04 Lukas

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Damn. Sie hatte keine Ahnung, dachte ich und sah ihr hinterher, bis sie unter all den anderen Menschen verschwunden war. Sie war unglaublich heiß. Doch das wusste sie nicht. Sie versteckte sich. Sie war ganz anders, als ich sie in Erinnerung hatte. Schüchtern, beinahe ängstlich. Okay, klar, sie hatte nicht mit meinem plötzlichen Auftauchen gerechnet – aber ich doch auch nicht! Vor gerade einmal vier Wochen hatte ich noch in meiner kleinen Wohnung in Connecticut gewohnt, meine Kurse gemacht und mir meine Zukunft in Amerika ausgemalt. Und dann war mein Leben über mir zusammengestürzt wie ein Kartenhaus. Ich war nicht hier, um Jan zu besuchen. Ich war hier, um neu anzufangen. Jan riss mich aus meinen Gedanken und hielt mir einen Joint hin. Den Letzten hatte ich tatsächlich auf meiner Abschiedsparty geraucht. Ich hätte mir definitiv nicht leisten können, wegen Drogenkonsum in Amerika verhaftet zu werden. Aber jetzt war ich wieder hier und im Grunde war mir alles scheißegal. Ich nahm einen tiefen Zug.
„Josie has grown up", sagte ich zu ihm. Es fiel mir schwer, mich nach vier Jahren, in denen ich ausschließlich Englisch gesprochen hatte, wieder an die deutsche Sprache zu gewöhnen. Ich verstand alles, aber wenn ich redete, sprudelten die Wörter in Englisch heraus. Das musste ich mir schnell abgewöhnen.
Jan zuckte mit den Schultern.
„Ein bisschen zu sehr." Ich fragte ihn, ob ihre Freundin Lia, dieselbe war, die damals, kurz bevor ich geflogen war, bei Noah gewohnt hatte. Jan nickte und erzählte mir, dass Noah mit Josies Freund in einer WG wohnte, während Lia erst bei Josie gewohnt hatte und nun mit ihrem Freund zusammenwohnte. Obwohl es mich wirklich nicht interessieren sollte, störte es mich, dass Josie vergeben war. Aber was hatte ich erwartet? Mir war klar gewesen, dass sie nicht hier rumsitzen und ihr Leben lang darauf warten würde, ob ich zurück käme. Mit Sicherheit nicht nach nur einem Kuss. „And", begann ich vorsichtig.
„Wie ist ihr Freund so? Nice Guy?" Jan schnaubte. „Wenn du mich fragst, ist der Kerl ein Arschloch. Aber für Josie ... na ja, sie tut alles, was der Typ von ihr verlangt."
Er drehte sich um und wandte sich einen Freund zu, den ich nicht kannte. Für ihn war das Thema Josie erledigt. Für mich nicht. Mir war nicht entgangen, dass sie unglücklich war. Der enttäuschte Blick auf ihr Handy, die Resignation in ihrem Gesicht. Jan versuchte, mich mit in das Gespräch mit seinen Freunden einzubinden, doch sie kannten mich nicht und ich kannte sie nicht. Es war schwierig. Ich konnte auch nachvollziehen, dass sie mich seltsam ansahen und sich fragten, wo der Typ auf einmal herkam, den Jan als sein bester Freund vorstellte. Ellie – Jans Freundin – hingegen, hatte mich sofort mit offenen Armen empfangen. Ich wusste, dass sie sich ein paar Monate nach meiner Abreise vor einem Club kennen gelernt hatten, und freute mich wahnsinnig für Jan, dass er eine so liebevolle Freundin hatte. Sie gesellte sich gerade zu der kleinen Gruppe, bei der ich stand und lächelte mich aufmunternd an. Ich wusste nicht besonders viel über sie, nur, dass ihre Familie mit Immobilienhandel reich geworden war. Wie ich von Jan gehört hatte, brauchte Ellie sich keine Gedanken über Geld machen, ganz im Gegenteil zu ihm. Neben dem Studium hatte er noch einen Nebenjob und ohne die Unterstützung seiner Eltern würde er sich nicht einmal die Einzimmerwohnung, in der er lebte, leisten können.
Ich nahm einen weiteren Zug von dem Joint und reichte ihn dann an Jan zurück. Ellie strafte ihn mit einem Blick und kam dann auf mich zu.
„Er hat ihn mir gegeben", sagte ich und hob abwehrend die Hände in die Luft.
Sie schnaubte leise. „Schon gut. Ist ja sein Geburtstag. Du siehst müde aus, alles okay?"
Ich nickte stumm. Der Jetlag machte mir zu schaffen. Am liebsten hätte ich mich in Jans Wohnung auf die Matratze gelegt und einfach den ganzen Tag geschlafen. Doch ich musste mich zusammen reißen und wach bleiben, sonst würde ich nie in den richtigen Rhythmus kommen. „Die Matratze bei Jan ist nicht sonderlich bequem, oder?", fragte sie mitleidig.
„Not really." Ich hatte Rückenschmerzen und freute mich wahnsinnig darauf, wieder in einem normalen Bett zu schlafen, sobald ich eine Wohnung gefunden hatte.
„Hast du schon nach Wohnungen gesucht?", fragte sie interessiert.
„Jan wants to ..." Ich räusperte mich. „Äh ... Jan möchte Josie fragen, ob ich das freie Zimmer bei ihr erstmal nehmen kann."
„Das ist doch eine gute Idee", erwiderte sie. „Josie kann die Unterstützung mit der Miete bestimmt gut gebrauchen."
Ja, das hatte Jan auch gesagt.
Ich war mir nur nicht sicher, ob es eine gute Idee wäre, wenn Josie und ich unter einem Dach wohnen würden.

Verlieb dich nichtWhere stories live. Discover now