28. KAPITEL

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- IWAIZUMI'S SICHT -

Inmitten des Trainings fiel mir auf, dass mit Ryota etwas nicht stimmte. Irgendwie wirkte sie auf mich zunehmender nachdenklicher und war häufig geistesabwesend. Je näher wir den Trainingsende kamen, desto mehr mangelte es ihr an Konzentration. Das Einzige, was mir einfiel, womit es zu tun haben könnte, war ihr krampfhaftes Verhalten ständig auf das Handy zu schauen. Obwohl es nicht erlaubt war sein Handy während dem Sport zu benutzen, schien es dennoch etwas wichtiges zu sein. Leider bekamen meine Sorgen ihre Bestätigung als ich bei der Ankunft am gemeinsamen Esstisch meine Freundin nicht vorfand. Ich schaute suchend durch die Truppe und setzte einen fragenden Blick auf. "Wo ist Ryota?", ließ ich die Frage im Raum fallen und erntete irritierte Blicke. "Ich habe Kobayashi seit dem Training nicht mehr gesehen. Vielleicht ist sie noch in der Küche bei den anderen Managerinnen.", meldete sich Mattsun als Erster und zeigte mit den Essstäbchen in die Richtung der Küche. Ich stellte mein Tablett auf dem Tisch ab und nahm neben dem größeren Mittelblocker Platz. "Mhm. Aber bei der Essensausgabe konnte ich sie nirgends sehen.", gab ich grimmig von mir. Ein komisches Gefühl machte sich in meiner Bauchgegend breit und ich ahnte Schlechtes. Nichtsdestotrotz wartete ich ab und entschied mich gegen meine Intuition. Ich dachte, dass Ryota vielleicht nach dem Küchendienst zu uns stoßen würde, aber das tat sie nicht. Da unsere Managerin nicht zum Abendessen erschien und ich erfuhr, dass sie sogar den Küchendienst schwänzte, machte ich mich auf dem direkten Wege zu ihrem Zimmer. Oikawa konnte ich glücklicherweise abschütteln, um ungestört alleine nach ihr zu schauen. An der Tür angekommen klopfte ich an der Schiebetür und verharrte für einem kurzen Moment schweigend davor. Jedoch bekam ich keine Antwort und fiel die Entscheidung einfach einzutreten. Immerhin war ich ihr fester Freund, also was sollte sie schon dagegen haben? Ich betrat das Zimmer, schob die Tür zu und mein Blick schweifte durch das Zimmer. In der Raummitte sah ich sie schlafend auf dem Futon liegen und lief leise auf sie zu. Je näher ich ihr kam, umso genauer erkannte ich ihr verweintes Gesicht. Ihre geschlossenen Augen waren leicht geschwollen und ihre Wangen ein wenig blutunterlaufen. Zudem zierte schwarz-verlaufene Linien ihre Wangen, was darauf schließen lässt, dass sie wirklich geweint hatte. Ihre Augen waren mit verschmierter Wimperntusche bedeckt und ihr Gesicht ähnelte einen Panda. (Mein Gefühl hatte anscheinend doch recht gehabt. Aber weswegen hat sie geweint?(...)), dachte ich darüber nach und streichelte sanft mit meinem Daumen über ihre Wange. Es beunruhigte mich umso mehr, dass sie mir davon nichts erzählte. Ich kannte sie bereit gut genug, um zu wissen, dass sie eher der Typ war, die bei Problemen sich zurückzogen. Daher konnte ich ihr keinen Vorwurf machen. Ich setzte mich im Schneidersitz neben ihr und schaute ihr beim Schlafen zu. Obwohl sie vorher weinte, sah ihr schlafendes Gesicht friedlich aus. Eine gewisse Zeit verging, wo ich bloß dasaß und darüber nachdachte, was in ihr vorging. Unentschlossen, ob ich mich einfach zu ihr legen sollte oder lieber zurückging, grübelte ich weiterhin vor mir her. Nach einigen Minuten entschied ich mich sie in Ruhe weiterschlafen zu lassen. Ich gab ihr einen Kuss auf ihre Wange und verließ ihr Zimmer mit dem Entschluss sie morgen darauf direkt anzusprechen.

- ERZÄHLER SICHT -

Somit ging eine weitere Nacht vorüber und die junge Managerin fand zwar ihren Schlaf, aber dafür keine Erholung. Sie fühlte sich ausgezerrt und leer. Ihre Demotivation für den bevorstehenden Tag stand ihr formlich ins Gesicht geschrieben und mit großem Widerwillen stand sie auf. Ihre müden Gelenke streckend ging sie zum Fenster und öffnete dies. Sie rieb sich kräftig mit den Händen das Gesicht und verschmierte ihre Schminke nur noch mehr. Für den ersten Impuls des Tages konnte sie keine schöne Worte finden und verfluchte so eben, dass sie überhaupt aufgestanden war. Ihre gestrigen Gedanken beschlagnahmen sie mental wieder und setzten ihr alltägliches Gewicht auf ihre Schultern ab. Die gefühlte Schwere zog ihre Schultern nach unten und sie nahm eine gebückte Haltung ein. Es belastete ihr Herz nach wie vor und sie sehnte sich nach einer Zigarette. In emotional belastenden Situationen meldete sich immer wieder gerne die Nikotinsucht bei der Volleyballmanagerin und sie kämpfte mit sich selber, ob sie heimlich eine rauchen sollte. Verunsichert entschied sie sich jedoch dafür und kletterte samt Rauchutensilien über das Fensterbrett. Ihr Zimmer hatte eine relativ gute Lage, etwas abgeschieden in der Unterkunft, im Erdgeschoss zum kleinen Hinterhof hinaus. So setzte sie sich schräg unter das Fenster und zündete sich heimlich eine an. Sie inhalierte es und stieß einen kräftigen Rauch aus. (Hajime wird das sicherlich nicht erfreuen. Ich hoffe man riecht es nicht so sehr.), dachte sie sich währenddessen und strich sich einmal durch ihr brünettes Haar. Einerseits fand ihre Sucht Befriedigung, anderseits verurteilte sie sich selber dafür. Enttäuscht über sich selber nahm sie schnell die letzten Züge und drückte den Glimmstängel aus. Sie drehte die letzten Tabakreste raus und nahm den noch übrig gebliebenen Filter mit ins Zimmer. Sie versteckte ihn ungeniert in der Seitentasche ihres Rucksacks und lief anschließend ins Badezimmer. Da sie wieder einmal zeitiger als die anderen einschlief, war sie dafür erneut früh wach. Die Uhr ihres Handys zeigte 05.14 Uhr an. Die Siebzehnjährige erreichte das Gemeinschaftsbad und gönnte sich zunächst eine ausgiebige Dusche. Das warme Wasser floss ihrem Rücken hinunter und gab ihr das leichte Gefühl der Entspannung. Sie versuchte ihre Konzentration auf das warme Wasser zu lenken und es zu genießen. Nach 20 Minuten stand sie angezogen vor dem Spiegel und betrachtete ihr Spiegelbild. Ihre Haare waren in einem hellblauen Handtuch eingewickelt und nur einzelne Strähnen hingen ihr im Gesicht. Die Volleyballmanagerin stützte sich mit ihren beiden Händen am Rand des Waschbeckens ab und wandte keine Minute ihren Blick von sich selber ab. Sie sah in hellgrüne, glanzlose Iren und erkannte sich selber wieder. Ihr gewöhntes Bild, wie sie sich selber sah: es war ihr wirkliches Gesicht, ihr hässliches Gesicht. Ryota bezog diese Umschreibung nie auf ihr wirkliches Äußeres, eher auf ihre seelische Verfassung, was sie in ihren eigenen Augen sah und im Inneren fühlte. Irgendwie trauerte das siebzehnjährige Mädchen die vergangenen Tage hinterher. Immerhin hatte sie in den letzten Tagen wahres Glück empfunden und sah darin einen kleinen Hoffnungsschimmer aus dem schwarzen Loch herauszukommen. Soeben noch mit Glückseligkeit erfüllt und durch eine einfache Nachricht der eigenen Mutter fand man sich später wieder auf dem Boden der Tatsachen. Die Tatsache, dass ihre eigene Mutter mit einer neuen Familie ein anderes Leben führt, ohne sie. Bei den aufkommenden Gedanken , ersetzt wurden zu seien, schnürte sich ihr Brustkorb zusammen und ihr Herz fing an zu schmerzen. Es war definitiv kein guter Start in den Tag, wenn man wieder kurz davor war in Tränen zusammenzubrechen. Dementsprechend versuchte sie ihren inneren Schmerz hinunterzuschlucken und wischte ihre ersten Tränen aus den Augen weg. Ihre alte Gewohnheit kam wieder hoch und sie entschied sich gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Sie wollte ihre eigene Fassade bewahren, indem sie eine fröhliche Maske aufsetzte. Mit Wimperntusche und Concealer bewaffnet schminkte sie sich "fröhlich" und begutachtete ihr Werk im Spiegel. Sie drehte ein paar Male ihr Gesicht und wuschelte sich durch ihr dickes braunes Haar. "Ich denke so müsste es gehen. (...)", murmelte sie mit einer leisen Stimme zu sich selber. Ihre braunes Haar fiel locker über ihre Schultern und sie trug ihre kurze schwarze Sporthose mit ein einfaches weißes T- Shirt kombiniert. Laut der Wettervorhersage sollte der heutige Samstag ein weiterer heißer Tag werden. Nachdem sie mit ihrem Äußeren fertig war, schnappte sie sich ihre Kulturtasche und schlich sich unbemerkt zurück. Als sich Ryota wieder in ihrem Zimmer befand, nahm sie ihr Notizbuch zu Hand und schrieb einfach darauf los. Über ihre Lieder konnte sie ihre Gefühle besser hinüberbringen als mit einfachen Worten in Alltagsgesprächen. Sie schrieb die ersten neuen Liedzeilen nieder und schrieb eine halbe Seite ihres Notizbuchs voll. Eine leichte Entspannung tritt ein und sie merkte wie der innere Druck etwas nachließ.

DIE MELODIE DES HERZENS | HAIKYUU!!Where stories live. Discover now