Kapitel 2

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Es fiel Draco wesentlich schwerer, den überraschenden Besuch seiner Schulkameradin zu vergessen, als er angenommen hatte. Obwohl er eigentlich kaum Zeit dafür hatte, wanderten seine Gedanken in der darauffolgenden Woche immer wieder zu dem merkwürdigen Gespräch. 

Er verstand nicht, warum sie zu ihm gekommen war und das ließ ihn nicht los. Was hatte Hermine Granger dazu bewegt, ins Ministerium zu gehen, nach seiner Adresse zu fragen und dann an einem Donnerstagabend auf seiner Türschwelle zu stehen, ihm einen kurzen Vortrag darüber zu halten, dass sie ja eigentlich alle Freunde sein könnten und dann die Flucht zu ergreifen? 

Sicher, er fand es ja mittlerweile auch kindisch, was damals in Hogwarts gewesen war und möglicherweise hatte sie recht und einige von ihnen hätten sich verstehen können. Aber Draco wäre von sich aus nie auf die Idee gekommen, zu den ehemaligen Gryffindors zu gehen und um einen Neuanfang zu bitten. Nicht, weil er noch immer einen Hass auf sie hegte - sie waren vermutlich ganz nette Leute, nicht dass er sie wirklich kennen würde - sondern einfach, weil es ihm nie in den Sinn gekommen wäre. 

Er hatte Freunde und Arbeitskollegen und bei den meisten hatte er keine Ahnung, in welchem Haus sie gewesen waren und es war ihm auch herzlich egal. Und wenn unter diesen Leuten jemand aus seinem Jahrgang aus Gryffindor gewesen wäre, wer weiß, vielleicht würde Draco diese Person jetzt auch in diese Gruppe zählen. Aber das war eben nicht der Fall gewesen (außer vielleicht Harry Potter, der mit ihm zusammen die Ausbildung angefangen hatte, aber da sie sich sehr schnell für unterschiedliche Schwerpunkte entschieden hatten, waren sie sich vielleicht dreimal begegnet) und dieser Verlust, wenn es denn einer war, lag ihm auch nicht unbedingt schwer im Magen. Leute kamen und gingen im Leben - und die meisten seiner Schulkameraden, die nicht zu seinen engeren Freunden gehört hatten, waren eben gegangen. So war es halt und wenn er anfangen würde, allen Leuten hinterher zu laufen, mit denen er irgendwann mal etwas zu tun gehabt hatte, dann würde er ja seinen Lebtag nicht fertig werden. 

Also nein, Draco wäre nie von sich aus ins Ministerium marschiert und hätte nach Hermine Grangers Adresse gefragt. 

Was also war der Grund, warum er am Freitagnachmittag, zwei Wochen nach ihrem Besuch, genau dort stand und auf die junge Hexe wartete, die das Adressarchiv betreute? 

Draco runzelte die Stirn und überlegte, ob er einen Fehler machte. Aber er war neugierig und jetzt, wo Hermine Granger die Gedankenmühle einmal angestoßen hatte, wollte sie einfach nicht mehr aufhören, sich zu drehen. 

Aus den langen Regalreihen flatterte ein Stück Pergament heraus und landete vor ihm auf dem Tisch, er faltete es auseinander und las die darauf stehende Adresse. Sie war in einer mittelguten Gegend im Südosten von London. Draco hatte gehört, dass es dort wohl ein kleines Zaubererviertel gab, aber es hatte allgemein einen eher schäbigen Ruf und da er niemanden kannte, der dort wohnte, war er bisher nie dort gewesen. Nun, das würde sich heute ändern, dachte er sich entschlossen, zahlte fünf Knut für die Auskunft und machte sich auf den Weg. 

Er erreichte die Adresse wenige Minuten später und sah sich überrascht um. Es war definitiv nicht die schönste Gegend Londons, aber es war auch nicht so heruntergekommen, wie er es sich jetzt aus den Berichten ausgemalt hatte. Es war jedoch eindeutig ein Viertel für Zauberer der unteren Gehaltsklassen und das war der Moment, in dem Draco auffiel, dass er keine Ahnung hatte, was Hermine Granger für einen Job hatte. Nach Hogwarts hätte er seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass sie im Ministerium anfangen würde, aber er war ihr dort in den letzten sieben Jahren nicht über den Weg gelaufen, also hatte sie vielleicht doch eine andere Karriere begonnen. Aber welche?

Er entschloss sich, einfach zu fragen und sah noch einmal auf seinen Zettel, ob er sich die richtige Hausnummer gemerkt hatte, bevor er auf die Tür zuschritt. 

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