Kapitel 14

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Der Nachmittag meines ersten Schultages verging zu meinem Bedauern in einer affenartigen Geschwindigkeit. Als um 15:30 Uhr die Klingel das Ende des Schultages verkündete, begann ich langsam und bedächtig meine Schulsachen zu packen. Ähnlich wie ein zutiefst religiöser Mönch beim Gebet, räumte ich beinahe in Trance meine Hefte und Bücher in meinen Rucksack, nicht etwa weil ich Angst hatte vor dem nächsten Programmpunkt, sondern eher um mich emotional darauf vorzubereiten. Ich wollte mir eine Art Strategie zurecht legen und mir überlegen wie ich die ganze Sache angehen sollte. Tendo riss mich aus meinen Gedanken: "Wenn du dann fertig bist, komm einfach vor die Tür, ich bin noch kurz draußen um was mit Semi zu berreden." Ich nickte zur Antwort und war froh zumindest noch ein paar Minuten ohne emotionalen Stress für mich zu haben, in denen ich in mich kehren konnte.

Tendos PoV

Ich trat aus dem Klassenzimmer und hielt Ausschau nach Semi. Der stand in einer Nische neben der Treppe und bedeutete mir, ich solle zu ihm kommen.

"Was ist denn nun? Was ist denn so wichtig, dass du es jetzt gleich noch mit mir bereden musst, kann es nicht bis morgen warten? Ich bin mit Grace verabredet", fragte ich ihn in Richtung des Klassenzimmers lugend. "Und warum müssen wir hier reden? Können wir das nicht vor der Türe klären? Ich komme mir vor als wärst du kurz davor mir ein Staatsgeheimnis zu verraten...", setzte ich nach. Eita zog mich noch weiter aus dem Gang, sodass uns von außen niemand mehr hätte sehen können und fragte mich gerade heraus: "Kannst du mir mal erklären was dein Theater soll?" Ich gab mich unwissend, überkreuzte hinter meinen Kopf die Arme und antwortete mit zur Decke gerichtetem Blick: "Ich hab keine Ahnung wovon du redest, Semisemi." Eita verdrehte die Augen und präzisierte seine Frage: "Ich meine, was genau du eigentlich von Grace willst, oder was genau du intendierst mit deinem merkwürdigen Verhalten zu erreichen. Du nennst sie Prinzessin? Mal ehrlich Tendo, wir wissen beide, dass du so einigen Blödsinn machst und gelegentlich wirklich befremdliche Dinge von dir gibst, aber das passt nicht zu dir. Du sagst ihr wie hübsch sie ist, starrst sie, wenn es die Situation erlaubt, jede freie Minute an und dann behauptest du, sie wäre nicht dein Typ, obwohl du genauso gut wie ich weißt, dass das in keinster Weise stimmt. Ich habe noch nie erlebt, dass du so mit einem Mädchen umgehst, geschweige denn, fähig bist, eine normale Konversation ohne dein übliches Getue zustande zu bringen. Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass du mit ihr ganz anders redest als mit uns? Und im Übrigen: Warst du nicht der, der lautstark darauf plädiert hat, wir sollen sie in Ruhe lassen? Du weißt schon, weil sie Wakatoshis Cousine ist und so...."

Er hatte mich erwischt. Ich kann zwar nicht einmal genau sagen wobei er mich erwischt hat, aber ich fühlte mich ertappt. Mir war klar, dass ich Grace mochte, egal wie sehr ich mich dagegen sträubte und mir immer wieder klarmachte, dass es keinen Sinn hatte sich auch nur m geringsten Hoffnungen zu machen, ich mochte dieses neue, fremde Mädchen, das ich erst seit zwei Tagen kannte. Ihre erfrischend spitzbübische Art, die Weise wie sie sprach und die Tatsache, dass sie immer alles alleine auf die Reihe bekommen wollte, imponierten mir. Sie scheute auch nicht davor zurück zu kontern und der Ausdruck in ihren großen, mandelförmigen braunen Augen war etwas, das mir weder aus dem Kopf ging, noch mich schlafen ließ. Ihr Gesamtpaket machte es unmöglich sie nicht anzustarren, alles an ihr fesselte mich, genaugenommen, machte mich diese Frau mit allem was sie tat wahnsinnig. Wie sie an ihrem Bleistift kaute, wie sie die Schuluniform trug, wie sie ging, wie sie sprach und wie sie einen mit diesem unwiderstehlichen Blick ansah, alles an ihr zog mich an, auf eine Weise, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. Sie machte jeden klaren Gedanken unmöglich, und das nach erst so kurzer Zeit.

Ich hatte wieder zwei Optionen: Entweder ich log, oder ich gab zu was er da gerade so schön subsumiert hatte, und entwaffnete mich in weiterer Folge vor ihm selbst. Die dritte Option, von deren Verfügbarkeit ich bis dato nichts gewusst hatte, wählte ich schließlich unterbewusst als die der Situation angemessenste für mich aus: Schweigen. Eita sah mich prüfendem Blick an, während ich mich kurz vergewisserte, dass wir noch alleine waren. Schließlich brach ich mein Schweigen, setzte ein Grinsen auf und erwiderte so ruhig es mir möglich war: "Ich habe wirklich absolut keine Ahnung was du jetzt von mir hören willst, Eita. Nur weil jemand süß ist, heißt das noch lange nicht, dass ich an ihr interessiert bin, wenn du mich jetzt entschuldigst, eine junge Dame wartet auf mich." Aber er war ganz offensichtlich noch nicht fertig. Er zog mich am Ärmel meines weißen Sakos zurück und erwiderte: "Tendo, gib's doch einfach zu."

"Was soll ich zugeben?", langsam aber sicher fühlte ich mich bedrängt. Außerdem hatte ich Bedenken, sollte Grace aus dem Klassenzimmer kommen und uns hören.

"Das du auf sie stehst. Wir finden sie alle irgendwo attraktiv, aber deine Anziehung zu ihr ist von einem ganz anderen Kaliber. Du kannst sie nicht aus den Augen lassen, und versuchst sie zu provozieren. Du willst sie sogar glauben lassen, du hast nichts übrig für sie, wobei ich nicht weiß, ob du nicht eher dich damit versuchst gedanklich von ihr loszureißen, als ihr eine unterschwellige Abneigung gegen sie zu vermitteln. Du kommst mit absolut jedem oberflächlich gut aus, nur mit ihr wechselst du nie ein Wort außer es ist nötig."

Genervt, sowohl von der Tatsache, dass ich das, was er da gesagt hatte, nicht leugnen konnte, als auch von der bereits vergangenen Zeit die sein Kreuzverhör benötigte, winkte ich ab und entwand mich seinem Griff.

"Du kannst es ja doch nicht leugnen, Satori Tendo", warf er mir nach. Ich winkte ab und schlenderte zurück ins Klassenzimmer, in dem Grace schon auf mich wartete.

Sie saß noch immer auf ihrem Platz und band sich gerade ihre Schleife zurecht, als ich hereinkam. Egal wie oft ich mir noch einzureden versuchte, dass sie weder zu mir passte noch in irgendeiner Weise meinem Typ Mädchen entsprach, im Endeffekt log ich mich nur selbst an. Alles was sie tat, tat sie mit natürlicher Eleganz, absolut alles an ihr war bezaubernd. Zum ersten Mal in meinem Leben ertappte ich mich bei solchen kitschigen Gedanken, ich hatte keine Ahnung wo sie herkamen. Klar hatte ich schon mal ein Mädchen hübsch oder anziehend gefunden, aber ich hatte noch nie zuvor zu intensiv über ein weibliches Wesen nachgedacht, es war als hätte sie wie ein Dämon von mir Besitz ergriffen. Ich konnte mich aus meinen Gedanken reißen und forderte sie mit von meiner Zuneigung bereinigter Miene auf: "Können wir?"

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt