Irgendwie anders [Domen Prevc]

Wo ist Emi?

Direkt, nachdem Emi verschwunden ist, hätte Stephan sich für seine Worte schlagen können. Wie kommt er nur darauf seine Schwester als Flittchen zu bezeichnen? Es gibt viele Mädchen, zu denen diese Bezeichnung besser passen würde, auch wenn man niemanden so nennen sollte, aber Emi ist gewiss nicht zu der Sorte Mensch zuzuordnen die mit vielen Leuten ins Bett steigt.

Soweit Stephan weiß, hatte sie bis jetzt zwei Beziehungen, welche nicht wirklich lange gehalten haben und sonst hat er nicht unbedingt etwas über ihr Liebesleben mitbekommen. Aber welches Mädchen möchte schon ihrem großen Bruder von Eroberungen berichten?

Bevor sie zur Schanze gefahren sind, hat Stephan an Emilys Zimmertür geklopft und auch nach ihr gerufen, aber sie hat nicht geantwortet. Entweder schläft sie oder sie ignoriert Stephan, was dieser durchaus verstehen kann. Also hat er sie in Ruhe gelassen und würde heute Abend noch einmal versuchen mit ihr zu sprechen.

Die Jungs fragen natürlich, wo Emi ist, bringen allerdings nicht das Gespräch zur Sprache und so winkt Stephan einfach nur ab und sagt sie wolle heute nicht mitkommen. Seine Aussage wurde skeptisch aufgenommen, aber näher fragt keiner nach, sie können sich alle denken das es nicht unbedingt gut lief.

Die Qualifikation lief dann für Stephan mit Platz 3 erstaunlich gut, aber manchmal springt es sich mit Wut im Bauch eben besser. Natürlich hätte das auch ganz schön schief gehen können, aber es ist ja alles noch mal gut gegangen. Jetzt möchte Stephan allerdings so schnell wie möglich zurück ins Hotel und mit seiner Schwester sprechen. Er muss sich entschuldigen.

Die Sonne ist schon vor einiger Zeit untergangen, aber die Sportler brauchen nach dem Springen auch noch ein Abendessen und so trudeln sie alle nach und nach ein. Während die meisten Springer des deutschen Teams schon da waren, kommen die anderen Teams erst nach und nach ein. Stephan vervollständigte sein Team schließlich, als er abgehetzt an den Tisch tritt.

"Hat einer von euch Emi gesehen, sie ist nicht auf ihrem Zimmer?" sagt er etwas außer Atem.
Keiner in der Runde kann ihm eine Antwort geben, aber Karl weist auf die Situation beim Mittagessen hin und gibt damit wohl einen entscheidenden Hinweis.
"Wie lief denn euer Gespräch vorhin? Danach hat sie offensichtlich niemand mehr gesehen, oder?"

Ertappt zuckt Stephan zusammen und zieht schützend die Schultern hoch. Das Gespräch schlug ihm auf den Magen. Er hatte seine Schwester beleidigt, ohne wirklichen Grund. Stephan fühlt sich einfach nur schuldig. Was wenn ihr jetzt etwas passiert ist? Das könnte er sich niemals verzeihen. Dadurch das er nur betreten auf den Boden schaut, ist den anderen schon klar, dass das Gespräch definitiv keinen positiven Verlauf genommen hat.

"Stephan was ist denn vorhin passiert?" tastet sich Constantin vorsichtig an das Thema heran. Ein abfälliges Schnauben entweicht Stephan.
"Ich habe sie beleidigt, das ist passiert. Dann ist sie weggelaufen, verständlicher Weise. Jetzt weiß niemand, wo sie ist!" Er rauft sich verzweifelt die Haare. "Das ist alles meine Schuld, was wenn ihr jetzt was passiert ist?" Unruhig läuft er vor dem Tisch auf und ab und zieht damit einige neugierige Blicke auf sich. Die Slowenen sitzen mittlerweile vollständig an ihrem Tisch und auch sie beäugen die Situation neugierig.

Domen bemerkt das Emi nicht bei ihren Landsleuten sitzt und überlegt kurz. Konnte es sein das sie immer noch nicht aus dem Wald zurückgekommen ist? Wobei, dann wäre sich doch schon lange bei ihm gewesen und ihr Bruder jetzt nicht so aufgebracht. Vielleicht hat sie es auch einfach vergessen und schläft in ihrem Zimmer. Sie sah vorhin ziemlich fertig aus und ist bestimmt erschöpft. Und vielleicht hat er sie auch einfach nur verpasst, schließlich waren sie an der Schanze und da er Emi dort nicht gesehen hat, geht er davon aus das sie hiergeblieben ist.

Gerne würde er wissen, warum sie vorhin geweint hat, aber er könnte sich niemals dazu durchringen sie zu fragen. Er wirft einen weiteren Blick zu dem Tisch der Deutschen und genau in dem Moment dreht sich Stephan zu ihnen um. Stephan fixiert Domen mit einem finsteren Blick, was diesen ein wenig im Stuhl zusammensinken lässt. Peter wirft einen verwirrten Blick auf seinen Bruder. Was hat er dem Deutschen getan?