|Fremdes Heulen|

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Wald zwischen Dacia und Ungarn

Ich schnupperte am Boden vor der Höhle, in der abstrusen Haltung, die ein Mensch annimmt, wenn er sie nach vorne beugt und auf den Knien hockte, die Arme etwas auf den Boden abgestützt. Es roch nach Eichhörnchen und Mäusen, leise seufzte ich und erhob mich. Es war ein warmer morgen und die winzigen Fußspuren am Eingang der Höhle deuteten in Kombination mit dem Geruch darauf hin, das sich die Tiere gerne in mein "Haus" einnisteten über Nacht. Ich suchte das Heu ab und fand zwei Mäuse, die ich nach draußen setzte. Es war nun einige Zeit her, seid ich Lavente verlassen hatte. Mein Vergehen war schon bekannt geworden. Alle dachten, ich sei ein Dämon, der es auf schöne Mädchen abgesehen hatte. Doch man gab die Jagd nach mir bald auf, ich war zu schnell und roch sie von weitem. Auch machte es mir manchmal Spaß, sie auf falsche Fährten zu locken.

Doch was kein Spaß machte, war mit anzusehen, wie Lavente dahin trauerte. Er sollte doch normal weiter leben und jetzt war er einfach depressiv. Ich wusste, dass ich ihn nie wieder sehen durfte, es schmerzte so sehr. Auch Mikesch und Abigail schienen mich zu vermissen. Jeden Tag stellten sie eine Kanne mit Milch vor die Stalltür und hofften, ich würde sie stehlen, so dass sie wussten, dass ich noch da war. Ich hatte nie eine Kanne angerührt, auch heute entschied ich mich, ihnen nicht noch mehr Schwierigkeiten zu machen. Ich leckte mir über die Lippen und zupfte Heu aus meinen Haaren, ehe ich Richtung See ging. Mein etwas geschwächte Geruchsinn sagte mir, dass ich dort niemanden antreffen würde.

Der Wind kam von Süden und wiegte das Gras hin und her. Ich wollte gerade was trinken, als mir ein Stück Papier in einem Busch auffiel. Ich nahm es und überflog einen Steckbrief, erst dachte ich, es wäre eine Beschreibung von mir, doch dann merkte ich, dass nicht ich als Dämonenmädchen gemeint war, gegen den gehetzt wurde: Unbekanntes Wesen terrorisiert Dörfer.
Riesige Tierspuren und gerissene Menschen werden immer häufiger aufgefunden. Ein Monster mit Fell und leuchtenden Augen, langen Zähnen und Krallen streicht laut Zeugen immer wieder in der Nacht bei Vollmond durch die Städte. Bitte helft alle mit, unsere Stadt zu retten und schließt euch der Jagd nach dem Monster an.

Ich saß wie vom Donner gerührt da. Hatte ich einen Rückfall? Streifte ich jede Vollmondnacht durch die Dörfer und tötete wieder? Ich sah auf meine Hände und schluckte. Ich hatte keinen anderen Wolf hier je gerochen, so war diese Option nicht unwahrscheinlich. Ängstlich steckte ich den Zettel ein und versuchte mich genau an meine letzten Zwangsverwandlungen zu erinnern. Ich konnte es nicht. Es fiel mir nicht ein. Ich bekam Panik. Das war nicht gut, ich durfte nicht wieder meinen Instinkten nachgeben. Ich war ein Mensch.

Nein, bist du nicht. Du bist ein Werwolf, ein Kind das Mondes, geschaffen um zu töten. Was zur Hölle, woher kam diese Stimme in meinem Kopf. Ich wusste nicht ganz, ob sie meine eigene war, sie klang viel kraftvoller, aber auch sanft und weich. Ich wich zurück und zitterte leicht, ich prallte gegen einen Baum. Wurde ich jetzt verrückt? Du bist nicht verrückt, du erkennst nur deinen Lebenssinn. Du bist nicht zum Weglaufen gemacht, du solltest sie töten, sie sollten sich fürchten. Ich schluckte. Die Worte klangen logisch, aber brutal. Sanft aber erschreckend. "Verschwinde aus meinem Kopf", jammerte ich leise.

Es kam keine Antwort, oder vielleicht überhörte ich sie, denn ein Geruch von Weihrauch und Blut stieg in meine Nase. Ich betete, das sie aus Süden kamen, die neuen Vampire, solange der Wind nicht drehte, rochen sie mich nicht. Schnell kletterte ich auf einen Baum, dessen dichtes Laub mich verdeckte und gleichzeitig die Sicht auf die beiden Vampire unter mir nahm. Ich roch sie nur und hörte ihre Stimmen. Mein Herz setzte für ein paar Sekunden aus, doch ich hatte Glück, die vielen Herzschläge von Vögeln, Rehen und anderen Tieren übertönten mein heftiges Pochen.

"Es werden immer mehr Vorfälle, es wird Zeit einzugreifen. Diese Köter haben es nicht verdient unter uns zu weilen, sie kümmern sich nicht um das Gesetz oder die Vorsicht", sagte eine samtene Stimme, die nur der eines Engels würdig war. Ich wusste sofort, wovon die beiden sprachen. Das Monster mit den langen Krallen. Vielleicht sogar ich selbst. Aber konnte das wirklich sein? Ich war vollkommen verwirrt und wusste nicht was ich tun sollte. "Wir müssen abwarten ob es noch weitere Vorfälle gibt, denn ich rieche überhaupt nichts", sagte der andere und sah sich um, meine Finger schlugen noch mehr in die harte Baumrinde. Dir beiden verziehen sich, als plötzlich der mit der Samtstimme den Kopf in meine Richtung drehte, ich schluckte und war wie versteinert.

Full Moon - Biss zum VollmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt