Achtundvierzig

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Als ich am nächsten Tag aufwachte, war es bereits später Vormittag. Cadens Eltern waren nirgends zu sehen und ich vermutete, dass sie bereits arbeiteten. Schließlich hatten war es mitten unter der Woche. Obwohl ich im Wohnzimmer lag, hatte ich nicht mitbekommen wie sie heruntergekommen waren oder das Haus verlassen hatten, woraus ich schloss, dass ich den Schlaf wirklich gebraucht hatte.
 
Ich schälte mich aus meiner Decke und wickelte sie auf, um sie wieder bei meinen Satteltaschen zu verstauen. Dann ging ich in die Küche und stellte fest, dass es keinen Wasserhahn gab. Anscheinend gab es in diesem Haus weder fließendes Wasser, noch Strom, was in der ländlichen Gegend aber nicht ungewöhnlich war. Jegliche Elektrizität oder moderne Technik war teuer und die meisten Bauern konnten sich diesen Luxus einfach nicht leisten. Sie lebten ein wenig wie in der Renaissance, was aber nicht unbedingt bedeutete, dass sie schlecht lebten. Sie hatten andere Wege gefunden, um die Technik zu ersetzen. Selbst wenn sie einfach waren. In diesem Fall fand ich einen Eimer in der Ecke, der mit Wasser gefüllt war. Ich füllte etwas in die Schüssel und wusch mir damit das Gesicht.
 
In der Küche nach etwas zu essen zu wühlen, traute ich mich dann doch nicht, weshalb ich beschloss, nach Caden sehen zu gehen. Ich stieg die Treppe nach oben und fand sein Zimmer leer vor. Allerdings konnte ich meine Neugier nicht zügeln und trat ein. Der Raum war nur etwas größer als die Kammer, in der ich damals gewohnt hatte und obwohl ich wesentlich kleiner als der Sergent war, musste ich meine Flügel ein wenig einziehen, um durch den Rahmen zu passen. Man merkte, dass dieses Haus für Menschen ausgelegt war.
 
Das Zimmer war einfach eingerichtet. Es gab ein Bett, einen kleinen Schreibtisch, einen Schrank und eine Kommode. Minimalistisch, wie ich es von Caden gewohnt war, aber im Gegensatz zu seinem Zelt im Lager war der Raum nicht seelenlos, sondern mit persönlichen Gegenständen überseht. In dem Regal an der Wand standen einige Holzfiguren, die vermutlich sein Vater für ihn geschnitzt hatte, und einige Erinnerungsstücke wie Steine oder ähnliches, deren Bedeutung wohl nur er selbst kannte.

Aber am interessantesten waren die Zeichnungen, mit denen die Wände bedeckt waren. Vieles waren nur grobe Kritzeleien oder Skizzen, aber auch detailreiche Bilder von Tieren, Gegenständen oder Personen waren darunter. Sie waren mit Kohle auf grobes Papier gezeichnet worden und man sah die Entwicklung darin. Die Blätter, die unter anderen hingen, waren älter und schlechter als die oberen. Wobei schlecht hier relativ war. Sogar die Bilder, die ein Kind gemalt haben musste, waren vergleichsweise ziemlich gut. Der Zeichner hatte Talent.
 
„Kann ich dir helfen?"

Ich zuckte zusammen und drehte mich um. Hinter mir stand Caden im Türrahmen. Seine Haare waren nass und statt der Uniform der Ailé trug er ein schlichtes graues T-Shirt. Unter dem Stoff seines rechten Ärmels schaute ein Verband hervor. „Ich... Ich habe dich gesucht. Unten war niemand mehr und ich..."

Er schob sich an mir vorbei. „Glückwunsch, du hast mich gefunden. Meine Mutter ist in der Stadt, wo sie als Krankenpflegerin beim Dorfarzt arbeitet und mein Vater ist draußen und kümmert sich um die Tiere. Kann ja nicht jeder den halben Tag verschlafen wie du."

Angesichts dieses Seitenhiebs verdrehte ich die Augen, was er aber nicht sehen konnte, da er mir den Rücken zugewandt hatte und in dem Schrank herumwühlte.
 
Es war seltsam den einundzwanzigjährigen Ailé in einem Zimmer zu sehen, dass offensichtlich einem Kind gehörte. Ich fühlte mich sogar noch mehr fehl am Platz.

„Sind die von dir?", fragte ich deshalb, um mein Unbehagen zu überspielen.

Er drehet kurz den Kopf, um zu sehen, was ich meinte. Ich deutete auf die Zeichnungen. „Sind sie", antwortete er knapp.

„Die sind wirklich gut. Ich wusste nicht, dass du zeichnen kannst."

„Du weißt so einiges nicht von mir, Lennox", entgegnete er kühl, woraufhin ich aufstöhnte.

Feather, Sword & BloodWhere stories live. Discover now