Vergangenheit

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Mik

"Schaut her. Der Kleine sagt, dass er mich schlagen will. Ohhh, ich hab ja so eine Angst."
"Das Lachen wird dir jetzt vergehen!"
Er holte aus und ich hätte nicht rechtzeitig reagieren können um mich zu wehren. Doch plötzlich wurde er von hinten gepackt und von mir weggezogen.
"Verpiss dich."
"Was willst du, denn jetzt?"
"Das Gleiche könnte ich dich auch fragen. Was ist dein Scheiß Problem?"
"Er ist mein Problem!"
"Juckt hier aber keinen. Also verpiss dich und komm mit dem Problem alleine klar."
"Ihr seid doch behindert."
Kostas drehte sich zu mir um.
"Was war mit dem denn los?"
"Hab beim Einkaufen eine Wodkaflasche in seinen Einkaufwagen getan und ihn dann auffliegen lassen."
"Warum?"
"Gehörte zu meinem Plan. Deswegen steh ich auch vor deiner Hütte. Hab dir was mitgebracht."
"Da bin ich ja mal gespannt."
Kostas öffnete die Tür und ließ mich herein. Ich wühlte in meiner Hosentasche und gab ihm eine Schachtel Zigaretten.
"Nice, danke. Was schulde ich dir jetzt?"
Ich lächelte nur. "Nichts. Nimm es einfach an."
"Einfach so? Danke."
"Kein Problem. Du weißt jetzt ja wo man unauffällig rauchen kann."
Ich drehte mich wieder zur Tür und wollte gerade rausgehen, als er mich am Handgelenk festhielt. 
Sofort versteifte mein ganz Körper. Meine Haare stellten sich auf. Mein Puls schlug sofort höher. 

Er schubste mich gegen den Schrank, welcher dadurch zum Wackeln gebracht wurde. Ich rannte an ihm vorbei, doch er hielt mich am Handgelenk fest und drückte zu...

Ich löste mich sofort aus seinem Griff und stolperte ein paar Schritte zurück.
"Alles in Ordnung?", fragte Kostas besorgt.
"Ähm...J-Ja..."
"Du hast dein Feuerzeug fallen gelassen, als du die Schachtel rausgeholt hast."
"B-Behalt es. Ich hab noch welche."
Schnell lief ich aus der Hütte und drehte mich nicht mehr um. Scheiße. Alle Erinnerungen kamen zurück. Alle Gefühle kamen zurück. Ich muss es zurückhalten. Muss an was anderes denken. Ich kann das nicht wieder zu lassen. Wenn ich wieder rückfällig werde, werde ich es dieses mal nicht überleben können. Dieses Mal werde ich es beenden müssen.

(...)

Es war 22:30. Christian war noch bei Beni. Ich wollte nicht mit. Ich wollte nur allein sagen. Allein mit meinen Gedanken. Ich schaute auf meine Hände, welche leicht zitterten. Seine Stimme war wieder in meinem Kopf. Sie schrie mich an. So wie er es immer tat. Ich drehte meine Hände und sah eine Narbe an meinem Arm. Plötzlich war es, als würde die ganze Welt still stehen und ich würde in ein tiefes schwarzes Loch gezogen werden. In ein Loch der Vergangenheit.

"DU SCHLAMPE! KANNST DU, DENN NICHTS RICHTIG MACHEN?!"
"Ich kann doch nichts dafür, wenn du dich wieder volllaufen lässt!"
Was war, denn jetzt schon wieder das Problem von meinen Eltern? Können sie sich, denn auch einmal nicht streiten? Plötzlich hörte ich wie etwas in der Küche klirrte.
"JETZT HAB ICH SCHULD?!"
Was war denn mit meinem Vater plötzlich los? Ich eilte in die Küche und sah, dass mein Vater eine Bierflasche auf dem Tisch zerschlagen hatte und den spitzen Hals noch in der Hand hielt.
Er wollte doch nicht etwa damit auf Mom losgehen?
"Hör auf!", schrie ich und stellte mich vor meine Mutter.
"Was willst du?! Verpiss dich in dein Zimmer!"
"Damit du Mom damit umbringst?!"
"Was laberst du! Geh jetzt du Schwuchtel!"
Doch ich bewegte mich kein Stück. Das machte mein Vater wütend. Er packte mich am Arm und zog mich in mein Zimmer. Dort schubste er mich rein und plötzlich spürte ich einen brennenden Schmerz im Unterarm. Er knallte die Tür vor meiner Nase zu und schloss ab. Ich schaute auf meinen Unterarm und sah, dass es stark blutete. Mein Vater hatte mich mit der Bierflasche getroffen. Da ich in meinem Zimmer aber kein Verbandszeug hatte, musste ich einfach Taschentücher nehmen um die Blutung zu stillen.

Meine Hände zitterten noch mehr und ich spürte, wie der Schmerz in meinem Unterarm wieder kam. Als hätte mein Vater mich gerade eben erst mit der Bierflasche getroffen.

"DU SCHWUCHTEL!"
"UNDANBAKRES STÜCK!"
"DU BIST NICHT MEIN SOHN!"
"SCHWUCHTEL!"
"STÜCK SCHEIßE!"

Ich hielt mir die Ohren zu in der Hoffnung, dass er mich endlich in Ruhe ließ. Es fing wieder an. Alles wiederholte sich. Ich konnte so nicht weitermachen. Ich will nicht die gleiche Hölle nochmal durchleben. Ich will dass es aufhört. Für immer. Ich will den Schmerz nicht wieder spüren. Langsam stand ich auf und spürte erst jetzt wie wackelig ich auf den Beinen war. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und lief langsam weiter zur Vordertür. Als mir die kühle Nachtluft entgegen kam, wurde der Schmerz für einen kurzen Moment besser. Doch er kam auch sofort wieder. Ich lief weiter. Ich musste mit jemandem reden. Mit jemandem der mir zuhört. Bei dem ich mich sicher fühlte. Jemand der mich ernst nimmt.
Ohne zu klopfen öffnete ich die Tür der Hütte. Kostas schaute mich geschockt an.
"Ich brauch dich.", schluchzte ich unter Tränen.

Kostas

Max war schon früh in sein Zimmer gegangen, weswegen ich jetzt alleine hier saß und durch die verschiedenen Sender schaltete. Hoffnungslos. Es lief wie immer nur Scheiße. Plötzlich hörte ich wie die Tür geöffnet wurde. Verwundert drehte ich mich um und sah Mik. Er weinte? Scheiße, er sah total fertig aus. Sein Gesicht war blass und er hatte tiefe Augenringe.
"Ich brauch dich.", schluchzte er. 
Sofort stand ich auf und führte ihn zum Sofa.
"Was ist los?"
"Ich... Ich kann so nicht weitermachen. Ich hab Angst davor..."
"Hey, Mik. Ganz ruhig. Wovor hast du Angst?"
Ich sah, dass Miks Hände zitterten. Langsam legte ich meine Hand über seine um zu zeigen, dass er nicht alleine ist.
"Ich hab dir von meinen Eltern erzählt.", sagte er leise. "Seitdem habe ich so eine Art Flashbacks. Ich höre die Stimme von meinem Vater, immer wieder. Ich spüre den Schmerz den er mir angetan hat. Das Gleiche ist mir vor ein paar Jahren passiert. Ich hab mir Hilfe geholt, bei einem Psychologen. Er hat es geschafft, dass ich nicht mehr an den Schmerz denken muss. Doch jetzt ist er wieder da.... Ich kann das nicht mehr, Kostas. Beim letzten Mal da hätte ich mich fast... fast umgebracht."
Ich spürte wie mein Herz unter Schock kurz aussetzte. Ich wusste ja nicht, dass ihn das alles so mitnimmt.
"Ich hab Angst davor, dass ich es dieses mal wirklich mache. Dass ich mich wirklich umbringe."
Ich weiß nicht warum, aber plötzlich hatte ich das Gefühl Mik vor sich selbst beschützen zu müssen.
"Nein, Mik, du brauchst keine Angst haben. Du musst da nicht alleine durch. Wenn wir wieder zuhause sind, suchen wir dir einen Psychologen, welcher dir hilft. Ich kann auch mitkommen wenn du willst. Ich helfe dir, hörst du? Ich werde bei dir sein."
Ohne, dass Mik noch etwas erwiderte nahm ich ihn einfach in den Arm. Mik erwiderte die Umarmung sofort. Und ich merkte, dass er genauso sehr wie ich, so eine ehrliche Umarmung gebraucht hatte. 

Together we're strongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt