Kapitel 10

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Eine Woche nach Dem Desaster, wie Draco den fehlgeschlagenen Versuch einer Grillparty gedanklich betitelte, saß er bei Hermine in der Küche. Sie selbst war nicht anwesend, was daran lag, dass Draco unangekündigt bei ihr aufgeschlagen war und vergessen hatte, dass sie ein wichtiges Projekt im Labor hatte. Das war aber nicht weiter schlimm, denn Stibbons hatte die Gelegenheit genutzt, um Draco zu zeigen, wie man einen Zeitumkehrer auseinanderbaute. 

Genau genommen war er gerade dabei gewesen, einen in seine Einzelteile zu zerlegen (Draco hatte noch nicht so ganz verstanden, wieso), als Draco geklingelt hatte. Seine schlechte Stimmung, dass ihn jemand bei der Arbeit unterbrochen hatte, war einer hellen Begeisterung gewichen, als er gemerkt hatte, wer es war und so war Draco mehr oder weniger freiwillig in die Küche bugsiert worden, wo er jetzt mit Fachbegriffen überhäuft wurde. 

Nicht, dass es ihn störte, er fand es immer noch wahnsinnig interessant. Außerdem bot sich ihm damit vielleicht sogar eine Gelegenheit, mehr darüber herauszufinden, was Ginny letzte Woche fallen gelassen hatte und was ihn seitdem nachts wachhielt. 

Ja, aber an die hat sie auch nicht in einem anderen Universum ihr Herz verloren. 

Was sollte das bedeuten? Hermine hatte ihm gesagt, dass sie im anderen Universum mit ihm verheiratet gewesen war und auch, dass sie in den Wochen, die sie dort war, festgestellt hatte, dass er als Mensch doch ganz in Ordnung war. 

Und sie hatte ihn in der gesamten Zeit ihrer Freundschaft immer wieder mit diesem undefinierbaren Blick angeschaut. Sie hatte regelmäßig gemeinsame Aktionen initialisiert und wollte mehr über ihn erfahren. 

Hatte sich Hermine in den anderen Draco Malfoy verliebt? Und wenn ja - was nahelag, wenn man Ginny glauben konnte - was genau wollte sie von ihm hier? Mochte sie ihn hier auch auf diese Weise? Mochte sie sie beide gleich? Oder war er der Ausgleich, weil sie den anderen Draco Malfoy vermisste und er eben das nächste war, was an den Mann heran kam, in den sie sich verliebt hatte? 

Draco musste zugeben, dieser Gedanke gefiel ihm gar nicht. Er wollte nicht die zweite Wahl sein. Um ehrlich zu sein, wollte er nicht einmal die erste Wahl sein. Er mochte Hermine nicht auf diese Art und Weise. Er wollte mit ihr Zeit verbringen, Spaß haben, spontane Ausflüge machen, nächtelang quatschen, alte Erinnerungen teilen und vielleicht sogar irgendwann Geheimnisse. 

Aber er wollte sie nicht küssen, er hatte nicht das Bedürfnis, ihre Hand zu halten, er konnte sich nicht vorstellen, mit ihr zusammen zu wohnen oder sie irgendwann zu heiraten. 

Bei jemand anderem hätte er vielleicht gesagt, er wolle einfach nur Freunde sein. Aber das passte hier überhaupt nicht. Ihre Freundschaft war kein "nur" und er wollte nicht "einen Schritt weiter" gehen. Im Gegenteil: ihre Freundschaft war wild und chaotisch und wunderbar, sie war spontan und unverbindlich. Das gegen eine Beziehung einzutauschen wäre kein "Schritt weiter", es wäre ein Schritt zurück. Oder naja, nicht zurück, schließlich hatten sie nie eine Beziehung geführt. Vielleicht eher ein Schritt zur Seite? Draco runzelte verärgert die Stirn, als ihm auffiel, dass seine Metapher nicht wirklich aufging.

Wie auch immer, beschloss er dann, es war auf jeden Fall nichts Erstrebenswertes. 

Das Klicken eines Metallteils riss ihn aus seinen Gedanken und brachte ihn zurück in die Realität, in der Stibbons gerade mit einer winzigen Pinzette eine kleine Klappe öffnete. Das Leuchten in seinen Augen brachte Draco selbst zum Schmunzeln. Stibbons deutete in die winzige Öffnung hinein, die gerade zum Vorschein gekommen war. Darin schimmerte es bläulich. 

"Das ist das Herz eines Zeitumkehrers.", erklärte Stibbons leise. Seine sonst so sprudelnde Begeisterung war einer ehrfürchtigen Bewunderung gewichen. Draco lehnte sich noch ein Stück weiter vor, um einen besseren Blick zu erhaschen. 

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