Fantasie oder Realität

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Eine ganze Weile saßen wir so, bis ich mich daran erinnerte, dass ich noch meinen Drink in der Hand hielt. Ja, ich habe Alkohol gefunden. Das erleichterte es mir. Wenn ich nicht in die Bar gehen konnte, trank ich eben zuhause. Ich war keine Alkoholikerin, ich hatte mich unter Kontrolle. Wenn mal wieder ein Tag kam, an dem ich es nicht mehr aushielt, griff ich zur Flasche. Ich führte das Glas zu meinem Mund und nippte daran. Verwundert sah Kai mich an. „Du hast getrunken..", stellte er fest. „Ach komm, als ob du nie trinken würdest", erwiderte ich, „Keine Sorge, ich bin noch bei mir, noch, also wenn du mich umbringst, mach es lieber später." Er seufzte und schaute mich an. Da ich auf mein Glas schaute, merkte ich seine Blicke von der Seite und bevor ich drüber nachdenken konnte, drehte sich mein Kopf ganz von alleine zu ihm. Keine 10 Zentimeter trennten uns jetzt noch. Mein Herz schlug so laut, dass ich dachte er würde es hören. Mein ganzer Körper wurde verrückt und drängte mich dazu, etwas Dummes zu tun. Seine Augen waren so wunderschön, sie Zogen einen in diesen Bann. Diese Sache, die er mit seinen Augen machte, es war nicht definierbar, aber du warst gefesselt und konntest nicht entweichen, als ob er dich in der Hand hätte, nur dich. Als ob du sein wärst. Er sah so gut aus, verdammt und muskulös noch dazu. Ich blendete alles aus, nur dieser Moment, das Hier und Jetzt zählte. Man hörte förmlich das Knistern. Ein Knacken des Holzes unterbrach meine vernebelte Wahrnehmung und mit einem Schlag kam mir der Gedanke, dass ich dabei war, den Schuldigen für den Tod meiner Eltern zu küssen. Der Grund, warum ich überhaupt damit angefangen habe, ab und zu Alkohol zu trinken. Sofort wich ich zurück und schaute in sein belustigtes Gesicht. Nicht sein Ernst. Ich schnappte mein Glas und ließ ihn eiskalt sitzen. Was dachte er sich dabei? Was war so witzig? Er machte mir Angst. Und noch viel schlimmer, ich hatte Angst vor mir selbst. Angst vor meinen Gefühlen, die so gar nicht mit dem, was mein Kopf sagte, übereinstimmten. Wie schaffte dieser Typ das nur? Ist das eine Masche? Das hat er bestimmt schon oft mit seinen Opfern trainiert. Was auch sonst. Trotzdem bekam er mich immer wieder, ich musste mich so stark zusammenreißen, jedes mal wenn er so mit mir redete. Ich konnte das einfach nicht tun. Was wäre ich für ein Mensch? Ein Mensch mit Gefühlen, beantwortete ich meine Frage selbst. Ich schlug mir gegen den Kopf, entsetzt von meinen eigenen Gedanken. Abrupt griff jemand meine Hand und hielt sie fest. Ich wollte sie entreißen, doch er war mal wieder zu stark. „Lass das sein, du tust die nur unnötig weh", lachte Kai. „Bitte lass mich, okay.., bleib auf Abstand", murmelte ich. Mittlerweile spürte ich die ersten Alkoholanzeichen. „Was wenn nicht ?", grinste Kai und kam schon wieder so nahe. Man ich hatte doch gesagt, er soll es sein lassen. „Geh weg", ich drückte ihn von mir. „Nicht nett", sagte er gespielt beleidigt. „Ich hab keine Nerven für sowas! Ich will einfach zu meiner Familie, zu Damon und Stefan. Ich will zu meinen Freunden, an die Uni... oh mein Gott! Wie soll ich das alles nachholen?! Ich muss da sofort hin, ich muss mich abmelden, das Studium ist mir wichtig!", verzweifelt biss ich mir auf die Lippe. Kai schien mir meine Verzweiflung anzusehen und zu meinem Überraschen zeigte er Mitleid. „Pass auf, wenn du artig bist, fahren wir morgen zur Uni und du kannst dich vorübergehend abmelden. Keine Spielchen, sonst hat das Konsequenzen", willigte er ein. „Das ist echt lieb von dir. Weiß ich zu schätzen. Ich bin so müde. Am besten geh' ich einfach schlafen, bevor es noch schlimmer wird", verabschiedete ich mich und entzog mich der unangenehmen Atmosphäre. Ich hoffte inständig, dass morgen alles vergessen sei und ich es einfach nur übertrieben hatte. Leider waren das nur Fantasien, denn dafür hätte der Alkohol nicht gereicht. So ein Mist. „Seh's positiv Sarah, Kai der Killer hat Mitleid mit dir, du bist seine Gefangene und trotzdem geht er mit dir zur Uni. Es könnte deutlich schlimmer sein. Sei froh", redete ich mich in den Schlaf.

Purpure Soul- Kai ParkerWhere stories live. Discover now