Liebesbriefe an einen Fremden.
»Wer bist du, hinter dem Blau deiner Tinte und dem Kratzen deines Stiftes? Wer bist du, wenn die Tinte verblasst und all unsere kleinen Briefe nichts als ein Nachhall vergangener Zeiten sind?«
Honey Ambrosé ist stumm...
Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.
Indem sie schweigen, schreien sie. - Cicero -
Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.
IN KURZER ZEIT kommen wir beide in der Schule an, Silas sieht nicht einmal besonders verschnauft aus. Mein Herz hat die ganze Zeit gegen seinen warmen Körper geklopft, der mir das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit gegeben hat. Erst, als ich die Existenz dieses Gefühls längst vergessen hatte, ist mir klar geworden, wie sehr ich es vermisst habe. Ich habe mich in seiner Nähe wohlgefühlt, so richtig wohlgefühlt. So, wie man sich nur zu Hause fühlen sollte. Nach Violets Tod lag mein Herz auf Eis; schlug langsamer. Es tanzte noch, bebte noch, pulsierte noch. Nur langsamer. Langsamer, weil Violet, meine treibende Kraft nicht mehr da war.
Doch jetzt – jetzt vibriert es, fühlt es, schlägt es schneller als zuvor, als es jemals tat.
Als hätte sich auf meine Welt ein Schwarz-Weiß-Filter gelegt und Silas ist die wiederkehrende Farbe. Als hätte sich meine Stille auf meine Welt gelegt und Silas ist das Orchester, deren klangvolle Lautstärke die zerstörerische Stille zerschneidet.
»Da wären wir, Madam. Das Silas-Taxi freut sich, sie bald wieder beehren zu dürfen«, sagt Silas, hilft mir von seinem Gepäckträger und verneigt sich theatralisch vor mir. Das Strahlen meiner Augen muss jeden anderen hier blenden; ich kann nicht anders. Für den Moment existieren nur wir beide. Unsere Blicke auf der Haut, seine Fingerspitzen, die meine Hand halten, seine Worte, die tiefer gehen als ein Messer. Es könnte die Fesseln zerschneiden, die mich an meine Schuld binden. Oder mich zerschneiden.
»Hey, Leute!«, ruft Penelope uns zu, beendet diesen intimen Moment. Sie und Kassian kommen auf uns zu. Silas begrüßt beide. Ich sage nichts.
»Irgendwann wirst du mich auch so begrüßen, als wäre es das natürlichste der Welt«, flüstert er mir ins Ohr, versetzt mein Blut in Wallung, mit der gesenkten Stimme. Irgendwann.
Irgendwann, wenn meine Stimme nicht mehr von der rauchenden Stille meines Herzens davongetragen wird, wenn meine Worte nicht länger durch das Fenster hinaus in die Welt gleiten, sich wie eine Decke über die Stadt, erbaut auf den Grundmauern meines Selbsthasses, legt.
»Ich freue mich schon wieder total auf Mrs Jackson«, brummt Penelope sarkastisch. Penelope; mit dem leidenschaftlichen Klang in der Stimme und dem feurigen Blick. »Verständlich, sie liebt dich ja auch über alles«, lacht Kassian.
