"Die große Liebe" von @milli1234535

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Nichts war zu hörenin dem dunklen Wald. Nichts außer ein paar Schritten und einem Schleifen; dasSchleifen eines Sacks über den Erdboden.

Liebling, dachte derMann liebevoll. Er erinnerte sich noch so gut an sie: Wie sie gelacht hatte, dasLeuchten in ihren Augen. Ihre wunderschöne Stimme. Noch jetzt klang sie inseinen Ohren nach. Mit Wehmut dachte er an seinen wunderschönen, witzigen undcharmanten Liebling zurück.

Und dann, alsnächstes, erinnerte er sich an ihren Freund. Kalte Eifersucht ergriff ihn. Dieser Bastard, er konnte ihr doch nichts bieten! Er biss die Zähne noch jetztvor Wut zusammen, wenn er daran dachte, wie glücklich sie in seiner Nähegewirkt hatte. Wie sie sich in einem Café kennengelernt hatten. Wie sie gemeinsamin einem Restaurant essen gegangen waren. Und wie sie in ihrer Wohnung mit dengroßen Fenstern gemeinsam in einem Bett geschlafen hatten. Sie dachten, dasssie alleine gewesen wären, doch er hatte sie gesehen. Es hatte ihn rasend vorWut gemacht, sie so zu sehen, mit einem anderen Kerl in ihrem Arm, während sie denMann gar nicht beachtete.

Missmutig zog er denSack weiter hinter sich her. Seine schweren Schuhe lösten sich mit jedemSchritt schmatzend von der feuchten Erde.

Dann, heute Abend,da hatte er seinen Liebling in der Bar gesehen. Sie saß einsam und alleine ander Theke und hatte sich ein Bier bestellt. Mehrere Stunden hatte sie auf ihrHandy geschaut, hatte geseufzt und weiter gewartet. Und er hatte alles gesehen.Fünf Bier und zwei Tequila hatte sie sich bestellt, bevor sie wieder einmal aufihr Handy geschaut hatte. Dieses Mal hatte sie gestrahlt vor Glück. Der Mann dachte,dass sie ihn endlich gesehen hätte. Er war aufgestanden, wollte sie in ihreArme schließen, seinen Liebling. Er wollte ihr endlich sagen, wie viel sie ihmbedeutete, wie wichtig sie in seinem Leben war. Er war noch knapp zwei Metervon ihr entfernt gewesen, als er wieder aufgetaucht war. Er, der zu ihrging und sich für seine Verspätung entschuldigte. Na los, werde sauer, dachteder Mann noch, er hat dich warten lassen. Doch sein Liebling hatte noch nie aufihn gehört. Sie hatte ihren Freund nur angelächelt und ihn geküsst. Hatte ihmversichert, dass das überhaupt nicht schlimm sei. Der Mann war wie vom Donnergerührt stehen geblieben. Er konnte es nicht glauben: Im einen Moment war ernoch so kurz davor gewesen, sich mit ihr eine gemeinsame Zukunft aufzubauen,und dann im nächsten Moment, puff, war alles wie weggeblasen.

„VerdammteSchlampe", knurrte er mit vor Wut zusammengebissenen Zähnen und riss mit einemRuck an dem Sack, der sich gerade in einem Ast am Boden verheddert hatte. „Wirhatten noch so viel vor. Wir wollten Kinder haben, einen Hund, und was machstdu? Du küsst diesen Bastard!"

Selbstverständlichwar der Mann zu seinem gottverdammten Liebling gefahren. Hatte all seinen Mutzusammengenommen und ihr voller Hoffnung seine Liebe gestanden. Und was machtesie? Anstatt ihm in die Arme zu fallen und zuzugeben, dass sie dasselbe fühlte,war sie wütend geworden.

„Verschwinde hier,du Stalker. Lass mich in Ruhe!"

Das waren dieeinzigen Worte gewesen, die sie an ihn gerichtet hatte, kurz bevor sie ihm dieTür vor der Nase zugeschlagen hatte.

Das konnte dochnicht wahr sein! Sie verleugnete ihn! Er hatte an die Tür gehämmert, ihrzugerufen, dass er sie doch liebe und dass er ganz genau wisse, dass sie dasgleiche für ihn fühlte. Laut waren sein Hämmern und seine Rufe im Treppenhauswiedergehallt. Er rief und klopfte eine ganze Weile, doch die Tür öffnete sichnicht mehr und auch seinen Liebling hörte er nicht mehr.

Wutentbrannt war ernach Hause gefahren. Wie konnte das nur sein? Wie konnte sie ihn nur soverleugnen, wenn er doch ganz genau wusste, dass sie ihn auch liebte? Wiesohatte sie dann gesagt, dass er sie in Ruhe lassen sollte? Und dann fiel es ihmwie Schuppen von den Augen: Es war ihr Freund. Ihr Freund hatte sie so einerGehirnwäsche unterzogen, dass sie nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Unddann hatte er gewusst, was er zu tun hatte.

Er war nach Hause gefahren undhatte die Axt aus seinem Geräteschuppen geholt. Er hatte sie liebevollangeblickt bei dem Gedanken daran, dass sie bald dafür sorgen würde, dass seinLiebling ihm niemals mehr widersprechen konnte.

Später erinnerte er sich garnicht mehr an die Autofahrt bis zur Wohnung seines Lieblings. Er erinnerte sichnur noch daran, wie sie ihm arglos die Tür aufgemacht hatte. Die Angst in ihrenAugen, als sie die Axt in seiner Hand erblickt hatte. Sie hatte versucht, dieTür zuzuschlagen, doch er war schneller. Er stieß die Tür auf und sie fiel rücklingsauf den Boden. Sie versuchte noch wegzurobben, kurz bevor der Mann die Türhinter sich schloss und wenig später zum ersten Schlag ausholte. Gott, wie sehrer es liebte, dass ihre vor Angst weit aufgerissenen Augen nur ihn anstarrten,ihn und nur ihn allein! Endlich schenkte sie ihm die Aufmerksamkeit, die erverdiente!

Sie rappelte sich auf und liefrückwärts in die stille Wohnung hinein.

„Bitte...", flüsterte sie mitzitternder Stimme, als sie an die Wand hinter sich stieß. „Bitte, ich willnicht sterben!"

Der Mann hatte sie sanftangegrinst. „Keine Sorge", hatte er mit sanfter Stimme geantwortet, „es wirdnicht wehtun." Und mit einem einzigen Hieb hatte er den Kopf von ihrem Halsabgetrennt. Und ihr sonst so wunderschöner Kopf war mit weit aufgerissenenAugen durch das Wohnzimmer mit den großen Fenstern gerollt.

„Endlich gehörst du mir",lachte der Mann, während er wieder und wieder mit der Axt auf den Körper seinesLieblings einschlug und so eine Gliedmaße nach der anderen abtrennte.

Der Mann musste bei dieserErinnerung grinsen.

„Tja, das hast du nun davon,dass du nicht zu deiner Liebe stehen wolltest", flüsterte der Mann dem Sack zu.„Nun sind wir für immer vereint und niemand wird uns finden", grinste er undblickte auf die Schaufel in seiner anderen Hand.

GedankennebelWhere stories live. Discover now