Kapitel 20 - Ein Fehler im System

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Kapitel 20 – Ein Fehler im System

„Hermine, Kindchen! Wie lange hast du heute Nacht noch deine Nase in die Buchdeckel gesteckt?", wurde sie von Molly begrüßt, als sie benommen in die Küche taumelte. „Du siehst wirklich müde aus... Um diese Uhrzeit!"

Sie war die Letzte, die aus dem Bett gekommen war. Harry und alle Weasleys waren bereits am Frühstücken. Selbst Malfoy hatte ein belegtes Brötchen in die Hand gedrückt bekommen und sie konnte beobachten, wie er genüsslich davon abbiss. Seltsamerweise erinnerte es sie an Rons Appetit, den er regelmäßig am ersten Abend im neuen Schuljahr zur Schau gestellt hatte. Sie musste schmunzeln. „Ich konnte nicht schlafen und ein gutes Buch hätte mir vielleicht geholfen", verteidigte sie sich und setzte sich auf den einzigen freien Stuhl.

„Ein gutes Buch hätte dir den Schlaf genommen", hielt Harry dagegen, „So gut kenne ich dich, Hermine."

Sie brummte ihn an. Mittlerweile erkannte sie eine Diskussion, die sie nicht gewinnen konnte, wenn sie vor ihr saß. Beherzt griff Hermine zum Brotkorb und legte sich eine Scheibe Weißbrot auf den Teller.

„Mädchen, du musst aufhören so viel zu lesen. Es tut dir nicht mehr gut", warf Molly ein. Arthur nickte, auch wenn er wahrscheinlich die Worte anders gewählt hätte. „Und sieh dir an, wohin es dich gebracht hat? Nirgends!"

„Aber wenn ich nicht jedes in Frage kommende Buch in Hogwarts' Bibliothek umgedreht hätte, dann hätte ich nicht gewusst, dass es so ergebnislos ist. Jetzt kann ich mir wenigstens sicher sein, dass dort keine Hinweise verborgen liegen", protestierte Hermine, doch Molly wiegelte ihren logischen Einwand mit „Ja, ja, man muss auch das Positive sehen" ab.

Harry wurde langsam nervös auf seinen Platz. „Hattest du einen Albtraum?", fragte er sie aus. „Willst du dich nachher für eine Stunde nochmal hinlegen? Du siehst wirklich erschöpft aus und wir brauchen dich doch."

Sie holte sich die Butter und die Marmelade heran. „Ich weiß nicht." Sie mochte es nicht, unproduktiv zu sein. Nachts konnte sie schlafen. Wenn sie dazu in der Lage wäre... „Vielleicht." Innerlich rang sie mit sich. Hermine nahm den ersten Bissen von der Scheibe und während sie kaute, legte sie sich ihre nächsten Worte zurecht. „Es gibt da noch etwas, was wir in größerer Runde besprechen müssten", setzte sie an und blickte nach und nach allen Anwesenden ins Gesicht, um die Reaktionen abschätzen zu können.

Sie hatte keine Probleme, über ihre nächtliche Unterhaltung mit Malfoy zu sprechen, auch wenn sie im ersten Moment wahrscheinlich ausführlich erklären musste, weshalb sie das Gespräch mit ihm gesucht hatte. Mehr Probleme bereitete ihr jedoch die Tatsache, dass sie die Horkruxe Voldemorts nicht vor allen zum Thema machen konnte. Harry, Ron und sie hatten, bevor sie zur Suche nach diesen aufgebrochen waren, beschlossen, bezüglich dieser höchst schwarzmagischen Artefakte Stillschweigen zu bewahren. Es konnte nicht gut sein, wenn zu viele Menschen über deren bloße Existenz Bescheid wussten. Sie musste also über die Schlange Nagini sprechen und dabei das Aufkommen der Frage, weshalb diese so wichtig ist, im Keim ersticken. Doch gerade, als sie beschloss, alle in das nächtliche Gespräch und Malfoys dreisten Vorschlag einzuweihen, ertönte ein Scheppern, das aus der Richtung der Haustür kam.

Molly sprang erfreut auf und fiel ihren beiden Söhnen noch im Flur um den Hals. Dabei hatten sie nur eine Nacht in Bills Wohnung verbracht, um dort nach dem Rechten zu sehen. Hermine wusste, dass sie die von ihr angedachte Diskussion um Malfoys Ordensbeitritt auf später verschieben musste. Nun fehlte die nötige Aufmerksamkeit. Selbst Malfoy, der eigentlich gespannt sein sollte wie ein Flitzebogen, hatte sich zur Tür gewandt.

„Und?", fragte er, als George die Schwelle zur Küche mit einem halben Fuß übertreten hatte.

George grinste und bewegte sich bewusst langsam durch den Raum, bis er direkt vor dem Käfig stehen blieb und zu Malfoy hinaufblickte. „Wir haben eine Weile gebraucht, aber wir waren erfolgreich", verkündete er feierlich. Sein Lächeln verschwand. „Einen haben wir nicht mehr gefunden, bist du Linkshänder?" Kopfschütteln. Zähneknirschen. „Dann hast du jetzt einen Finger weniger, um einen Zauberstab halten zu können."

Moral und Wahnsinn - In der Gegenwart meiner FeindeWhere stories live. Discover now