90. Boris: Tod

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Es war alles so schnell gegangen. Nachdem Briana Michael den Dolch in die Brust gejagt hatte, hatte dieser gewirkt, als habe man einen Schalter bei ihm umgelegt. Er packte sie an den Haaren und stach ihr die Waffe mehrmals in den Bauch, warf sie dann zur Seite, als sei sie ein wertloses Stück Müll. Austin war mit einem Schrei auf Michael losgegangen, doch dieser hatte kurzen Prozess gemacht und ihm in einer flüssigen Bewegung das Genick gebrochen. Auch Jay hatte daraufhin versucht, Michael anzugreifen, doch dieser hatte auch ihn schnell ausgeschalten. In dieser kurzen Zeit hatte Michaels Erscheinungsbild sich vollkommen verändert, sodass er nun vollkommen schwarze Augen hatte und schwarze Adern auf der Haut, während er von einem dunklen Nebel umgeben zu sein schien. Alles war genauso passiert wie in meinen Visionen und das, obwohl ich Briana zu Michael geschickt hatte, da ich davon ausgegangen war, sie war die einzige, die nahe genug an ihn herankommen würde, um ihn umzubringen, doch dadurch hatte ich sie direkt in den Tod geführt, genau wie Austin.

Die Engel waren auf uns losgegangen und trennten uns langsam aber sicher. Es ging keinem von uns mehr wirklich ums Überleben, wir wussten, wir mussten Chad schützen, da er gerade der einzige war, der durch die Waffe, die er trug, etwas verändern konnte.

„Wir werden das nicht mehr lange durchhalten!", brüllte Eric das offensichtliche. „Wir brauchen Verstärkung!"

Das einzige, was in unseren Kämpfen passierte, war, dass wir uns verprügeln ließen, um ehrlich zu sein. Nur Chad konnte etwas ausrichten durch seine Waffe, unsere Schläge, Tritte oder Schnitte blieben wirkungslos.

Während wir auf Austin gewartet hatten, hatte Dale jeden Jäger informiert, den er kannte, doch keiner von ihnen hatte ihn wirklich ernst genommen. Oder sie wollten diesen Kampf einfach nicht führen, verständlicherweise. Lange würde das so mit Sicherheit auch nicht mehr weitergehen, die Engel waren einfach zu stark und zu viele.

Als ich bereits glaubte, wir würden nun untergehen, sah ich Silas, der in ungewohnter Geschwindigkeit zu uns kam. Durch ein einziges: „Ruhe!", brachte er die Engel dazu, aufzuhören und vor ihm zu salutieren. Im ersten Moment war ich natürlich erleichtert, doch, als die die grauen Stellen an seinem Körper sah, die aussahen, als verwandle er sich zu Stein, wusste ich, auch diese Vision würde ich bestätigen.

„Silas!" Dale wirkte erleichtert, wollte auf ihn zugehen, doch ich hielt ihn zurück.

„Das ist nicht Silas", zischte ich dabei und warf Chad einen bedeutungsvollen Blick zu, der ihm klarmachen sollte, dass er auf ihn losgehen sollte, solange er noch konnte. Klar war das der Körper meines Cousins und vermutlich war er auch noch irgendwo da drin, doch in erster Linie war er gerade einfach nur ein psychotischer Engel, der die Macht hatte, uns alle zu vernichten.

Chad schien meinen Blick richtig zu deuten, doch er wusste, dass er jetzt nicht einfach auf ihn losstürmen konnte.

„Das ist schade", meinte Silas bedauernd mit Blick auf Austin, Briana und Jay und sah dann zu Michael. Dabei erkannte ich Schadenfreude in seinen Augen und musste mich beherrschen, ihm nicht direkt vor die Füße zu kotzen. Er war einfach abartig.

„Seien wir mal ehrlich" Er begann uns zu umrunden und schlenderte dabei lässig vor sich hin. „Wir wissen alle, dass ihr verlieren werdet. Also am besten ihr gebt einfach auf und vielleicht verschone ich ein paar von euch." Als Silas bei Chad ankam, blieb er vor ihm stehen und entriss ihm die Klinge. „Das ist meins. Danke", zischte er dabei gespielt freundlich und ging einfach weiter. Chad warf mir einen fragenden Blick zu und ich atmete tief durch.

„Was genau willst du eigentlich? Alles und jeden umbringen, das mächtiger ist als ein Mensch? Was bringt dir das denn?", wollte ich wissen.

Uriel musterte mich und kam dann auch auf mich zu. „Es gab mal eine Ordnung auf dieser Welt", brummte er. „Menschen leben auf der Erde, kommen dann in den Himmel oder die Hölle und verbringen da die Ewigkeit. Aber dank Luzifer, erstehen Menschen einfach wieder auf, mit einer Macht, die ihnen gar nicht zusteht, Michael war davon überzeugt, dem entgegenwirken zu müssen und bla bla bla. Das hier ist alles nicht mehr wie es einmal war und was soll ich sagen? Ich mochte die guten alten Zeiten"

„Wieso ausgerechnet jetzt?", fragte ich weiter. „Das geht doch schon seit Tausenden von Jahren so"

Uriel warf Chad einen bedeutungsvollen Blick zu. „Bisher waren es nur diese Vampire oder Jäger, die so mächtig waren, oder vereinzelte Menschen, die sich eine bestimmte Macht teilten. Aber jetzt... Jetzt soll es auch noch Menschen geben, die so mächtig sind? Beinahe so mächtig wie Engel? Wir sollen auf euch aufpassen, uns euch unterwerfen, für euch da sein und so weiter" Er verdrehte genervt die Augen. „Ihr schickt eure Welt durch eure Taten direkt in einen Abgrund nach dem nächsten und wir sollen das wieder geradebiegen? Ich habe genug davon. Vater hat diese Welt für gescheitert erklärt und ich bin hier, um aufzuräumen-"

„Dann versuchs doch!"

Uriel stoppte und drehte sich schnell um, als wir alle Raphaels Stimme hörten. Ohne Scheu ging er an den Engeln vorbei zu uns, direkt auf Uriel zu. „Aber, wenn du glaubst, dass wir es dir so einfach machen, hast du dich getäuscht. Du hast dich mit den falschen angelegt"

Raphael stoppte nicht, ehe er direkt vor Uriel stand und ihm mit voller Wucht die Faust ins Gesicht donnerte. Davon waren wir alle so geschockt, dass wir erstmal nicht reagierten, bis Raphael Uriel, der zurücktaumelte, die Waffe entriss und sie Chad zuwarf. Dieser fing sie auf und rannte auf Uriel zu, doch Michael stellte sich ihm in den Weg. Die beiden begannen zu kämpfen, genauso wie Raphael und Uriel, während die anderen Engel wieder auf uns losgingen.

Unsere Situation sah nicht wirklich besser aus als zuvor, doch trotz meinen Visionen hatte ich gerade ein wenig Hoffnung geschöpft. Silas musste doch nur die Kontrolle über seinen Körper zurückerlangen und wir hatten quasi gewonnen oder?

Ich hörte einen markerschütternden Schrei, sah einen Lichtblitz, doch konnte dem meine Aufmerksamkeit nicht schenken. Ich sah nur, wie Chad kurz darauf an mir vorbei stürmte und Raphael half, Uriel zu bekämpfen, der noch immer in Silas' Körper steckte. Der Erzengel bekam dabei Unterstützung von weiteren Engeln. Dale eilte dazu, wollte helfen, doch zwei der Engel packten ihn an jeweils einem Arm und rissen ihn einfach in Stücke.

„Dale!", brüllte Chad schockiert und auch ich konnte nicht fassen, was ich da eben gesehen hatte.

„Boris, bleib bei der Sache!", rief Eric mir zu. Ich erkannte, wie er einen Engel abfing, der auf mich losging und ihn an einen Baum schleuderte. Ohne ihn wäre ich vermutlich schon lange tot. Trotz meines Schockes kämpfte ich weiter, sah dabei auch Michaels Leiche auf dem Boden liegen und erhaschte immer wieder Blicke zu Raphael, Chad und Uriel. Nachdem Chad schockiert von seinem zweigeteilten Bruder auf die Knie gefallen war, entriss Uriel ihm die Klinge und schlug ihm damit den Kopf ab. Er rollte etwas von seinem Körper weg, der sofort umfiel und liegen blieb.

Raphael griff nach der Klinge, als Uriel sie gegen ihn richtete, kam ihm dabei sehr nahe. Ich erkannte, dass Raphael auf ihn einredete, doch hörte nicht, was er sagte. Sie kämpften, Eric und ich kämpften und all das schien kein Ende zu nehmen.

Ohne überhaupt berührt zu werden, fühlte ich mich plötzlich so, als würde ein Schwert direkt durch meine Brust gestoßen werden und kippte auf die Knie. Im selben Moment sah ich ein Bild vor meinem inneren Auge, auf dem Charlie von dem Schwert eines Engels durchbohrt wurde und genauso wie ich hinfiel. Ich hörte seine Stimme in meinem Kopf, seine Entschuldigung, seine Liebeserklärung, fühlte seinen Schmerz und konnte spüren, wie das Leben aus ihm wich. Dabei lag ich auf dem feuchten Waldboden, mein Blick auf Raphael und Silas gerichtet, wo Raphael Silas festhielt und dieser gerade die Erzengelsklinge aus seinem eigenen Bauch zog. Sie begann zu leuchten, unglaublich hell und zersprang schließlich ein tausende kleine Einzelteile. Alle Engel stoppten ihre Bewegungen und sahen ebenfalls zu Raphael, der den sterbenden Silas in seinen Armen hielt.

Ich schloss die Augen und spürte, wie Silas' Seele diese Welt verließ, konnte sie quasi vor meinem inneren Auge hinaufsteigen stehen, im selben Moment, als es sich so anfühlte, als riss man mir mein schlagendes Herz aus dem Körper. Ich wusste, nun war auch Charlie tot und begann in all meiner Verzweiflung, Trauer und Wut zu schreien.

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