Kapitel 4

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Die Autofahrt zieht sich wie Kaugummi und ich bin so nervös, dass meine Beine beim Schalten zittern. Die neue Schule ist nicht weit weg. Sie liegt in einer ruhigen Zone, etwas abgeschieden von den ganzen Hochhäusern. Außenrum sind großzügige Grünflächen angelegt. Es ist 7:15 und trotzdem herrscht ein reger Trubel vor dem Gebäude. Eltern, die ihre Kinder bringen und kleine Knirpse mit Taschen so groß wie sie selbst, tummeln sich wie ein bunter Haufen. Mich bemerkt niemand, als ich mich durch die Menschen hindurch schlängele und die Schule betrete. Der Flur ist lang und beleuchtet. An der Wand hängen verschiedene Bilder, höchstwahrscheinlich die der Schüler. Ich schreite den Gang entlang und fühle mich selbst wie ein Grundschüler. Diese Nervosität und Aufregung sind eine willkommene Ablenkung zu der ganzen Leere und Trauer, die ich sonst immer empfinde. Endlich gelange ich zum Direktorat. Ich straffe meine Schultern und klopfe. "Herein." tönt es von drinnen. Lautlos gleitet die Tür auf. Ein Mann ende 40 sitzt wartend hinter einem riesen Schreibtisch und sieht mich einladend an. "Ah Frau Theling schön sie zu sehen. Kommen sie setzen sie sich." sagt er und zeigt auf einen der zwei Stühle vor ihm. Angespannt setze ich mich. "Ich will sie auch gar nicht lange aufhalten. Ich habe hier ihren Stundenplan und einen Plan vom Haus, damit sie auch alles gut finden." erklärt er und lächelt warm. Meine Hände zittern als ich die Zettel an mich nehme. "Danke" sage ich und klinge wie eine Fremde. Er nickt mir aufmunternd zu und ich verlasse das Zimmer wieder. Der Flur ist jetzt definitiv voller als vorher. Ich fühle mich verloren. Ein sehr vertrautes Gefühl für mich. Ich beschließe zuerst das Lehrerzimmer aufzusuchen. Ich habe Angst mich den neuen Kollegen vorzustellen. Was wenn sie mich nicht mögen? Gott jetzt klinge ich wirklich wie ein Schüler. Ich schüttele den Kopf über mich selbst und mache mich auf den Weg.
Ich finde das Zimmer schneller, als gedacht und stehe nun der verschlossenen Tür. Ich will gerade die Klinkerunter drücken, als die Tür auf schwingt und mir volle Kanne gegen den Kopf. Ein pochender Schmerz breitet sich in mir aus. So ein Mist keine 5 Minuten hier und schon lächerlich gemacht. Eine junge Frau mit braunen langen Haaren stürzt auf mich zu. "Oh mein gott, tut mir so leid. Hast du dich verletzt?" fragt sie und tastet an meinem Kopf herum. "Nein alles gut, passt schon." Murmele ich. Ihre Augen sind von einem wunderschönen hellblau mit grünen kleinen Sprenkeln. Sie sieht schuldbewusst aus und ich werfe ihr ein aufmunterndes Lächeln zu. "Ich bin Camilla." sagt die Brünette. "Freut mich, Sophia." erwidere ich und strecke meine Hand aus. Ihre Hand ist zierlich und weich. "Ahhh unser Neuzugang. Na dann, folge mir ich zeige dir schnell alles." sagt Camilla und zieht mich an der Hand ins Lehrerzimmer. Es ist geräumig mit vielen, überladenen Bücherregalen an der Wand. Ich fühl mich sofort wohl. "Das hier ist dein Platz."reißt Camilla mich aus meinen Gedanken und zeigt auf einen kleinen weißen Tisch auf dem ein riesiger Willkommenskorb steht. Seltsam gerührt betrachte ich ihn." Danke, das wäre doch aber nicht nötig gewesen." sage ich leise. Camilla lacht." Hier sind wir sehr kollegial und arbeiten miteinander." Ich nicke. Es gongt. "Also dann ich muss zu meiner Stunde und du ja auch. Du kommst klar?" fragt Camilla und ich nicke. "Sehr gut." sagt sie und fegt auch schon aus dem Zimmer. Die Tür fällt hinter ihr ins Schloss und die Stille hüllt mich ein. Plötzlich kommt es mir so vor, als würden die Wände auf mich zu kommen und die Regale die noch vor 5 Minuten einladend und gemütlich gewirkt haben, wirken jetzt irgendwie bedrohlich und unordentlich. Ich verliere keine Zeit, um aus dem Zimmer zu kommen. Meinen Klassenraum habe ich schnell gefunden. Es hängt sogar bereits ein Schild mit meinem Namen dort. Die Zweitklässler wackeln an mir vorbei ins Zimmer und ich folge ihnen. Langsam ziehe ich die Aufmerksamkeit auf mich. Ich versuche mich durch die 20 paar Knopf Augen, die sich auf meinen Rücken heften nicht beirren zu lassen.
Ich schreibe in meiner schönsten Schrift meinen Namen an die Tafel. Ich werfe einen Blick auf die Uhr neben der Tafel. Es ist genau 8 Uhr. Mit schwitzigen Händen wende ich mich der Klasse zu. "Guten Morgen, ich bin eure neue Klassenlehrerin Frau Theling." stelle ich mich vor. "Guten Morgen, Frau Theling." sagt die Klasse in einem sing sang. Ich checke die Namens Liste und die Anwesendheit, dann beginne ich meinen Unterricht. Es ist eine tolle erste Stunde. Die Kinder arbeiten gut mit und sind die meiste Zeit über leise. Der Tag scheint zu verfliegen. Wir verabschieden uns und alle gehen brav hinaus. Ich setze mich an meinen Schreibtisch und lasse den ganzen Tag Revue passieren. Ein klopfen reißt mich aus meinen Gedanken. "Ja bitte." sage ich und klinge ein wenig piepsig. Camilla steckt ihren Kopf hinein und lächelt mich herzlich an. "Und wie war der erste Tag?" fragt sie und ich finde es süß, dass sie fragt. "Sehr gut, die Kinder haben mitgearbeitet und waren meistens ruhig. Es war eine gute erste Stunde." Berichte ich ihr. Ihr Lächeln ist mittlerweile zu einem Strahlen geworden. "Bestens. Heute Abend treffen wir uns alle beim Essen, um auf das neue Schuljahr zu trinken. Du bist herzlich eingeladen, dann lernst du auch gleich die anderen Kollegen kennen." Ich überlege. Eigentlich vermeide ich derartige Zusammenkünfte, um Fragen über mein Privatleben zu vermeiden. Andererseits kommt es sicher nicht gut, wenn ich absage. Ich als neue, muss mich erst beweisen und es kann nicht schaden die Kollegen kennenzulernen, also sage ich zu. "wir treffen uns alle um 18:30 bei Pepino in der Stadt." sagt sie und umarmt mich. Ich bin überfordert mit der körperlichen Nähe. Ihr süßer Duft zieht in meine Nase. Ich stehe unbeholfen und steif wie ein Brett da. Camilla winkt zum Abschied und verlässt das Zimmer. Ich packe zusammen und stapfe zum Auto. Auf der Heimfahrt überfällt mich leichte Panik vor heute Abend. Was wenn sie mich nicht mögen oder fragen über mein Liebesleben stellen? Der Panikkloß in meinem Hals wächst und nimmt mir die Luft. Ich habe ein Druckgefühl auf der Brust und muss rechts ran fahren. Mein Herz pocht dumpf und mir läuft kalter Schweiß den Rücken runter. Solche Panikattacken gehören mittlerweile zu meinem Alltag.
Langsam beruhige ich mich wieder und fahre weiter. Zuhause stürze ich ins Bad und übergebe mich quälend. Ich muss mir dringend eine Therapeutin suchen. Diese Panikattacken müssen aufhören, denke ich als ich völlig fertig neben dem Klo kauere. Ich schleppe mich ins Bett und würde am liebsten nie wieder raus kommen. Ich stelle meinen Wecker auf 17 Uhr und schlafe ein, sobald ich das Handy aus der Hand gelegt habe.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 21, 2020 ⏰

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