8. Kapitel

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Nathan

Endlich stehe ich davor. Vor dem Grund, warum ich es überhaupt erwägt habe wieder zurückzukommen. Die Wache. Ich bleibe ein paar Schritte vor dem Gebäude stehen. Durch die weiße Fassade werden die Sonnenstrahlen zurückgeworfen und ich muss die Augen ein bisschen zusammenkneifen. Es ist erstaunlich was die Stadt hier erbaut hat. Hier im Zentrum der Innenstadt haben sie mindestens zwei alte Gebäude abgerissen und diese Schönheit hingesetzt. Vor dem Gebäude ist ein großer Vorhof, sodass Platz ist, die fünf Autos aus ihren Garagen hinauszufahren. Ich will nicht wissen, wie hoch sich die Stadt dafür verschuldet hat. Aber die Lage ist optimal. Im Zentrum der Stadt und man ist super schnell auf der Hauptstraße, besser geht es gar nicht.

Die Tür des Gebäudes steht offen und Wegweiser führen mich zu einem großen Aufenthaltsraum mit Stühlen und Tischen, und in der einen Ecke ersehe ich auch eine Sofasitzgruppe und in der anderen eine Küchenzeile. Nach allen Richtungen hin kann man in andere Teile des Gebäudes gelangen. Manche würden sagen es sei ein Durchgangszimmer. Einige Männer sind schon da, doch auf dem ersten Blick kommt mir keiner bekannt vor.

Das ist eines der Risiken, die ich eingehe. Und das ist mir auch bewusst. Doch es wird zunächst schwierig werden mit Fremden eine Einheit zu bilden und wenn es drauf ankommt auch sein Leben ihnen anzuvertrauen. Ich schätze deswegen dieser Tag heute. Heute wird noch niemand Dienst haben. Der Tag dient zum Kennenlernen der Kammeraden und der Wache. Die Wache wird erst morgen an die Leitstelle angeschlossen. Und doch bezweifle ich, dass die Zeit ausreichen wird, um genug Vertrauen innerhalb der Gruppe zufassen.

„Jonathan? Jonathan Stones?", ertönt es hinter mir. Irgendwie kommt mir diese tiefe Stimme bekannt vor und als ich mich umdrehe weiß ich auch wieder woher, umso überraschter bin ich ihn hier zu sehen. „Steven Anders?", ich sehe ihn ungläubig an und meine Mundwinkel wandern nach oben, weil ich erfreut bin ein bekanntes Gesicht zu sehen. Wir machen einen Handschlag und ich frage ihn: „Steve, was machst du hier? Du kommst doch vom anderen Ende des Landes?" Kurz huscht ein Schatten über sein Gesicht und seine Augen werden ganz dunkel, dann lächelt er wieder und er antwortet: „Ich brauch ein bisschen Abstand. Ein Neuanfang ist genau das, was ich jetzt brauche." Ein bisschen Abstand ist gut, seine letzte Wache ist über 1000km weit entfernt. Meiner Meinung nach ist er vor etwas geflohen. Es ist jetzt wohl aber kaum der passende Moment über eigene Dämonen und das Dunkle in einem zu sprechen, deswegen nicke ich ihm zu. Steve schaut sich im Raum um und betrachtet einige der Männer ehe er sich wieder mir zuwendet. „Und Nathan? Was hat dich dazu getrieben deine vielversprechende Karriere in Brinkham aufzugeben? Du bist doch der Superstar unserer Generation. Wieso willst du dir das hier antun? Ich denke mindestens die Hälfte ist nur halb so gut qualifiziert wie du und deine Kammeraden in Brinkham."

Die Bemerkung über den Superstar überhöre ich absichtlich. Ich bin doch kein Teenie-Schwarm! Außerdem gebe ich nicht gern mit meinem Ausbildungsniveau an, so selbstverliebt bin ich nicht. So antworte ich nur auf die Frage, was mich hierher verschlägt. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich habe Familie und Freunde hier und ich wollte wieder zurück." Manch einer denkt vielleicht, dass es mir schwer gefallen ist meine Position in Brinkham aufzugeben doch nach Erfolg und Ruhm lechze ich nicht. Natürlich möchte ich erfolgreich sein, in dem was ich tue, doch meiner Meinung nach ist Bescheidenheit an dieser Stelle angebrachter als Selbstlob und Überheblichkeit.

Steve und ich kennen uns von einer ABC-Einsatz Weiterbildung, die vor ungefähr anderthalb Jahren stattgefunden hat. Wir haben uns dort auf Anhieb gut verstanden und uns ein Zimmer geteilt. Er war einer von denen, die mit mir mithalten konnten, was äußerst selten vorkommt. Ich hoffe, dass er mit mir zusammen Schicht haben wird, dann wüsste ich zumindest von einem, dass ich ihm vertrauen kann.

Langsam füllt sich der Raum mehr und mehr, es müssten bestimmt schon über 35 Männer anwesend sein. Der Raum platzt beinahe aus allen Nähten, er wurde bestimmt nicht für solch eine Anzahl gebaut. Dann erscheint ein Mann in der Tür und er bahnt sich einen Weg durch die Menge, um zum Whiteboard an der Wand zu laufen. Er ist groß, breitschultrig und ohne ein Wort zu sagen, strahlt er eine Autorität aus, die größer nicht sein könnte. Weswegen alle Gespräche verstummen bis absolute Stille herrscht. Mir ist sofort klar wer es ist. Nur Chiefs haben diese Ausstrahlung. Er schaut ein wenig grimmig in die Runde und er scheint recht ruhig zu sein. Nur das Pochen seiner Aktenmappe gegen seinen Oberschenkel verrät, dass er doch nicht ganz so cool ist, wie er tut.

Inmitten... Teil 1 - Nathan & RiaWhere stories live. Discover now