Fürsorge eines Detektivs

195 11 11
                                    


Mein Beruf...machte mir nicht immer Spaß. 

Ärzte waren nicht immer nur die freundlichen Helfer, denen Dank gebührte. 

Häufig waren wir auch Überbringer schlechter Nachrichten, Opfer von Wutanfällen oder heftigen Reaktionen der Verwandtschaft. 

Sündenböcke.

Natürlich liebte ich meine Profession trotz alledem...aber an manchen Tagen wünschte ich mir doch, meine Wahl wäre auf eine andere Beschäftigung gefallen...


Ich war komplett durchgefroren, als ich an diesem Abend endlich vor meiner Haustür stand. Seit geraumer Zeit herrschten Minusgrade und ich hatte einige Hausbesuche durchzuführen, da viele Menschen zu dieser unbarmherzigen Jahreszeit krank wurden. Leider...litten nicht alle meine Patienten an etwas harmlosen wie einer simplen Erkältung...

Ich war nicht gerade in Hochstimmung...doch das änderte sich schnell beim Betreten unseres Wohnzimmers. Es roch nach Tee und Chemie, nach Kaminfeuer und Tabak, nach Trost und Wärme. Nach zu Hause... 

"John!" Holmes blickte von der Abendzeitung auf und legte sie beiseite; sein Lächeln war wie Balsam für meine müden Knochen. Der Wunsch, mich sofort an ihn zu lehnen und mein Gesicht in seinem Tagesmantel zu verbergen, mich dort zu verkriechen und gierig seinen Duft aufzunehmen überfiel mich, doch ich widerstand dieser verführerischen Vorstellung und legte zunächst Mantel, Hut und Arzttasche ab. Der Ausdruck auf Holmes' Gesicht wandelte sich zu Sorge wie er mich von unserem Divan aus musterte. Eine der Vorteile an einem Zusammenleben mit Holmes war, dass ich ihn in Situationen wie diesen nichts erläutern musste. Er konnte an jeder kleinen Falte in meinem Gesicht ablesen, was heute vorgefallen war...

"Oje, musstest du mal wieder Sündenbock spielen?" Meine Kraft reichte lediglich für ein kurzes Nicken, ehe ich mich erschöpft neben ihn fallen ließ. Bevor ich mich wehren oder gar reagieren konnte, hatte er mich in eine seiner vielen Decken gehüllt, so dass ich mich kaum rühren konnte...aber ich hatte sowieso nicht vor,  mich heute noch viel zu bewegen. 

"Du must ganz verfroren sein! Soll ich uns ein schönes, heißes Bad machen? Es steht schon alles bereit..."

"Danke, nein. Das ist lieb von dir, aber...ich bin grade nicht in der Stimmung dafür... Ich will nur ein wenig ausspannen..." Eine seiner Hände fuhr durch mein Haar.

"Schon gut, ruh dich aus und versuche ein wenig zu schlafen oder an etwas anderes zu denken. Ich bin für dich da, wenn du reden willst."

"Weiß ich doch..."

Es waren kleine Gesten wie diese, die Holmes zu einem unfassbar liebevollen Menschen werden ließen. Ohne große Worte ließ er mich wissen, dass ich mich auf ihn verlassen konnte. 


Der Detektiv begann, leise ein Lied anzustimmen. Seine Stimme war zurückhaltend, als würde er nur leise vor sich hinsummen. Ich spürte die Vibration seiner Stimme, als ich meinen Kopf auf seinem Brustkorb ablegte. Sein Herzschlag in meinen Ohren und die sanfte Melodie verschmolzen zu einem wohltuenden Schlaflied und ich döste tatsächlich einige Minuten weg, eingehüllt in seine Wärme und seinen Klang. 

Einige Zeit verweilten wir auf diese Weise, bis ich mich schließlich aufrichtete und ihn verschlafen anlächelte; ein Kuss landete auf seiner Wange.

"Möchtest du jetzt reden?" Ein erneutes Nicken meinerseits.

"Erinnerst du dich an das kleine Mädchen, von dem ich dir vor einiger Zeit erzählt habe?" 

"Das Mädchen, das so schlimm an Tuberkulose erkrankt ist?" Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen schien er zu erahnen, was als nächstes kam, dennoch ließ er mich weitererzählen. 

Holmes/Watson OneShotsWhere stories live. Discover now