11 Josie

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Mit trockenem Hals und pochenden Kopfschmerzen schreckte ich aus dem Schlaf hoch. Der erste vernünftige Gedanke, den ich fasste, galt Max und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als ich an letzte Nacht dachte.
Es war mir so peinlich vor Lukas gewesen, dass ich krächzend erklärt hatte, ich würde ins Bett gehen.
Ich wälzte mich von einer Seite auf die andere. Durch die halbgeöffneten Rollläden sah ich, dass es dämmerte.
Mit einer Hand tastete ich neben dem Bett nach der Wasserflasche, doch als ich sie fand, stellte ich fest, dass sie leer war. Kaffee wäre vielleicht besser als Wasser.
Seufzend stand ich auf. Die Nacht war für mich vorbei. Zu meiner Überraschung brannte Licht in der Küche.
Gedämpfte Stimmen und das sonore Brummen der Mikrowelle drangen an mein Ohr. Ich warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass es erst kurz vor fünf war. Besonders viel Schlaf hatte ich diese Nacht nicht bekommen.
War Lukas schon wach?
Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr. Er stand, mit dem Rücken zu mir, vor der Mikrowelle, während über den Bildschirm im Wohnzimmer beinahe lautlos ein Basketballspiel flimmerte. Er trug Boxershorts, ein schwarzes T-Shirt und war barfuß.
„Guten Morgen", sagte ich leise.
Er drehte sich zu mir um und blinzelte. „Ist die Kaffeemaschine schon an?"
Die alte Kaffeemaschine, die ich mir auf dem Flohmarkt gekauft hatte, blinkte jedoch nicht.
Wie auf ein Signal hin, ertönte der Piepton der Mikrowelle, und ich beobachtete wie Lukas eine große Tasse herausnahm und mit einem Löffel darin rührte.
Ich musste an Weihnachten denken, als der Duft von Schokolade und Zimt an meine Nase drang.
„Konntest du nicht mehr schlafen?", fragte ich. Er schüttelte den Kopf. „Hab mich immer noch nicht an die Zeitumstellung gewöhnt."
Er nahm einen Schluck aus der Tasse und verzog den Mund, weil es so heiß war. „Heiße Schokolade?"
„Mit Marshmallows und Zimt. Hat meine Mum früher immer für mich gemacht, wenn ich nicht schlafen konnte. Da hatte ich gerade echt Lust drauf."
„Willst du auch eine?" Lukas deutete auf die Tasse. „Ist viel besser als Kaffee."
Ich nickte stumm und beobachtete ihn dabei, wie er eine weitere Tasse aus der Schublade zog und Schokoladenpulver dosierte. Er hantierte routiniert, als wäre die Küche schon immer seine gewesen, stellte die Tasse in die Mikrowelle und drehte an dem Rädchen. Dann holte er eine Packung Marshmallows und einen Zimtstreuer hervor.
„Alles in Ordnung?", fragte er, als er mir die Tasse in die Hand drückte. „Das war echt hart letzte Nacht ..."
Ich folgte ihm zum Sofa und setzte mich. Ich sah, dass im Fernsehen die Wiederholung irgendeines Basketballspiels lief.
„Ja", antwortete ich ihm. „Alles in Ordnung."
Ich starrte auf die weißen Marshmallows, die langsam in der braunen Flüssigkeit schmolzen. „Irgendwie muss es ja weitergehen."
Ich nippte an meiner Schokolade. Sie schmeckte herrlich süß. „Your life will go on..." Aufmunternd sah er mich an. „Sei froh, dass du den Typ los bist. Glaub mir, wenn du jemanden gefunden hast, der dich wirklich liebt, wirst du erkennen, wie blöd er war und dass du ihm nicht hinterhertrauern musst. Du bist ein tolles Mädchen, Josie. Du solltest dich nicht von Typen wie deinem Ex behandeln lassen wie ein Spielzeug, dass man sich nimmt, wenn man es braucht und wieder wegwirft, wenn man keine Lust zum Spielen hat."
Er ließ mich keinen Augenblick aus den Augen und ich wusste nicht, was ich sagen sollte, so sehr überraschte mich, was er gesagt hatte.
Da lag kein Spott in seinem Blick. Mein Herz schlug schneller, und ich wusste nicht, warum.
Ich starrte Lukas mit halb geöffneten Lippen an. „Woher soll ich wissen, ob es jemand anderen geben wird?", fragte ich mit erstickter Stimme.
„Keine Ahnung", antwortete Lukas aufrichtig. „Ich weiß nicht, woran man den oder die Richtige erkennt, aber ich glaube, wenn man ihn trifft, weiß man es einfach."
„Hast du die Richtige getroffen?", fragte ich. Mein Hals kratze und meine Stimme klang rau. Er musterte mich und mir wurde heiß.
„Nein."
Irgendwie beruhigte mich die Antwort, auch wenn ich nicht wusste wieso.
„Wie war das?", fragte ich. „In Amerika? So weit weg von zuhause?"
Lukas wandte den Blick von mir ab und sah zum Fenster. „Difficult. Am Anfang habe ich hier alles wahnsinnig vermisst. Ich konnte die Sprache nicht perfekt, kannte niemanden ... In den ersten Wochen habe ich mir gewünscht, ich wäre niemals dorthin geflogen. Alles ist anders. Viel größer, viel weiter. Die Leute sind anders."
Er schwieg einen Augenblick. Mir fiel auf, dass er sich nicht rasiert hatte. Kaum sichtbare Stoppeln, umrahmten seine Lippen.
„Man gewöhnt sich daran", fuhr er fort. „Nach sechs Monaten fühlte es sich an, als wäre ich nie woanders gewesen. Es ist komischer, wieder hier zu sein."
Ich trank einen Schluck von der Schokolade.
„Was ist?", fragte ich, als Lukas zu lachen begann.
„Du hast da", er deutete auf seine Oberlippe, „Schokolade." Mit den Fingern wischte ich mir über den Mund. „Weg?"
Schmunzelnd schüttelte er den Kopf. Er hob seine Hand und sah mich einen Moment lang an, ehe der mit seinem Daumen sanft über meine Oberlippe strich. Mein Körper reagierte mit einer Gänsehaut und mir wurde plötzlich heiß. Ich murmelte ein verlegenes
„Danke", ehe ich den letzten Rest austrank und meine Tasse eine Spur zu heftig auf den Couchtisch stellte. „Ich gehe duschen." Ich stand auf. „Danke für die Schokolade. Und für ... heute Nacht."
Er nickte schweigend, ohne mich aus den Augen zu lassen.

Verlieb dich nichtWhere stories live. Discover now