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Am nächsten Morgen wachte ich durch einen kalten Wind auf. Jungkook lag nicht mehr neben mir. Generell wirkte das ganze Zimmer merkwürdig kalt. Die Bilder an den Wänden waren weg, es stand keine Dekoration im Raum und die weißen Vorhänge flogen zum Teil ins Zimmer, da die Fenster offen waren. Fröstelnd stand ich auf, um mir neue Sachen aus dem Schrank zu nehmen. Komischerweise sah ich nichts weiteres, als einen einfachen weißen Pulli und eine weiße Hose, als ich die Türen öffnete. Ich wechselte meine Klamotten, machte mich fertig und ging runter. Am Küchentisch saßen alle Jungs zusammen und tuschelten über irgendwas. Als sie mich sahen, verstummten sie. „Guten Morgen", begrüßte ich alle und setzte mich neben Jungkook. Dieser wich ein Stück zurück und rutschte näher an Jin. „Ist alles gut bei euch? Ihr seid so still", fragte ich besorgt. Bis jetzt hatte keiner mit mir geredet oder mich in irgendeiner Art begrüßt. „Es ist alles gut", antwortete Namjoon monoton und stand auf. „Entschuldigt mich, ich werde nun gehen", somit ging er aus der Küche und wir saßen nur noch zu siebt am Tisch. „Das war seltsam", murmelte ich. „War es das? Was ist heutzutage schon seltsam? Ein anderes Aussehen? Ein anderes Auftreten? Kann man in dieser Gesellschaft denn überhaupt ‚normal' sein?", philosophierte Yoongi vor sich hin. „Was zum Teufel ist hier los? Hab ich irgendwas verpasst?", die ganze Situation wurde mir langsam unheimlich. „Nimm es uns nicht übel, aber wir denken, dass unsere Fans recht haben. Warum sollten sie etwas schlechtes für und wollen? Warum sollten sie absichtlich Leuten etwas böses antun, wenn wir sie doch mögen?", fragte Hoseok. „Was meinst du damit?", allmählich verstand ich gar nichts mehr. „Damit meint er, dass du doch nicht so eine scheinheilige Person bist, wie es vielleicht scheinst. Wir wollen nicht ausgenutzt werden. Dafür muss man eben Opfer bringen", erklärte Jimin. „Bitte?! Wir sind seit Jahren befreundet. Taehyung, sag doch was dazu! Wir sind miteinander aufgewachsen. Wir kennen uns in und auswendig", flehend sah ich zu meinem Cousin rüber. „Menschen verändern sich, warum nicht du? Wer sagt mir, dass du immer noch das süße kleine Mädchen bist, welches du damals warst? Die einzige Person, der man wirklich trauen kann, ist man selbst", er wendete sich von mir ab und verließ die Küche. Yoongi, Hoseok und Jimin taten es ihm gleich. So waren nur noch Jin, Jungkook und ich übrig. „Und, wollt ihr mir jetzt auch noch sagen, dass ich eine falsche Schlange bin?", keifte ich die beiden an. „Woher wissen wir, dass es nicht so ist?", stellte Jin eine Gegenfrage. „Vielleicht, weil wir beste Freunde sind?", ich sah ihn ungläubig an. „Manchmal ist es besser, andere Wege zu gehen. Dazu gehört auch, Menschen hinter sich zu lassen", auch er stand auf und ging. „So, was willst du mir jetzt noch sagen?", auffordernd sah ich zu Jungkook. „Deine äußerst unangebrachte Reaktion zeigt, wie es in dir drin aussieht. Wer will schon eine Freundin haben, die so hinterlistig und aggressiv ist? Vielleicht passen wir doch nicht so zusammen, wie ich es gedacht habe. Vielleicht bist du nicht die Person, für die ich dich einst hielt. Die schönen Erinnerungen werden durch ein getrübtes Scheinbild getäuscht. Langsam erkenne ich deine eigentliche Art", danach verließ er den Raum und ließ mich alleine zurück. Was war passiert, dass die Jungs so drauf waren? Ich erkannte sie nicht wieder. Es wirkte alles so surreal, wie ausgetauscht, nicht im richtigen Universum. Enttäuscht stand ich auf und ging nach oben. Ich nahm mein Handy, Kopfhörer und zog mir Schuhe an. Ich brauchte frische Luft. Als ich mein Handy anschaltete, kamen mir wieder unzählige Nachrichten entgegen: ‚Wie kann man nur so falsch sein?' ‚Schlampe' ‚Sind deine Eltern überhaupt stolz auf dich?' ‚Geh einfach sterben. Dich braucht eh niemand'
Ich versuchte die Kommentare so gut es ging zu ignorieren und ging meinen Weg weiter. Ich wusste nicht wohin, sondern ließ mich einfach treiben. Treiben, von der Musik, die in meine Ohren schallte. Von den gleichmäßigen Wellen, die mich entspannen ließen. Immerhin für diesen einen Augenblick, an dem ich kurz meinen Tag vergessen konnte. Ich kam in die Innenstadt, wo mir abwertende Blicke zugeworfen wurden. Menschen machten einen großen Bogen um mich, warfen mich mit Papier ab oder riefen mir Gemeinheiten zu. Ich ließ alles zu, gab es auf, mich zu wehren. Es sollte doch eh nichts helfen. Warum dann die Mühe, unnötig Energie zu verschwänden? Ich ging durch Gassen und um Ecken. Ein Mann kam zu mir und presste mich gegen die Wand. Ein Klatschen ertönte und meine Wange wurde warm. Jedoch spürte ich keinen Schmerz. Keine einzige Träne entkam meinem Auge. Der Mann ging weiter und ich setzte meinen Weg fort. Bis ich an einem kleinen Restaurant ankam. Einem, an dem Erinnerungen hochkamen. An Jungkook und mich, als wir glücklich miteinander zusammen aßen. An den freundlichen Kellner, der Jungkook's Bestellung schon längst auswendig konnte. Alles schien so nah und doch so unglaublich fern. Ich entschloss mich schließlich, einzutreten und mich auf eine Bank zu setzten. Dort blieb ich, bis meine Playlist schon zwei mal zu Ende war und die Sonne langsam unterging. Keiner kam zu mir, fragte nach meiner Bestellung oder beachtete mich auch nur. Es war, als wenn ich unsichtbar wäre. Ich stand auf und machte mich auf den Weg zum Dorm. Ich erhoffte mir nicht allzu viel. Keine herzliche Umarmung, keinen Kuss, nichtmal ein Wort. Ich wollte einfach in mein Zimmer. Es war Herbst, der Wind nahm zu, die Temperatur hingegen ab. Ohne warme Kleidung nur schwer auszuhalten und ich hatte immer noch nur einen Pulli an. Der Weg erschien mir ewig. Meine Füße taten weh, meine Knöchel waren rot und rau vor Kälte. Als ich endlich ankam, klingelte ich. Keiner machte auf. Ich wartete noch etwas, bevor ich wieder klingelte. Doch auch dann passierte nichts. Drinnen sah ich die Jungs, wie sie beisammen waren, lachten und Spiele spielten. Mir fiel der Ersatzschlüssel hinter einem der Ziegelsteinen ein. Ich zählte die Steine ab und zog anschließend den Richtigen raus. Erleichtert, dass er wirklich da war, ging ich zur Tür und steckte ihn ins Schloss. Doch egal wie viel ich drehte, das Schloss sprang nicht auf. Auch in die andere Richtung passierte nichts. Ich kam nicht rein. Der Ersatzschlüssel, auf den wir so oft zurückgreifen mussten, passte nicht mehr. Langsam wurde es mir zu viel. Ich setzte mich auf die Treppe und verbarg meinen Kopf in meinen Armen. Meine Augen wurden feucht und bald darauf fing ich an zu weinen. Nicht nur ein wenig. Nein, ich heulte mir meine Seele aus dem Leib. Was war bloß falsch gelaufen?

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Euphoria- jjkWhere stories live. Discover now