Nicoletta

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Man hätte die Luft in diesem Moment schneiden können. Wir starrten alle drei wie gebannt auf die sich langsam öffnende Tür. Als erstes sah man ein paar rote Haarsträhnen, dann eine sommersprossige Stupsnase und dann Charlie selbst. Natürlich musste ausgerechnet er es sein. Es hätte ja nicht Penny oder Tonks sein können. Sogar Bill wäre mir lieber gewesen. Denn Charlie kannte mich. Naja, er kannte meine Fuchsgestalt. Und so gut wie er sich mit Tieren auskannte würde er mich bestimmt wieder erkennen. Ausser es gab hier irgendjemandem mit einem Fuchs als Haustier oder einen Trank welcher aus Fuchshaaren gebraut wurde. Charlie schob die Tür noch ein bisschen weiter auf. Er schien mich gar nicht zu bemerken und Remus setzte mich schnell hinter dem Tisch neben ihm ab.

»Charlie, wie können wir dir helfen?« fragte er freundlich und bemüht unbeschwert. Während ich da so sass und versuchte still zu bleiben, stieg mir der Geruch nach verbrannten Haaren in die Nase. Ich kannte diesen Duft von Olivia her. Sie hatte mal einen Drachen in ihrer Show gehabt und dieser hatte ihr regelmässig die Haare angesengt. Doch ich konnte mir nicht denken, wieso es hier unten so riechen sollte. Von Neugierde gepackt legte ich mich ganz flach auf den Boden und schob meine Schnauze zwischen zwei Stuhlbeinen hervor, um Charlie betrachten zu können. Seine Haare waren hinten an den Spitzen leicht schwarz und rauchten fröhlich vor sich hin. Daher kam dieser Gestank also.

Charlie war es sichtlich unangenehm, den Professoren zu erklären, was geschehen war, doch er nahm seinem Mut zusammen und begann zu sprechen.

»Tonks, Penny und ich waren im Mädchenklo, also in dem Klo der maulenden Myrte wo sonst sowieso niemand hingeht. Tonks hatte die grandiose Idee für ein neues Spiel mit Feuerbällen...« Lupin schüttelte noch während seiner Erzählung den Kopf und Severus sah so aus als würde er Charlie am liebsten den Hals umdrehen. »...es ging jedoch ziemlich schief und nun steht die halbe Toilette in Brand. Tonks und Penny sind noch drin und versuchen das Feuer zu bändigen, ohne grossen Erfolg.«

Als er geendet hatte, waren seine Wangen leicht rosa vor Scham, was ich irgendwie ganz süss fand. So sah man ihn eher selten. Sonst war er immer der sanfte und gelassene Kerl, welcher sich nicht aus der Ruhe bringen liess. Doch anscheinend war ihm so etwas ebenso unangenehm, wie es wohl jedem anderen gewesen wäre.

»Was habt ihr euch dabei nur gedacht, Weasley?« knurrte Severus, während er bereits seinen Zauberstab von dem Tisch nahm und auf die Tür zuging. Charlie sah betreten auf seine Schuhspitzen und zog es vor, diese Frage lieber nicht zu beantworten.

»Es wäre wohl besser, wenn du gleich mitkommen würdest, Remus. Wer weiss, was für ein Feuer aus dem Zauberstab dieser unfähigen Gestaltwanderin kam« forderte Severus seinen Kollegen auf mitzukommen. Als er jedoch ausfällig wurde gegenüber Tonks, verhärtete sich Remus' Kiefer als würde er sich eine Erwiderung verkneifen müssen.

Dann glitt sein Blick zu mir, und von mir zurück zu Severus und schliesslich zu Charlie. Auch Severus war seinem Blick gefolgt. Ich konnte das 'Verdammt, wieso können diese Gören nicht einfach Zauberschach spielen und uns diese missliche Lage ersparen?' förmlich von seinem Gesichtsausdruck ablesen und es entlockte mir ein amüsiertes Schnaufen. Natürlich hatte Severus es bemerkt und verdrehte die Augen, obwohl ich mit meinen scharfen Fuchsaugen genau sehen konnte, wie seine Mundwinkel zuckten.

»Du kennst dich doch gut mit Tierwesen aus, oder Charlie?« Fragte Remus ihn da unvermittelt, während er sich bereits zu mir hinunter beugte um mich hochzuheben. Was hatte er vor? Wollte er mich einfach in Charlies Obhut geben? Ich zog meine Schnauze wieder unter dem Stuhl hervor und sah Remus so fragend wie es mir eben möglich war an. Er lächelte nur besänftigend und wuschelte mir durch mein Fell.

»Keine Sorge, er wird keinen Verdacht schöpfen« raunte er mir zu, während er mich hochhob. Ich musste ihm wohl oder übel vertrauen.

»Ähm...ja Professor« antwortete der reichlich verwirrte Charlie auf die zusammenhangslose Frage.

»Gut, dann gebe ich dir jetzt die Verantwortung für meinen Haustierfuchs...ähm...Nicoletta « meinte Remus und überreichte mich Charlie, welcher mich sanft entgegennahm. Bei der Übergabe biss ich Remus leicht in den Finger für den absolut bescheuerten Namen, welchen er mir gegeben hatte. Nicoletta? War ihm auf die Schnelle denn wirklich nichts besseres eingefallen?

»Das ist ihre Füchsin, Professor?« fragte Charlie, während eine liebevolle Wärme in seine Augen trat. Ich kuschelte mich an ihn und sein Strahlen verstärkte sich.

»Ja, sie ist recht zutraulich, verbringt die meiste Zeit aber draussen, am besten bringst du sie dort wieder hin« rief Remus ihm im Vorbeigehen noch zu und dann waren er und Severus bereits abgerauscht, um sich so schnell wie möglich um das Missgeschick von Tonks zu kümmern.

Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich nun wieder alleine war mit Charlie. In der Schule. In meiner Fuchsgestalt. Mit einem absolut sinnfreien Namen.

»Nicoletta also« murmelte er, während er sich langsam zur Treppe bewegte, welche hinauf in das Erdgeschoss führte.

»Wie der Professor wohl auf diesen Namen gekommen ist?« sprach er seine Gedanken weiterhin laut aus und klang dabei sehr gelassen. Die Situation schien ihm nicht sehr seltsam vorzukommen. Naja, wir waren in Hogwarts. Hier schockierte keinen so schnell etwas.

»Gefällt dir dieser Name denn?« fragte er plötzlich direkt an mich gewandt und sah mich abwartend an. Er erwartete wirklich, dass ich ihn verstehen und ihm antworten würde. Zumindest durch meine Körpersprache.

Also schüttelte ich mich und knurrte unüberhörbar. Diese Reaktion entlockte Charlie ein Lachen. Ein echtes und helles Lachen welches jedoch einen leisen, rauen Unterton hatte. Es fühlte sich an wie die ersten Sonnenstrahlen des Tages oder wie das Gefühl, wenn man sich nach einem harten Tag ins Bett fallen lässt und sich sofort entspannt.

»Das dachte ich mir bereits« gab er von sich und in seiner Stimme schwang immer noch ein Hauch Lachen mit.

»Wie wäre es denn, wenn ich dich Nicky nenne? Ich denke nämlich, dass wir uns noch häufiger begegnen werden.«

Nicky? Immer noch nicht wirklich gut, aber alles war besser als Nicoletta. Also reckte ich mich ein wenig hoch und leckte ihm mit meiner rauen und warmen Zunge zart über die Wange. Er war wohl genauso überrascht wie meine Fuchsinstinkte, denn diese wollten gerade nichts wie weg von diesem Jungen, doch ich zwang meine Gliedmassen mit eisernem Willen zur Ruhe. Ein einfaches Nicken ist mir nicht als genug erschienen und meine Möglichkeiten waren nunmal eingeschränkt.

Unterdessen hatten wir das Erdgeschoss erreicht und er hielt auf einen der Ausgänge zu. Das Tor, auf welches er zuhielt hatte verschnörkelte Zeichen aus langsam abblätternder Farbe. Das Holz wirkte uralt und majestätisch. Ich musste zugeben, ich hatte Respekt vor diesem, bestimmt mehr als sechs Meter hohen Tor. Es zeugte vom alter dieses Schlosses. Ein Relikt aus längst vergessenen Zeiten.

Je näher wir dem Tor kamen, desto bekannter kam es mir vor. Ich wusste wo es hinführte. Es war das Tor, welches hinaus zum schwarzen See, Hagrids Hütte und dem verbotenen Wald führte.

»Weisst du Nicky, ich habe dich sofort erkannt. An diesem weissen Fleck unter deinem Auge. Kein anderer Fuchs, den ich hier jemals gesehen habe, hat sowas. Also musstest du es sein.«

Ihm war der Fleck aufgefallen? Er war doch kaum grösser als eine von Betty Botts Bohnen. In meiner menschlichen Gestakt hatte ich dort ein Muttermal, welches kaum ersichtlich war in meinem mit einzelnen Sommersprossen gesprenkelten Gesicht. Charlie entging wohl wirklich gar nichts, wenn es um Tiere ging. Irgendwie freute es mich jedoch auch, dass es ihm aufgefallen war. So erkannte er mich nun in meiner Fuchsgestalt und ich hatte sogar ein Alibi, warum ich auf dem Schulgelände herumlief. Also konnte ich problemlos bei ihm sein, wenn er zu den Thestralen ging.

Viel zu schnell hatten wir das grosse Tor erreicht und er setzte mich auf den Boden.

Ich wäre gerne noch etwas länger auf seinen Armen geblieben, hätte seine Wärme gespürt und seiner angenehmen Stimme gelauscht. Doch ich durfte jetzt nicht übermütig werden. Das Kartenhaus aus Lügen war sorgfältig kalkuliert, konnte jedoch beim kleinsten Fehler in sich zusammenstürzen. Und das musste ich unbedingt verhindern, wenn ich nicht wieder als Ausstellungsstück und Attraktion enden wollte.

Also hüpfte ich elegant aus denn Tor, welches er mir freundlicherweise aufgeschoben hatte, sah noch einen Moment mit einer angehobenen Vorderpfote zurück und wandte mich dann ab, um in der Dunkelheit zu verschwinden. Zuletzt hörte ich noch ein sanftes: »Gute Nacht. Und pass auf dich auf« 

Lissa - das Fuchsmädchen (Maledictus Fanfiktion)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt