KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

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Die Töchter

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Seokjin wusste nicht, wie lange er hier schon saß. Die Krone drückte unangenehm auf seine Kopfhaut und sein Rücken schmerzte von dem langen stillsitzen auf der ungepolsterten Sitzfläche des Throns. Yoongi schien es zu seiner Rechten nicht anders zu gehen - er nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie der Ältere immer wieder versuchte möglichst unauffällig seine Sitzposition zu ändern, ohne dabei aufzustehen. Sie hatten am Morgen zusammen gegessen, dennoch hatte er das Gefühl, dass die Atmosphäre zwischen Yoongi und ihm immer noch merkwürdig war - nicht angespannt, jedoch nicht, wie sie sonst normalerweise war. Die vergangenen Tage hatten sie nicht viel Zeit miteinander verbracht und er hatte Morgens immer nur mit Mysa zusammen gespeist, doch heute Morgen hatte ihm Qin berichtet, dass Yoongi ebenfalls im Speisesaal sitzen würde. Vielleicht lag es daran, dass heute ein besonderer Tag war. Nicht unbedingt in seinem Ermessen besonders im positiven Sinne, aber eben anders. 

Den Bürgern war es am heutigen Tag gestattet, vor den König zu treten und ihr Begehren frei zu sprechen; Seokjin hatte auf Wunsch seines Vaters Gon-Yoo in den vergangenen zwei Jahren mehrmals diesen Tagen beigewohnt, jedoch immer mit Widerstreben. Natürlich sorgte er sich um das Volk, schließlich war das im gewissen Maße seine Aufgabe, dennoch war es kein leichtes, sich die endlosen Begehren und Beschwerden der Bürger Raellès und der Umgebung anzuhören. Manchmal reisten die Leute sogar aus weiter entfernten Ortschaften an, jedoch wendeten sich die Bewohner der anderen Städte meist an die dort ansässigen Lordschaften, und nahmen nicht die beschwerliche Reise bis in die Hauptstadt auf sich; zumal sich dies die meisten gar nicht leisten konnten. 

Es war ermüdend. Es waren fast ausnahmslos Forderungen und Beschwerden. Die Krone verlange zu viele Ernteerträge, die Krone ziehe zu viele Soldaten aus den Städten ab und die Kriminalität nehme zu, sie forderten Unterstützung in Form von Lebensmitteln und Vieh, welches sie sich nicht leisten konnten in größeren Mengen abzugeben. Die Bürger waren mit den Antworten und versprochenen Erträgen in den meisten Fällen nicht zufrieden, da es zu wenig war - was Seokjin auch verstand, es waren lächerliche Mengen, jedoch blieb ihnen nichts anderes übrig. 

Die vergangenen Ernten waren bedenklich schlecht ausgefallen und hinzu kam, dass viele Söhne der Bauern zur Armee einberufen wurden, sodass die Mithilfe auf den Feldern wegfiel. Jede Lösung für ein Problem schaffte an einem anderen Ort ein neues und niemand wusste, wie all dies ein Ende finden sollte. Die Opferzahlen des schwarzen Todes hatten zwar bewirkt, dass es weniger hungernde Menschen gab, aber somit entstand auch der Mangel an neuen Rekruten und Bauern. Es war ein Teufelskreis und auch wenn Seokjin verzweifelt versuchte Hoffnung zu wahren, schwand diese langsam. 

Sein Blick huschte abermals für einen Herzschlag zu Yoongi, der in diesem Augenblick einige Mitschriften anfertigte, ehe der nächste Bürger vortrat und sein Begehren vortrug; zu ihrem Unmut war es erneut eine Beschwerde und eine daraus resultierende Forderung:

»Eure königliche Majestät«, setzte der Mann mittleren Alters mit lauter Stimme an, die durch den ganzen Thronsaal hallte, während er sich mehr schlecht als recht verbeugte. »Innerhalb weniger Monate kamen erneut Männer der Krone auf unseren Hof und trieben Soll ein. Es waren keine sechs Monate wie üblich, sondern höchstens drei, seit dem sie das letzte Mal da waren! Sie haben mehr Vieh mitgenommen, dabei ist unser Bestand sowieso schon geschrumpft!« Der Mann war erbost und Seokjin konnte seinen Unwillen verstehen. »Sie ließen uns nur drei unserer Ziegen und das Federvieh!« 

»Ich verstehe, dass Sie erzürnt sind, guter Mann, jedoch erfordert der Krieg einen Tribut eines jeden Mannes und so büßt das ganze Land.«

»Die Bürger bluten mehr, als dieser Krieg ihnen etwas bringt!«

Die Ritter der Krone | ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWhere stories live. Discover now