Kapitel 33

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Das Rauschen des Wassers war bereits aus der Ferne zu hören gewesen und kündigte den Wasserfall an, der es an dieser Stelle mit voller Kraft hinunter in ein Becken stürzte. Von hier aus formte es sich zu dem Fluss, den James bereits bei seiner Reise durch das Bergland bemerkt hatte, und verlor all seine Ungestümheit. Wie ein Vorhang verdeckte das Quellwasser dabei das, was sich dahinter befinden könnte.
„Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte James Yennefer, als diese wenige Meter von dem Spektakel zum Stehen kam. Dabei gewann seine Stimme an Lautstärke, damit es ihr möglich war ihn überhaupt zu verstehen.
„Laut der Karte sind wir an dem Ort, an dem der Dschinn sein sollte“, antwortete sie und blieb ein Stück entfernt stehen, damit die Wassertropfen, die umher spritzten nicht das Papier in ihren Händen benutzten und es damit unbrauchbar machten.

„Und du hältst sie wirklich richtig herum?“, vorsichtshalber sah er über ihre Schulter, um sich dessen zu vergewissern, wofür er allerdings sogleich einen stechenden Blick von Yennefer einstecken musste.
„Natürlich halte ich sie richtig herum. Das ist nicht meine erste Karte“, entgegnete sie mit einem leichten Augenrollen. Seine selbst vorgenommen Prüfung bewies ihm, dass es tatsächlich nicht an ihren Künsten als Wegweiserin lag, klärte die Frage, weshalb sie nirgends das Anzeichen eines Dschinns erblicken konnten, allerdings auch nicht.

Ein weiteres Mal verglich Yennefer ihre eigene Position mit der des Kreuzes auf der Karte. Die rot markierte Stelle befand sich genau in dem Wasserbecken, als sollten sie darin nachsehen, doch das konnte doch gar nicht sein. Darin würde es ihnen unmöglich sein sich zu wehren, wenn der Dschinn sie angriff. Sie kniff ihre Augen leicht zusammen und richteten ihren Blick auf die Wasseroberfläche. Erst jetzt fiel ihr auf, dass diese leicht zu vibrieren schien. Jedoch konnte diese Bewegung nicht von dem Wasserfall an sich herrühren. Dafür wirkte sie viel zu unnatürlich und schien ganz und gar nicht in das Bild hinein zu passen.

„Halt mal“, sie löste ihre Augen von dem Gewässer, um die Karte wieder zusammen zu rollen und sie James zu reichen, der sie mit leicht gerunzelter Stirn ansah. Augenscheinlich war es ihm nicht aufgefallen. Allerdings ignorierte sie seine stille Frage danach, was sie vorhatte und suchte ihre nähere Umgebung nach einem Stein ab. Als sie schließlich fündig wurde und einen Brocken, der gerade die richtige Größe für ihre Hand hatte, kehrte sie zu James zurück.
„Ich denke, du solltest schonmal dein Schwert ziehen“, warnte sie ihn vor, denn wenn sie mit ihrer Vermutung richtig lag, würden sie keine Zeit mehr für lange Vorbereitungen haben.
„Was hast du vor?“, fragte James, während er das tat, was sie ihm geraten hatte.
„Ich reize unseren Dschinn ein wenig“, erklärte sie knapp, bevor sie ausholte, ohne ihrem Partner eine Möglichkeit zum Protestieren zu geben, und den Stein warf.

Mit einem dumpfen Ploppen durchdrang der Stein die Wasseroberfläche. Beide hielten für einen Moment ihren Atem an und sahen dabei zu, wie er beinahe in Zeitlupe in Richtung Erdboden gezogen wurde. Das einzige Geräusch, was noch zu hören war, war das Tosen das Wasser. Ansonsten hatte sich Totenstille breit gemacht und die Luft schien vor Anspannung regelrecht zu knistern. Yennefers Herz schlug so laut in ihrer Brust, dass sie meinte man würde es über Meilen hinweg hören können, während sie darauf wartete, dass sich etwas tat. Hatte sie sich vielleicht doch getäuscht?

Bevor sie tatsächlich denken konnte, dass sie mit ihrer Vermutung völlig falsch gelegen hatte, tat sie etwas. Das Tosen des Wassers wurde lauter und Wellen begannen sich an allen Stellen aufzutürmen, an denen sie eigentlich gar nicht entstehen dürften. Weißer Schaum spritzte gegen die Steine und plötzlich erhob sich eine Gestalt, in der Form eines Menschen, aber deutlich größer und von einem Blau, das ihn hatte mit dem Wasser verschmelzen lassen.

Automatisch machte Yennefer einen Schritt nach hinten, während James sich vor sie schob. Dieser Dschinn war von einem anderen Kaliber, als der, den er aus dem Krug befreit hatte, und das Gesicht des Wesens, das sich vor Ärger zu einer Fratze verzogen hatte, verriet James, weshalb Yennefer ihn um Schutz gebeten hatte.
„Musst du ihn unbedingt ärgern?“, brummte er zu ihr herüber, worauf sie jedoch nicht antwortete und als er kurz über eine Schulter zu ihr blickte, meinte er erkennen zu können, dass sie ihren Zauber bereits vorbereitete. Allerdings musste er seine Rolle genauso gut spielen, wie sie, damit das hier kein weiteres Desaster wurde.

Kingdom of DespairWhere stories live. Discover now