ganz ehrlich? ich auch nicht. Er versucht etwas in Erfahrung zu bringen, bis wir zurück sind."

Aaron war mit diesem Plan einverstanden. Er hoffte tatsächlich, so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Sollte es wirklich einen Trick hinter den Fähigkeiten der Herrscherin geben, würden sie der Stadt und ihren Bewohnern einen großen Gefallen tun, wenn sie Frigga diese Macht nehmen könnten.
"Nun gut, ein Schritt nach dem Anderen. Ike, kannst du mit deinem Drachen das Tal ausspähen? Nach einem Nachtlager, einer Höhle oder einem vergleichbaren Unterschlupf die Augen aufhalten? Ich bin mir sicher, dass Lady Katja in diesem Tal ist und mit deiner Hilfe und der deines Freundes hier sollten wir sie schnell finden können."
"Ich hatte denselben Gedanken. Dann komm Blitz, mein Freund, lass uns eine prinzessin suchen gehen."
Wenn Ike noch immer sauer wegen ihrer Auseinandersetzung im Gasthaus war, so besaß der Junge ein Talent dafür, seine Abneigung ihm gegenüber für die größere Sache zu ignorieren. Vielleicht hatte Aaron ihn doch falsch eingeschätzt.
Er und Thalia beobachteten, wie Ike und Blitz wieder ab hoben und zum Himmel empor stiegen, bis sie nur noch ein Schatten zwischen den Sternen waren.

"Und da dachte ich immer, es seien die Drachen, die Prinzessinnen entführen." Murmelte Thalia ehrfürchtig.
"Ja, aber wir sind hier nun mal in keinem Märchen. Kommt, lasst uns ihnen zu Fuß folgen und auf ihr Zeichen warten. Ich spüre, dass wir unseren Antworten gerade einen großen Schritt näher gekommen sind."
Aaron schulterte seinen Rucksack und marschierte los. Thalia zuckte die Schultern und folgte ihm.
"Wenn sie es sagen."


Drachenzähmen leicht gemacht - Die Schwarzflügel-ChronikenTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang