| Tagträume|

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1850 Mikeschs Hof

Die Kühe scheuten, als ich die Tröge mit Getreide und Anderem füllte. Der mächtige Stier beobachtete mich kritisch, als ich das Seil heraus holte, damit ich ihn auf die Koppel führen konnte. Er war sehr stark, doch ich würde ihm schon Manieren beibringen, sagte ich mir, als ich ihm das Seil um den Hals band und ihn hinter mir her zog. Erst sträubte er sich, doch als er merkte, wie stark ich war, schnaubte er widerwillig und folgte mir durch die Stallgasse nach draußen. Lavente wartete schon auf mich, noch immer ein bisschen geschockt, weil ich mich dazu bereit erklärt habe, dieses Tier auf die Koppel zu bringen.

Wie auch mit dem Vampir herrschte zwischen mir und dem Bullen eine Art Frieden. Keine Freunde und keine Feinde. "Beeindruckend, Zoro lässt sich tatsächlich von dir führen. Er sieht glatt aus wie das Hündchen von Bianca", meinte mein Freund und ich lachte leise. Er kam zu mir und wir beide gingen zum Gatter der Koppel, das Lavente quietschend öffnete. Kaum war der Stier von seinen Fesseln befreit, sprang er freudig über die Wiese und sättigte sich an dem grünen Gras. Ich setzte mich auf den Zaun, der Junge lehnte sich neben mir dagegen. Eine Woche. Seit einer Woche lebte ich hier und es war die schönste Zeit meines Lebens.

"Alles mit dir okay, du bist so still", meinte Lavente und sah zu mir. Ich nickte leicht. "Ich bin nur froh hier zu sein, dass ist alles", ich lächelte und er grinste. "Dann bin ja erleichtert", er sah zu dem Stier und seufzte leicht. "Ich wollte schon immer stark und schnell sein wie ein Stier. Ich glaube, dann würden mich die anderen Jungen nicht hänseln", sagte er plötzlich. "Warum hänseln?", fragte ich interessiert und sah ihn erstaunt an. "Weil ich nicht so viel Geld habe wie sie. Es wäre einfach toll ihnen mal eins auszuwischen", schwärmte er und ich lächelte gespielt. Diese Stärke hatte einen hohen Preis, einen, den ich nie bezahlen wollte. Als ich so darüber nachdachte, was es hieß, der Schwächere zu sein, kam mir das Bild von diesem Jungen wieder in den Sinn. "Michael", murmelte ich auf einmal leise. Das war sein Name, Michael. Und er war mein Bruder, mein kleiner süßer Bruder. Ich stützte meinen Kopf auf meine Hände. "Michael, wer ist das Viorica", fragte er verwundert und ich schreckte hoch. "Niemand", verneinte ich schnell und schüttelte den Kopf, man sah, dass er mich nicht glaubte. Schnell sprang ich vom Zaun und ging zurück zum Stall, wo ich an meinen Bruder denkend Zoros Box säuberte. Verzweifelt versuchte ich mich dabei, an mehr zu erinnern.

"Hey, Viorica", eine Hand legte sich auf meine Schulter. "Bitte, ich möchte alleine sein Lavente", sagte sich nur und ging mit der Mistgabel etwas zu hart auf den Stein, so das sich die Spitzen verbogen.  Er seufzte, nahm sich die Gabel und drehte mich zu ihm. "Du hast irgendein Geheimnis, doch ich werde dich nicht weiter darüber ausfragen", er legte seine Hand auf meine Wange.

Ich lächelte dankbar und nickte leicht. "Was hast du mit der Mistgabel gemacht, Gott die ist vollkommen verbogen", er lachte plötzlich und sah auf die Spitzen der Gabel. Ich wurde rot und sah schnell weg. "Wenn du fertig bist können wir zum See gehen, der ist wirklich schön", sagte Levente und ich nickte wieder: "Klingt gut, mir ist so oder so etwas heiß" Ich beendete meine Arbeit, während Levente die Sachen holte.  

Mit etwas Stroh in den Haaren gingen wir den Weg hinunter zum See, er war wirklich groß und wurde von einem winzigen Wasserfall gespeist, ich lächelte und legte meine Tasche auf dem Boden ab. "Na komm, ich will rein", kichert mein Begleiter, während ich mir die Schuhe auszog. Das hohe Gras strich über meine Fußgelenke, Hals ich bis zur Böschung am Ufer ging und meine Hand in das kühle Nass hielt. Jemand schubste mich von hinten und es kam so überraschend das ich vorn über in den See fiel. Als ich auftauchte, sprang gerade Lavente ohne Shirt und Schuhe in das Wasser sprang. Ich prustete etwas Wasser aus und hob den Kopf. Mein Gegenüber grinste frech und tauchte unter, nur um mich unter Wasser zu ziehen, ich keuchte  leicht, doch ich gewann diesen kleinen Kampf und tauchte wieder auf, das tropfnasse Haar hing mir im Gesicht, als wir im See uns gegenseitig nass spritzten und das schöne Wetter genossen.

Full Moon - Biss zum VollmondWhere stories live. Discover now