Kapitel 2 - Von heißen Königinnen und fliegenden Steinen

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Mit einem dumpfen Aufprall sank der Captain der Hela zu Boden und ich steckte meine beiden Dolche zurück ins Holster am Rückenstück meines Gürtels.
Dann schlich ich weiter zur Treppe, die unter Deck führte und kam sofort in den Laderaum voller Käfige mit ängstlichen Drachen.
Da war ein Tödlicher Nadder, zwei Gronckel, ein Riesenhafter Alptraum und ein Regenschneider.

Langsam näherte ich mich dem olivgrünen Nadder, der im ersten Käfig rechts im Gang hockte.
Von oben aus hatte ich die Drachen noch knurren gehört, aber jetzt hatten sie sich alle beruhigt. Ich wusste zwar noch nicht wieso, aber die Wirkung hatte ich auf viele Drachen.

Da stand ich also; die Hand durch die Gitterstäbe steckend und auf eine Reaktion des Naddermännchens wartend.
Er schnupperte erst an meiner Hand, dann gab er eine Art Schnurren von sich und legte seine Schnauze an meine Hand.
»Na also«, murmelte ich lächelnd. »Wie wollen wir dich denn nennen?«
Der Nadder legte seinen Kopf schief und krächzte leise. »Wie wär's mit Auro? Wegen Wind und Latein und so?«
Der Nadder krächzte erneut und warf seinen Kopf in den Nacken. »Das nehm ich mal als Ja«, lachte ich leise. »Dann holen wir euch mal hier raus«, murmelte ich und holte den Schlüssel zu den Käfigen, den ich dem Captain abgenommen hatte, aus der kleinen Ledertasche an der rechten Seite meines Gürtels.

Ich eilte ans Ende des kurzen Ganges und schloss zuerst den Käfig des Regenschneiders auf.
Ich legte meinen Zeigefinger auf die Lippen, um den Drachen zu bedeuten, leise zu sein, was sie auch verstanden. Der Regenschneider sah mich aus klugen Augen an und wartete brav in seinem Käfig mit offener Tür.
Als nächstes schloss ich die Türen der Gronckel auf, die auch noch warteten. Dann kam der Alptraum, der dasselbe tat. Zuletzt kam ich wieder zu Auro, der sofort aus seinem Käfig trat und leise die Treppe hochhüpfte, gefolgt von dem Rest.

Kaum waren wir über Deck, flatterten die Gronckel schon davon, dicht gefolgt vom Alptraum und dem Regenschneider.
Auro sah ihnen nach, drehte seinen Kopf aber erwartungsvoll zu mir.
Für einen Moment überlegte ich, ob ich nicht doch besser hier bleiben sollte, um den Feind auszuspionieren.

»Hey! Die Drachen fliehen! Jemand hat die Drachen freigelassen!«, hörte ich eine raue Stimme schreien.
Panisch drehte ich mich zur Quelle der Stimme um und entdeckte den Captain der Nyx weiter weg. Chaos breitete sich unter der Flotte aus, etliche Drachenjäger wachten von den Schreien auf und sammelten sich an Deck der Schiffe.
Hektisch huschte mein Blick weiter zum Flaggschiff und ich entdeckte sofort Reiker und Viggo. Der ältere der beiden rief wahllos irgendwelche Beleidigungen quer über die Schiffe hinweg, während ich aus der Ferne einen ziemlich verdatterten Viggo ausmachen konnte.
Ich hörte, wie Auro hinter mir laut krächzte und endlich konnte ich mich aus dem Moment reißen.
Schnell drehte ich mich zu dem Nadder, hüpfte über sein Bein auf seinen Rücken und kaum saß ich, stieß er sich mit voller Kraft vom Holzdeck ab, wodurch das kleine Schiff unter uns versank und wir die Flotte der Drachenjäger hinter uns ließen.
Ich konnte gerade noch meinen Mittelfinger ausstrecken, ehe wir zu weit weg waren, um ihn zu erkennen. Ich hätte wirklich zu gerne Viggos Gesicht gesehen, wendete mich aber endlich dem Horizont zu und legte meine Hände auf die trockenen Drachenschuppen.
»Bring uns hier weg, Kleiner«, sagte ich erleichtert und atmete erstmal tief durch.

Zehn Jahre war es her, seit ich das letzte Mal auf einem Drachen gesessen hatte. Zehn Jahre war es her, seit ich das letzte Mal wirklich frei gewesen war.

Von der ganzen Aufregung schlief ich irgendwie einfach ein und so bestimmte Auro den Weg.





*




Das erste, was ich hörte, als ich aufwachte, war ein lautes Räuspern.
Ich öffnete meine Augen noch nicht, sondern drehte mich auf die andere Seite.
»Noch fünf Minuten«, murmelte ich verschlafen.
Das Räuspern wurde noch lauter.
»Dann halt nicht«, meinte ich, öffnete endlich die Augen und erschrak. Ich lag mit dem Kopf Richtung eines Brombeerbusches auf der Wiese.
Es räusperte sich erneut jemand, diesmal noch lauter und energischer als zuvor.
Endlich kam ich auf die Idee, mich umzudrehen und aufzustehen und entdeckte eine Frau in komplett schwarzem Anzug mit schwarzer Kapuze und Maske.
»Ähm«, machte ich verwirrt.
»Wer bist du und warum bist du in unser Herrschaftsgebiet eingedrungen?«, fragte die Frau mit strenger Stimme und richtete jetzt einen Speer auf mich.
Reflexartig hob ich beide Hände und sah mich verwirrt um. Offenbar waren wir hier in einem Wald oder eher auf der Lichtung eines Waldes. »Ich bin Halla und ich hab keine Ahnung, warum ich hier bin. Der Drache hat das steuern übernommen.«, mit diesen Worten zeigte ich nach hinten, doch Auro war nicht da.
Die Frau zog grimmig ihre Augenbrauen zusammen und packte den Speer fester.
»Ich schwöre, ich bin nicht verrückt. Da war ein Nadder und der hat mich hergebracht.«
Ich streckte meine Hände noch weiter in die Luft. »Meine Königin wird entscheiden, was mit dir passiert.«, sagte die Maskierte und scheuchte mich mit ihrem Speer vor sich her.
Zügig ging ich vor der Verrückten her, um nicht einfach so in den Arsch gepikst zu werden.

»Also, wo genau sind wir hier?«, fragte ich, als wir den Wald gerade verlassen hatten. Darauf bekam ich dann doch einen kleinen Pikser in den Arsch. »Au! Darf man hier nichtmal Fragen stellen?«, beschwerte ich mich.
»Nein«, antwortete die genervte Frauenstimme. »Du weißt schon, dass ich Dolche hab und dich einfach töten könnte? Mach ich aber nicht, weil ich unschuldig bin. Was auch immer du mir vorwirfst..«
Darauf ertönte ein genervtes Schnauben.
»Das ist die Vulkaninsel, wenn du es unbedingt wissen musst.«
»Sehr kreativ«, kommentierte ich sarkastisch. »Ruhe!«, wurde ich sofort wieder angemeckert.
»Ist ja schon gut, ich bin ruhig«, meinte ich und verdrehte die Augen.

Nach ein paar Minuten waren wir endlich am Ziel angekommen. Wir wurden von einer Reihe Wachen oder Soldaten begrüßt, die alle gleich wie meine Entführerin gekleidet waren.
Ich wurde den Gang entlang gescheucht, den die Typen bildeten und schließlich am Ende vor einem kleinen Plato auf die Knie gezwungen.
Ich kniete also vor einem steinernen Thron, auf dem eine junge Frau in schwarz-goldener Kleidung und kurzen Haaren saß. Und sie war hot.
»Ich habe sie gefunden, wie sie in unserem Wald herumgeschnüffelt hat, meine Königin. Sie sagt, ihr Name sei Halla.«, sagte meine Entführerin und trat endlich zur Seite.
»Was hast du auf unserer Insel zu suchen, Halla?«, sprach die Frau, die offensichtlich Königin war.
»Ich hab's der Wache schon erklärt. Ich war mit nem Nadder unterwegs und bin dann hier aufgewacht. Und ich habe nicht geschnüffelt!«, den letzten Satz zischte ich in Richtung meiner Entführerin.
Kaum hatte ich ausgesprochen, ging ein erschrockenes Raunen durch die Menge.
»Und was genau verstehst du unter "mit einem Nadder unterwegs"?«
»Naja, ich hab ihn von nem Schiff der Drachenjäger befreit und dann hat er mich auf seinem Rücken mitgenommen.«, erläuterte ich. »Warum interessiert Euch das überhaupt—ähm.. Eure Majestät..?«
»Wir sind die Beschützer des Flügels und du hast.. Einen Moment. Was hast du da um deinen Hals?«, beim letzten Satz wurde die Stimme der Königin etwas weniger bestimmend.
»Ähm—das hab ich von meiner Mutter«, antwortete ich etwas verwirrt und umschloss reflexartig die Perle, die an meinem Halsband hing, mit Daumen und Zeigefinger.

Langsam erhob die Dame sich und kam näher auf mich zu.
»Erhebe dich«, befahl sie. Ich stand auf und nahm meine Finger wieder von der Kette.
»Das ist unmöglich..«, hauchte die Königin.
»Was?«, fragte ich verwirrt, denn ich hatte absolut keine Ahnung, was sie meinte.
»Diese Perle. Weißt du denn nicht, welche Kraft sie in sich birgt?«
»Nö. Nö, nicht direkt«, antwortete ich. »Ich hab nicht wirklich viele Erinnerungen daran, wie ich sie bekommen hab. Ich weiß nur, dass meine Mutter sie mir gab.«
Für einen Moment starrte sie mich ungläubig an, dann erklärte sie endlich: »Wenn ein Drache eine Glücksträne vergießt—was nicht sehr oft vorkommt—, und wenn diese vereist wird, so entsteht etwas, das wir Drachenperle nennen. Beinahe sämtliche Drachen können die beruhigende Kraft dieser Perle spüren und vertrauen dem Träger eines solchen Schmuckstücks in der Regel recht schnell. Unter den treusten Drachenfreunden gibt es kaum welche, die eine solche Perle besitzen. Sie trägt nur jemand, der eine ganz besondere Verbindung mit einem Drachen hat—selbst dann ist es selten. Aber wenn deine Mutter eine solche Person gewesen ist, so muss ich dir vertrauen.«

»Whoa«, bekam ich nur heraus.
»Die Wahrheit ist, dass wir den Nadder vor dir gefunden haben und ihn hergebracht haben. Er schien verletzt und seine Narben werden in diesem Augenblick behandelt. Das ergibt Sinn, wo du ihn wohl aus den Fängen von Drachenjägern befreit hast. So hat er dich wohl tatsächlich freiwillig getragen und ich gebe dir meinen Segen, weiterzufliegen.«
»D-danke«, brachte ich nur heraus. Ich stand noch immer ziemlich verdattert da und konnte kaum fassen, was die Königin mir gerade über meinen Anhänger erzählt hatte.
»Also. Willkommen bei den Beschützern des Flügels. Ich bin Königin Mala. Du kannst dich gern hier ausruhen so lang du möchtest.«
Ich senkte noch einmal dankbar meinen Kopf.
»Trok wird dich zu dem Nadder führen.«, sprach Mala.



*



»Hier ist es. Nebenan ist eine freie Hütte, in der Ihr Euch ausruhen könnt. Ruft, wenn Ihr noch etwas benötigt.«, mit diesen Worten verabschiedete sich der Trok-Kerl und machte sich auf den Weg zurück zu seiner Königin.

Das Bild, das sich vor mir abspielte, brachte mich sofort zum grinsen. Auro lag auf dem Rücken und ließ sich von drei Maskierten den Bauch kraulen. Ein vierter schmierte eine Art Kräuterpaste auf die Wunden an seinem Hals und der Brust, die von den Drachenjägern stammten.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie etwas großes, graues in meine Richtung zustürzte. Ich sah noch, wie die Leute plötzlich hektisch umher liefen und ihre Waffen zogen, dann war ein lauter Knall zu hören, ich wurde durch die Luft geschleudert und mir wurde schwarz vor Augen.

How to Train your Light FuryWhere stories live. Discover now