Kapitel 20: Kai

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Dass ich jetzt - Dienstagabend um 18:00 Uhr - eine Sondersitzung bei Sensei Garmadon hatte, hatte ich wohl einzig und allein Sensei Iroh zu verdanken, der der Meinung war, dass ich absolut unfähig im Bändigen meines Elementes war. 

Als ich vor der Trainingshalle stand, atmete ich noch ein paar Mal tief ein und aus, ehe ich es wagte zu klopfen. Warum nur war ich so nervös? 

Ich öffnete die Tür zum abgedunkelten Trainingsraum und sah mich kurz um, bevor ich sie wieder hinter mir schloss. Der Raum war, wie ich ihn in Erinnerung hatte, ziemlich groß, die Trainingsausrüstung war jedoch nirgends zu sehen. Das einzige im Raum war eine kleine, unbeleuchtete Kerze in der Mitte.

Sensei Garmadon selbst saß mit gekreuzten Beinen gegenüber der Kerze und beobachtete mich mit stechenden Augen. Er passte die Position der Kerze ganz leicht an und drehte sie so, dass alles in Ordnung aussah. Seinen Blick hielt er streng, auch als ich den Gürtel meiner Robe etwas fester zog. 

,,Dies ist eine Trainingseinheit, keine Modenschau", sagte Garmadon. ,,Hören Sie auf Ihre Kleidung anzupassen und setzen Sie sich."

Ich nickte, schluckte und setzte mich ihm gegenüber auf die andere Seite der Kerze. Noch nervöser als vorhin faltete ich die Hände in meinem Schoss und zwang mich dazu ihn anzusehen. ,,Ähm, danke, dass Sie mir diese private Trainingseinheit geben wollen, aber ich denke, dass ich das auch so hinbekommen hätte."

,,Ich denke nicht", antwortete er, nachdem ich verstummt war. ,,Es fehlt Ihnen an Konzentration und Disziplin, zudem haben Sie Ihr Element weiterhin noch nicht akzeptiert. Darum wird es in dieser Trainingseinheit gehen."

Ich widerstand dem Drang mit den Augen zu rollen. Der ließ nicht mit sich reden, verdammt. ,,Und diese Trainingseinheit beinhaltet jetzt das Anstarren von Kerzen?"

,,In gewisser Weise ja." Er bedeutete mir, leicht vorwärts zu rutschen, bevor er seine Erklärung fortsetzte. ,,In dieser Sitzung besteht Ihre Aufgabe darin, die Kerze anzuzünden und zu verhindern, dass sie erlischt oder instabil wird."

,,Das wäre die einfachste Aufgabe der Welt, könnte ich Feuer bändigen", spottete ich. Ein Schlag auf den Kopf von Garmadons Stab ließ mich aufschreien. Wütend rieb ich mir die stetig wachsende Beule. ,,Ja, der Schmerz wird mir definitiv dabei helfen, mich zu konzentrieren . . . "

Er runzelte die Stirn. ,,Sie sind jetzt ein Ninja. In Zukunft werden Sie mehr als nur eine Beule erleiden." Dann seufzte er. ,,Sie betrachten das Feuer als Ihren Feind. Mögen Sie mir erzählen, weshalb dem so ist?"

Zögernd kaute ich auf meiner Unterlippe herum. ,,Die blaue Nacht."

,,Sie sind nicht der Einzige, der Opfer ihrer blauen Flammen wurde." Er hielt kurz inne, sein Blick bohrte sich tief in mich hinein. ,,Ein Mitglied Ihrer Familie?"

,,Ja", murmelte ich und senkte den Blick. ,,Mein Vater."

,,Waren Sie auch in den Flammen?"

,,Ja. Doch ich konnte nichts tun. Er ist vor meinen Augen verbrannt, während ich Nya in meinen Armen hatte um sie zu beschützen."

Sein Gesichtsausdruck bekam etwas Seltsames. ,,Vielleicht haben Sie es Ihrem Feuerelement zu verdanken, dass Sie noch am Leben sind." Da ich darauf nichts zu erwidern hatte, redete er weiter. ,,Hören Sie auf es als Ihren Feind zu betrachten. Es war nicht Ihr Element, dass Sie Ihrem Vater beraubt hat. Stattdessen hat es Ihnen und Ihrer Schwester das Leben gerettet. So wie ich das sehe, müssten Sie es vielmehr schätzen. Machen Sie aus Ihrem Feind einen Freund."

,,Dieses Zitat haben Sie doch von Sensei Wu."

,,Es ist egal, wo ich es herhabe, solange es seinen Zweck erfüllt." Sein Blick wurde strenger. ,,Wie auch immer, konzentrieren Sie sich jetzt darauf die Kerze anzuzünden. Eine kleine Flamme von geringer Intensität reicht. Danach müssen Sie das Feuer so lange wie möglich durch Meditation auf dem Docht brennen lassen."

,,Und Sie denken ernsthaft, dass ich wie aus dem Nichts eben mal so eine Kerze anzünden kann?"

,,Ja. Vertrauen Sie auf Ihre Fähigkeiten. Sie stecken in Ihnen, Sie müssen Sie lediglich erwecken."

Das Ganze war leichter gesagt als getan. Ich holte tief Luft und konzentrierte mich auf die Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger. Dies hatte ich auch schon während des Trainings getan, doch passiert war nie etwas. Jetzt jedoch . . . breitete sich eine angenehme Wärme an dieser Stelle aus. 

Irgendwie hatten Sensei Garmadons Worte Wirkung gezeigt. Ich hielt meine Finger nahe an den Kerzendocht, die Wärme schlug in Hitze um und leichter Rauch stieg auf. Und dann brannte sie endlich. 

Mit rasendem Herzen lehnte ich mich zurück, kreuzte die Beine, die Hände auf den Knien und richtete meinen Blick auf die kleine Flamme. Ich beobachtete, wie sie vom wilden Tanzen zum Stillstand überging. Der Sensei sagte nichts, jedoch sah ich durch meine periphere Sicht, dass er nickte und die Augen schloss. 

Vielleicht war die Aufgabe doch kein Ding der Unmöglichkeit. Ich blieb still sitzen und wartete. Die Flamme tanzte leicht vor sich hin. Früher hatte ich Feuer immer mit dem Tod verbunden, doch dieses erste Mal spürte ich seine Wärme und erkannte, dass es auch Leben war.

Doch nach einiger Zeit begann ich mich zu langweilen und ließ meinen Blick durch den Raum wandern. Das orangefarbene Leuchten des Feuers beleuchtete den gesamten Raum, das Licht tanzte an den Wänden entlang und erzeugte mit den Schatten bewegte Bilder. Es war kein Geräusch zu hören, mit Ausnahme von meiner und Garmadons stetiger Atmung. Da bemerkte ich, wie unangenehm eng der Gürtel um meine Taille war, widersetzte mich jedoch dem Drang, ihn anzupassen.

Stattdessen konzentrierte ich mich auf Garmadon. Irgendetwas faszinierte mich an ihm, aber ich konnte beim besten Willen nicht sagen, was es war. 

,,Sie konzentrieren sich nicht", sagte er plötzlich und brachte mich aus meiner Trance. 

Ich räusperte mich und starrte wieder auf die Flamme. Dabei bemerkte ich, dass der Docht viel kleiner war als zuvor. Diesmal versuchte ich mich stärker zu konzentrieren, aber meine Gedanken wanderten immer zurück zu Garmadon. Ganz leicht richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Gesicht des Senseis. Sein graues Haar schien im Schein des Kerzenlichts fast silbrig zu sein.

,,Kai."

Wieder konzentrierte ich mich auf die Flamme. Doch schon schnell glitt mein Blick an ihr vorbei und starrte ins Leere. Er hatte mich gerade das erste Mal beim Vornamen genannt. Diese Tatsache beschäftigte mich mehr als sie hätte tun sollen. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich erst bemerkte, dass Garmadon aufgestanden war, als sein Bambusstab erneut auf meinem Kopf landete. 

,,Muss ich mich erst hinter Sie setzen und Ihren Kopf festhalten, damit Sie sich konzentrieren können?", fragte er und starrte auf mich hinunter.

Ich war müde von dem pochendem Schmerz auf meinem Kopf, starrte ihn jedoch ebenfalls an. ,,Wenn Sie der Meinung sind, dass es hilfreich ist, dann bitte."

Es war eigentlich nur sarkastisch gemeint, doch Garmadon nahm es wörtlich. Mit dem Bambusstab stupste er mich an die Seite, damit ich mich aufrichtete. Er selbst kniete sich hinter mich. 

,,Zünden Sie die Kerze wieder an."

Ich verdrehte die Augen und tat, was mir gesagt wurde. Zu meiner Überraschung klappte es diesmal sofort. Nachdem die Flamme wieder tanzte, kehrte ich in die Position mit gekreuzten Beinen zurück, in der ich mich zuvor befand. Diesmal jedoch, als ich auf die Flamme starrte, spürte ich, wie Garmadons Hände beide Seiten meines Kopfes ergriffen. 

Am liebsten hätte ich geschrien. Doch da ich ihm schutzlos ausgeliefert war und auch meinen Kopf nicht mehr bewegen konnte, konzentrierte ich mich auf den Kerzendocht. 

Einige Minuten vergingen und die Ränder meines Sichtfeldes verschwammen so, dass die Flamme das Einzige war, was ich sah. Sie brannte stetig und schwankte nicht so wie zuvor, als ich mich ablenken ließ. Ich versuchte nicht daran zu denken, wie nahe Garmadon hinter mir saß; bei dem Gedanken spürte ich, wie sich mein Gesicht erhitzte.

Nach einer Weile stand Garmadon auf und blies die Kerze aus. Dann hob er den Bambusstab und bedeutete mir, ebenfalls aufzustehen. 

,,Sie haben sich für diese Sitzung gut geschlagen", kommentierte er. ,,Morgen um die gleiche Zeit wiederholen wir das. Vielleicht muss ich mich dann nicht hinter Sie setzen."

Ninjago: Blaue FlammenWhere stories live. Discover now