Kapitel 14

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Was würden Sie tun, wenn ich das CBI verraten würde? War das die richtige Frage? Ich denke, nicht

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Was würden Sie tun, wenn ich das CBI verraten würde? War das die richtige Frage? Ich denke, nicht. Viel eher sollte ich die Frage stellen, warum ich es tun würde. Nicht ob, nicht wann, nicht wie. Warum?
Sagen Sie es mir.
Warum sollte ich das CBI verraten?
War es aus Loyalität? Aus Loyalität zu Ihnen?
Ich habe mir schon oft die Frage gestellt, warum die Leute Ihnen folgen. Was war an Ihnen, dass sie Ihnen vertrauten, dass sie über Ihre Bluttaten hinwegsahen und für Sie ihr Leben opferten? Auch hier wäre die bessere Frage, ob Sie wirklich so ein schlechter Mensch sind, wie alle sagen. Handeln Sie eigentlich aus guten Gründen, die für andere moralisch verwerflich wirken, nur weil sie nicht sehen, dass das System ihre Augen verblendet?
Sagen Sie es mir, John – ich nenne Sie John, verzeihen Sie, sollte es unhöflich sein. Doch ich denke, dass Sie mich auch Kaitlyn nennen. Viele Menschen wie Sie sprechen Menschen wie mich mit dem Vornamen an, womit ich nicht sagen will, dass Sie nicht anders sind als andere Mörder. Sollte auch dieses Wort Sie aufregen – Sie sind ein Mörder, das ist nur eine Tatsache.
Ich will Sie in keinster Weise beleidigen oder kränken. Ich will nur verstehen. Verstehen, warum Sie manche Dinge tun. Und wahrscheinlich wollen Sie auch verstehen, warum ich das CBI verraten habe.
Ich denke, hierfür reichen die Zeilen nicht. Am besten wir klären es woanders, irgendwo, wo niemand es hören oder sehen kann.
Ich würde mich freuen, Ihre Bekanntschaft zu machen, John.
Kaitlyn

8 hours ago
CBI HQ, Sacramento, CA

Das Klingeln der Telefone, das Rascheln von Papier, wirres Durcheinander von Stimmen – es war ein gewöhnlicher Arbeitstag beim CBI, und dennoch konnte ich mich nicht konzentrieren. Immer wieder wanderten meine Gedanken zu Janes Worten, die er mit vor einiger Zeit in der Bar gesagt hatte – dass Red John noch nicht fertig war und er nur Spielchen mit mir spielte.
Ich hob den Kopf von meinem Papierkram und sah herüber zu Rigsby, Van Pelt und Cho. Seitdem Cho und Jane es mir erzählt hatten, hatte auch ich mitgekriegt, dass Rigsby und Grace, die ich jetzt beim Vornamen nennen durfte, so wie sie auch mich, ein Paar waren – auch wenn es zwischenzeitlich etwas gekriselt hatte.
Die drei Agenten arbeiteten konzentriert an ihren Schreibtischen und ließen sich von nichts ablenken. Dann sah ich durch die Trennwand herüber zu Jane, der sich in der Küche einen Tee kochte und in Gedanken versunken seine Teebeutel in die Tasse tunkte.
Als ich mir sicher war, dass alle abgelenkt waren, stand ich auf und ging zu Lisbons Büro, in der die Frau konzentriert die Berichte der anderen kontrollierte. Ich klopfte gegen die Tür und trat schließlich rein. Fragend sah sie mich an, als sie den Kopf gehoben hatte, und einen Moment stand ich etwas unsicher vor ihr, ehe ich zu sprechen begann:
»Ich wollte Sie darum bitten, dass Sie Jane überreden, mir die Akten zum 'Red John'-Fall zurückgeben.«
»Ich kann es versuchen«, setzte Lisbon an, die den Berichthefter zuschlug, »aber Sie wissen doch, wie Jane ist.«
Unaufgefordert setzte ich mich auf den Stuhl ihr gegenüber. »Sie sind sein Boss. Wenn Sie ein Machtwort mit ihm sprechen, wird er Ihnen nicht widersprechen können.«
Lisbon öffnete den Mund und wollte gerade etwas erwidern, als ohne ein Klopfen die Tür geöffnet wurde.
»Lisbon«, sagte Jane, der den Kopf in den Raum steckte.
»Jane, gut, dass Sie hier sind. Wir haben gerade über Sie gesprochen.« Lisbon bedeutete Jane mit einer Handbewegung, näherzutreten.
Fragend sah der Mann erst zu mir und dann zu Lisbon.
»Agent Moore bittet Sie darum, ihr die Akten zu Red John zurückzugeben«, erklärte diese. »Sie will Ihnen bei dem Fall helfen.«
»Ich halte das für keine gute Idee«, sagte Jane sofort.
»Ach«, Lisbon hob eine Augenbraue, »und wieso nicht?«
»Weil Kaitlyn höchstwahrscheinlich sein nächstes Opfer sein wird, sollte Sie weiter an dem Fall arbeiten. Sie erinnern sich doch noch, was Rebecca Anderson gesagt hatte. Red John hat Kaitlyn nur am Leben gelassen, weil er es angeordnet hat, was bedeutet, dass er etwas mit ihr vorhat. Das Risiko wäre zu groß -«
»Agent Lisbon«, unterbrach ich Jane augenblicklich, während ich meinen Blick von ihm löste und wieder zu Lisbon sah, »ich verstehe Janes Sorge, allerdings ist er nicht dafür verantwortlich, sich um mein Leben zu kümmern. Was Red John vorhat oder nicht, können wir nicht mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit sagen, weswegen ich Sie darum bitte, mich wieder am Fall arbeiten zu lassen.«
»Tut mir leid«, sagte Lisbon sofort und bedauernd deutete sie auf mich und auf den Mann hinter mir, »aber Jane hat recht. Sie stehen höchstwahrscheinlich auf seiner Liste, was bedeutet, dass Sie sein nächstes Opfer sein könnten. Jane hat sich nicht um Ihr Leben zu kümmern, aber ich, und ich kann nicht verantworten, Sie an dem Fall arbeiten zu lassen, wissentlich, dass Sie sterben könnten.«
Ich musste meine Verbitterung herunterschlucken, um nicht ausfallend zu werden, und mit einem Nicken erhob ich mich. »Ich verstehe ... Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.« Ich warf Jane einen finsteren Blick zu, ehe ich mich abwandte und das Büro verließ.
Wenn Lisbon mir nicht die Akten gab, musste ich mir anderweitig die Informationen beschaffen. Ich wusste, dass Lisbon Verdacht schöpfen würde, würde ich wieder verschwinden und außerhalb des CBIs nach einem Plan suchen, weswegen ich zunächst ruhig und auffällig an meinem Schreibtisch weiterarbeitete. Als es Abend wurde und die Schicht endete, gingen die ersten. Grace, Rigsby und Cho verabschiedeten sich von mir, ehe sie gingen. Im Flur trafen sie auf Lisbon, von sie sich ebenfalls verabschiedeten. Ich hatte heute Nachtdienst, weswegen ich die ganze Nacht hierbleiben würde.
»Ich werde dann auch mal nach Hause fahren«, sagte Lisbon, die ihren Kopf ins Büro steckte. »Gute Nacht!«
»Gute Nacht, Lisbon!«, sagte Jane, der zum Abschied winkte.
»Gute Nacht, Boss«, verabschiedete auch ich sie. Sie lächelte milde, dann verschwand sie. Das Licht im Flur wurde ausgeschaltet, so dass nur noch die Lampen im Büro angeschaltet waren.
»Wollen Sie einen Tee?«, fragte Jane mich freundlich. Wieso tat er immer so scheinheilig? Er wusste ganz genau, dass ich wegen der Sache mit Red John immer noch sauer auf ihn war.
Dennoch zwang ich mir ein Lächeln auf. »Gerne«, sagte ich und das Lächeln erwidernd erhob Jane sich und ging herüber in die Küche, wo er das Licht anschaltete und einen Tee kochte.
Als ich mir sicher war, dass er mir den Rücken zugedreht hatte, ging ich zu seinem Sofa und fuhr mit der flachen Hand zwischen die Polster, um nachzusehen, ob er dort etwas versteckt hatte. Dann durchsuchte ich den Stapel an Zeitschriften, die auf dem Beistelltisch neben dem Sofa standen. Doch nichts. Nirgendwo fand ich etwas. Schließlich ließ ich mich an der Stelle nieder, wo auch Jane immer saß. Wenn ich mich in ihn hineinversetzte, hatte ich vielleicht eine Eingebung – so wie Jane immer eine hatte. Ich legte meine Hände neben mich auf das Leder und drückte darauf. Ich rutschte mit meinem Gesäß hin und her, um herauszufinden, ob etwas unter dem Polster lag. Doch wieder nichts.
»Kann ich Ihnen helfen?«, erklang auf einmal Janes verwunderte Stimme, der mit zwei Teetassen in den Händen in der Tür erschien.
Erst zögerte ich und ertappt sah ich ihn, doch dann hörte ich, wie eine Waffe entsichert wurde. »Ja, durchaus«, sagte ich und hob meine Pistole mit Nachdruck. »Stellen Sie die Tassen da auf den Tisch, Jane. Eine falsche Bewegung und ich drücke ab!«
Jane wirkte nicht sonderlich erschrocken, doch wusste ich, dass ich ihn überrumpelt hatte. Langsam stellte er die Tassen auf Grace' Tisch ab, dann wandte er sich mir mit erhobenen Händen zu.
»Sagen Sie nicht, dass Sie das wegen der 'Red John'-Akten machen«, bat er.
Ich erhob mich und lief mit erhobener Waffe auf ihn zu. »Ich weiß, dass sie hier sind, Jane. Geben Sie sie mir!«
»Sie wissen, warum ich das nicht kann«, sagte der Mann mit leiser Stimme.
»Tja, ich fürchte«, mittlerweile hatte ich ihn erreicht, »Ihnen bleibt keine andere Wahl.« Der Lauf schwebte nur wenige Zentimeter von seiner Brust entfernt in der Luft. Ich erkannte die Panik in seinen Augen, als er einen Blick auf die Waffe warf.
»Bitte legen Sie das weg«, flehte er.
»Sie mögen keine Waffen, hab ich recht?« Provokant kam ich näher und sofort wich er einen Schritt zurück. »Ich habe gesagt, Sie sollen sich nicht bewegen!« Grob packte ich seinen Arm und drehte ihn ihm auf den Rücken, so dass er gezwungen war, sich umzudrehen. Ich stieß ihn gegen den Rahmen der Tür und leise stöhnte er auf. Nun stand ich direkt hinter ihm und hastig tastete ich ihn nach einer Waffe oder einem Messer ab. Er besaß keine. Das hätte ich mir denken können – Patrick Jane würde niemals ein tödliches Werkzeug mit sich führen.
»Wenn Sie mich anfassen wollten, hätten Sie das sagen können«, sagte Jane und versuchte dabei, witzig und keck zu klingen, »ich hätte Sie auch ohne Waffe an mich herangelassen.«
»Ach, ja?«, zischte ich abfällig und drückte den Lauf der Pistole in seinen Nacken. Sofort sog er scharf die Luft ein.
»Hören Sie bitte auf damit! Wir können das auch anders regeln.«
»Ja, wenn Sie mir die Akten zeigen.«
»Ich bringe Sie hin – wenn Sie die Waffe runternehmen!«
Grob packte ich ihn und drückte ihn von der Tür weg. »Ich gebe hier die Anweisungen!«, knurrte ich. »Zeigen Sie mir die Akten!«
Jane lief voran, ich hinter ihm. Auch wenn er größer war als ich, hatte ich ihn unter Kontrolle. Er hatte viel zu Angst vor der Waffe und war in keinster Weise kampferprobt, so dass er nicht wusste, wie er mich hätte entwaffnen können – gut für mich.
Er führte mich zum Dachboden, wo eine Art verstecktes Arbeitszimmer war, in welchem in der Ecke ein provisorisch gebautes Bett stand.
»Schlafen Sie?«, fragte ich mit erhobener Augenbraue.
»Manchmal, ja ...«, gestand Jane.
Dieser Fakt überraschte mich etwas, doch da fiel mein Blick auf die Akten, die in drei Kartons verstaut waren. Ich schubste Jane in die Richtung und bedeutete ihm mit der Pistole, dass er einen der Kartons nehmen sollte.
»Sie müssen mir beim Tragen helfen«, wies ich an.
»Wieso? Was haben Sie vor?«
»Patrick, Sie fangen an, mich zu nerven!«, sagte ich mit grimmiger Miene und zielte mit der Waffe auf ihn. Sofort wandte sich der Mann um und hob ohne einen weiteren Kommentar zwei der Kartons hoch. Ich nahm die dritten und zusammen liefen wir herunter zum Parkplatz, wo wir die die Akten in den Kofferraum luden. Danach befahl ich Jane, sich auf meinen Beifahrersitz zu setzen, wo ich ihm meine Handschellen um die Handgelenke legte.
»Eine falsche Bewegung und ich schieße!«, drohte ich ihm, ehe ich mich auf den Fahrersitz setzte und losfuhr. Unbekümmert winkte ich dem Wachmann, der heute Nacht am Eingang des CBIs Dienst hatte, dann bog ich auf die Straße.
»Wo wollen Sie hin?«, wollte Jane wissen.
Ich antwortete nicht.
Wir fuhren eine Weile, bis wir den Zielort erreichten. Es war ein alter Treffpunkt unter einer Brücke, wo sich ab und an Prostituierte oder Leute zum Saufen trafen. Doch heute war niemand hier; es war noch zu früh für ein Treffen. Ich zog Jane zu einen der metallischen Tonnen, die außen und innen bereits von Ruß und Rost bedeckt waren.
»Bleiben Sie hier!«, wies ich an, ehe ich eine Kiste nach der anderen aus meinem Auto zu der Tonne trug. Nach und nach schmiss ich die Akten hinein. Danach kippte ich etwas Benzin darüber und zog eine Streichholzschachtel aus meiner Hosentasche.
»Was haben Sie vor?«, rief Jane, obwohl er unlängst wusste, was ich vorhatte. »Sie können Sie nicht einfach verbrennen, Kaitlyn, sonst werden wir niemals -«
Er kam nicht weiter, denn da entzündete ich eines der Streichhölzer und warf es hinein. Jane war noch losgerannt, doch hatte er es nicht mehr aufhalten können. Das Feuer fauchte, als es entflammte und die Flammen schossen einen Moment gefährlich in die Höhe.
»Nein!«, schrie Jane laut und verzweifelt. Gleichgültig wandte ich mich ab und packte Jane am Arm, um ihn von der brennenden Tonne wegzuführen. »Wieso haben Sie das gemacht?«
»Um alledem ein Ende zu setzen«, gab ich zurück. »Red John wird sein Werk fortsetzen, ohne dass Sie ihn weiter dabei stören.«
Abrupt wandte Jane sich mir zu. Das Feuer tanzte in seinen Augen. »Er hat Sie bereits kontaktiert, oder? Sie haben mit ihm gesprochen und Sie haben sich ihm angeschlossen.«
Meine Lippen wurden zu einem schmalen Strich. »Ich werde mich nicht vor Ihnen rechtfertigen.« Grob drückte ich ihn zurück auf den Beifahrersitz, dann fuhr ich uns zu meinem Apartment. Ich zerrte Jane hinein und drückte ihn unsanft auf mein Bett. Ich selbst setzte mich an meinen Laptop und schrieb eine Nachricht, die ich auf einen der Fan-Seiten über Red in einen der Dark-Foren John hochlud.
Was würdest du tun, wenn ich das CBI verraten würde? War das die richtige Frage? Ich denke, nicht. Viel eher sollte ich die Frage stellen, warum ich es tun würde. Nicht ob, nicht wann, nicht wie. Warum? ...
»Wieso tun Sie das?«, fragte Jane erneut. »Was hat Red John Ihnen versprochen?«
»Er hat mir noch gar nichts versprochen«, gab ich zurück, »ich versuche, Kontakt zu ihm aufzunehmen.«
Fassungslos lachte Jane auf und ich wandte mich ihm zu.
»Was?«, fragte ich ihn mit einem scharfen Unterton.
»Red John würde niemals Kontakt mit Ihnen aufnehmen. Sie sind eine Agentin.«
»Und Sie ein Berater – und dennoch nimmt er Sie in Schutz und tut Ihnen Gefallen.«
Augenblicklich wurde Janes Miene finster. »Red John tut mir keine Gefallen.«
»Er hat Ihnen den Fall zurückgegeben. Das wollten Sie doch, oder?« Eindringlich sah ich ihn an.
»Was erhoffen Sie sich von Red John?«, verlangte Jane zu wissen.
Ich wandte ihm wieder meinen Rücken zu. »Das verstehen Sie nicht.«
»Nein, das tue ich wirklich nicht. Ich verstehe Ihre Beweggründe nicht. Warum sollten Sie sich Red John anschließen? Sie würden sich niemals einem Mörder anschließen, nicht, nachdem Ihre Eltern ermordet worden waren. Was wollen Sie von ihm?«
Einen Moment schwieg ich. Ich wusste nicht ganz, was ich antworten sollte. Dann wollte ich mich Jane zuwenden und etwas erwidern, als ich auf einmal Ketten um meinen Hals spürte. Jane hatte die Handschellen von hinten um mich gelegt und versuchte nun, meine Luft abzudrücken. Sofort schlug ich um. Ich konnte Janes Arm packen und angestrengt versuchte ich diesen wegzudrücken, doch ging mir allmählich die Luft aus. Mir wurde schwindlig und meine Sicht verschwamm.
»Es tut mir leid, Kaitlyn«, hörte ich Jane noch sagen, bevor er mir den Schlüsselbund für die Handschellen an meinem Gürtel abzog und aus meinem Apartment rannte. Hustend und taumelnd erhob ich mich. Meine Sicht war verschwommen, so dass ich kaum etwas erkennen konnte.
Ich schaffte es irgendwie bis zu meiner Tür, die noch offen stand. Schwankend lief ich zum Geländer, der mich davon abhielt, herunterzufallen. Ich konnte unscharf erkennen, wie Jane in meinen Wagen stieg und kurz darauf wegfuhr. Ich wollte hinterherrennen, doch drehte sich auf einmal alles um mich herum und bevor ich reagieren konnte, stürzte ich zu Boden und verlor das Bewusstsein.

IN MY MIND || The Mentalist [Band 2]Where stories live. Discover now