7. Kapitel

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Ria

Oh Gott! Das ist so was von peinlich! Wieso muss mir das alles passieren und vor allem alles an einem Tag? Ich mache mich schnell fertig und hoffe, dass niemand mehr ins Bad gestürmt kommt. Ich wollte das Bad ja abschließen, habe aber leider kein Schlüssel gefunden. Bisher verlief der Abend wirklich gut. Am Anfang war ich überrascht, dass Anne schon verheiratet ist und eine Tochter hat. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Ich meine, Anne ist keine 4 Jahre älter als ich und hat schon ein Haus, ein Mann und ein Kind. Das ist wirklich krass. Sie hat mir Schritt für Schritt das Programm erklärt und ich habe mir fleißig dazu Notizen gemacht. Bis zu dem Punkt, an dem Emily sich auf einen Stuhl stellen musste, um ihr Wasser von den Wasserfarben auszukippen. Sie hat das Gleichgewicht verloren und ich habe alles abbekommen. Mal wieder. Jetzt ziehe ich zum zweiten Mal heute Klamotten von Anne an. Sie hat wirklich einen guten Geschmack.

Vorsichtig öffne ich die Tür und spähe hinaus, doch der Flur ist leer. Unten in der Küche sind Anne und Chris, die den Tisch decken für das Abendessen. Als Anne mich entdeckt kommt sie auf mich zu. „Das tut mir alles furchtbar leid. Ich wollte Jonny noch aufhalten, aber es war zu spät. Er bringt Emily jetzt ins Bett, geht duschen und kommt dann zum Essen herunter. Dann kann ich euch gegenseitig vorstellen." Sie streicht sich eine kurze braune Haarsträhne hinter das Ohr. Eigentlich ist mir die Situation so unangenehm, dass ich ihn überhaupt nicht kennen lernen möchte. „Ich habe deine Unterlagen zur Seite geräumt, vielleicht machen wir später noch weiter, aber das Wichtigste habe ich dir schon gezeigt."

Sie deutet auf die Kommode, die neben der Küche steht. Ich lächle ihr tapfer zu, während ich überlege nicht doch schlagartig das Haus zu verlassen, um der kommenden peinlichen Situation zu entgehen. Aber Anne und Chris sind bisher so nett zu mir gewesen, dass ich gerne zum Essen bleibe. Wer weiß, vielleicht sind es die freundlichsten Leute hier? Das will ich nicht aufs Spiel setzen. „Ria, willst du ein bisschen Alkohol auf den Schreck?" Anne hebt eine kleine Prosecco Flasche hoch. „Gerne, das wäre super." Perfekt! So werde ich hoffentlich das Zusammentreffen überleben. Sie holt zwei Gläser aus dem Schrank und teilt den Inhalt auf.

Anne holt das Essen aus dem Backofen und als hätte ihr Bruder das gerochen, höre ich schon Schritte auf der Treppe. Okay Ria, tief einatmen. Ich hole mir Jennys Worte in Erinnerung. Ich bin eine attraktive junge Frau, ich brauche mich nicht vor irgendjemanden zu verstecken oder zu schämen. Er kommt näher, ich erkenne, dass er noch nasse Haare vom Duschen hat. Er trägt eine Jogginghose und ein einfaches weißes T-Shirt. Als ich ihm ins Gesicht schaue, kommt er mir irgendwie bekannt vor. Ich reiße die Augen auf. „Du bist der Verrückte aus dem Zug!" Nur trägt er jetzt einen Dreitagebart. Oh Mist! Habe ich das eben laut gesagt? Er fängt an zu lächeln und scheint mich nun auch zu erkennen, er reicht mir seine Hand. „Tut mir leid wegen eben." Er deutet mit dem Daumen nach oben. „Ich bin Nathan. Und du müsstest...Maria sein." Er erinnert sich an meinem Namen? Wir hatte uns gegenseitig gar nicht vorgestellt. Automatisch ergreife ich seine Hand. „Bitte einfach nur Ria."

„Wartet mal, ihr kennt euch? Und warum ist er verrückt?", Anne schaut fragend in die Runde. „Aber jetzt setzt euch erst mal hin. Ich verhungere gleich." Sie und Chris nehmen auf der einen Seite des Tisches Platz und ich auf der anderen. Nathan setzt sich an die Stirnseite, rechts von mir. Nathan ergreift nun das Wort: „Wir waren Sitznachbarn im Zug. Ria ist diejenige mit dem guten Parfum." Anne nickt verstehend. „Das ist wirklich gut!" Er mag mein Parfum? „Er wollte mir ein Kompliment machen, hat sich dabei leider ein wenig verrannt. Und kam ein wenig verrückt rüber." Eigentlich bin ich keine Person, die andere in die Pfanne hauen, er sieht allerdings aus, als könne er das verkraften.

Aber in dieser Situation muss das sein, um ein bisschen Selbstvertrauen zu tanken. Und das brauche ich unbedingt. Meine Güte, sieht er gut aus. Er zuckt mit den Schultern. „Ich bin nicht stolz drauf. Außerdem hatte ich eine anstrengende Schicht davor.", versucht er sich zu verteidigen. „Ist da Alkohol drinnen?", fragt er Anne und deutet auf ihr Glas. Bevor ich fragen kann was er denn beruflich macht, greift er schon nach dem Glas und nimmt einen Schluck davon.

Inmitten... Teil 1 - Nathan & RiaWhere stories live. Discover now