29.Geburt

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„Nicht mehr lange und sie halten ihren kleinen Sohn in den Armen. Dann haben sich alle Strapazen gelohnt!"
Das Atmen fiel Narzissa zunehmend schwer. Das Gewicht des Kindes lastete schwer auf ihr und sie konnte beim besten Willen keine Position mehr finden, in der sie noch bequem verweilen konnte. Trotz all dem hätte sie nicht glücklicher sein können. Endlich schien in ihrem Leben alles genau so zu sein, wie sie es sich wünschte. Nun ja, zumindest fast. Denn je näher der Tag der Geburt rückte, desto mehr Ängste plagten sie. Würde sie eine gute Mutter sein? Würde sie alle Erwartungen erfüllen können? Oftmals zweifelte sie an sich selbst. Nur ihr Mann konnte ihr das Gefühl der Sicherheit zurückgeben, wenn er sie ansah und in seinen starken Armen hielt.
So befreit wie in den letzten Monaten hatte Lucius sich noch nie gefühlt. Jeder Tag schien nicht dem den Zweck der Bewahrung seiner eigenen Perfektion im Angesicht der Öffentlichkeit zu wahren, sondern den, abends seine Frau in den Armen zu halten und die Bewegungen seines ungeborenen Kindes zu spüren. Er musste sich sehr beherrschen, damit sein Umfeld seine Wandlung nicht bemerkte. Denn wie er Narzissa schon erklärt hatte, würde solches Wissen bei den falschen Leuten nur Schaden für sie bringen. Nein, seine Familie würde er keiner Gefahr aussetzen.
Er hatte Elisa beauftragt, sofort einen Hauselfen zu ihm zu senden, sollten die Wehen einsetzen. Bis zum Geburtstermin waren es zwar noch acht Tage, und bei Erstgeburten kommt das Kind, so sagt man, eher später als errechnet zur Welt, doch er wollte auf alles vorbereitet sein. Sobald es so weit war, würde ein Heiler aus dem St. Mungo Narzissa zur Seite stehen und Elisa unterstützen.
Nun legte er seine Schreibfeder zur Seite, schloss die letzten Akten und machte sich auf den Weg nach Hause. Dort öffnete ihm wie gewohnt ein Hauself das Eingangsportal. Wir sehr er es vermisste, von seiner Gattin begrüßt zu werden und nicht von diesem niederen Kreaturen! Ohne den Elfen eines Blickes zu würdigen, reichte er ihm seinen Umhang. Normalerweise pflegte er nach seiner Ankunft sofort das Abendessen einzunehmen, doch seit drei Tagen brach er mit dieser Gewohnheit. Zuerst musste er nach Narzissa sehen. Mit angemessenem Tempo, was ihn einiges an Zurückhaltung kostete, schritt er die Treppe hinauf. Als er die Tür zu ihrem gemeinsamen Schlafzimmer öffnete, blickte er in Narzissas strahlendes Gesicht. Wie wunderschön sie doch aussah! Die Schwangerschaft stand ihr. Das Fenster war geöffnet worden und die warme Sommerluft dran herein, verwirbelte ihr Engelshaar und ließ sie so natürlich erscheinen, wie eine Frau nur aussehen konnte. Nichts an ihr war gekünstelt, sie glänzte mit ihrer von Gott im Überfluss gegebenen Schönheit.
„Lucius!!"
Entfloh es ihrer Kehle so sanft und erfreut, dass dem Namensträger einen heißen Schauer den Rücke hinunterlaufen ließ. Wie hatte er ihr nur jemals verbieten können, ihn so zu nennen? Er war sich sehr sicher, dass niemals irgendjemand seinen Namen auch nur ansatzweise so wundervoll ausgesprochen hatte. Eilig ging er ans Bett heran, beugte sich über sie und küsste sie sanft auf die Stirn.
„Wie geht es euch? Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass es bald so weit ist?"
Narzissa strich ihrem Mann beruhigend über die Wange.
„Es könnte uns nicht besser gehen. Ich fühle mich zwar etwas schwach, aber das ist normal."
Sie küsste ihn sanft auf die Wange.
„Und ich muss dich enttäuschen. Es gibt keine Anzeichen für eine baldige Niederkunft. Ein paar leichte Wehen, aber nichts bedeutendes."
Irgendwie war diese Aussage erleichternd für den werdenden Vater. Insgeheim fürchtete er um Narzissas Wohlbefinden. Er hoffte inständig, dass sie die Strapazen der Geburt gut überstehen würde.

Es war mitten in der Nacht und trotzdem hatte Narzissa noch kein Auge zugemacht. Diesmal war ihr schlafloser Zustand nicht damit zu erklären, dass ihr Mann wieder einmal im Auftrag des dunklen Lords unterwegs war. Nein, schon seit den Abendstunden plagte sie en immer wieder aufkommendes, heftiges Ziehen im Unterleib. Sie war die Schmerzen von Vorwehen mittlerweile gewöhnt, doch das hier war anders. Es ließ nicht nach, wurde eher schlimmer. Mit eiserner Disziplin zwang sie sich ruhig neben Lucius, der selig neben ihr schlief, liegen zu bleiben und tief in den Bauch zu atmen. Doch mit der Zeit wurden die Schmerzen unerträglich und Narzissa wurde bewusst, dass es so weit war. Als eine besonders heftige Wehe sie plagte, entfloh ihr ein leiser Aufschrei. Sofort saß Lucius senkrecht im Bett.
„Geht es dir gut? Ist es so weit?"
Unter Schmerzen nickte sie. Ohne weitere Worte zu verlieren, schwang Lucius seine Beine aus dem Bett, stand auf, zog sich seinen Morgenmantel über und eilte aus dem Schlafzimmer um Elisa zu wecken. Als er sicher gegangen war, dass diese sich augenblicklich auf den Weg zu seiner Gattin gemacht hatte, schickte er einen Hauselfen los, um einen weiteren Heiler aus dem St. Mungo zu ordern. Nachdem er dies alles in die Wege geleitet hatte, begab er sich schnellen Schrittes wieder zu Narzissa. Elisa hatte das Bett von den Decken befreit und weiße Laken darüber ausgebreitet. Narzissa saß darauf, an einen Berg aus Kissen gelehnt. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn und immer wieder verzog sie schmerzerfüllt das Gesicht. Ihre Hände hatte sie auf ihren Bauch gepresst. Elisa beschwor einige Zauber um festzustellen, ob alles den gewünschten Verlauf nahm. Lucius blieb unschlüssig kurz hinter der Tür stehen. Er wusste nicht, was nun von ihm erwartet wurde. Narzissa entfloh ein kleiner Aufschrei, der so abrupt endete, wie er erklungen war. Stattdessen griff sich die werdende Mutter mit weit aufgerissenen Augen an die Brust und schien um Luft zu ringen.
„Madame, was geschieht ihnen? Bitte, holt Luft!"
Elisa umfasste die Schultern ihrer Patientin und sah sie eindringlich an, doch nichts geschah. Lucius Herz klopfte ihm vor Angst bis zum Hals. Wurden seine schlimmsten Befürchtungen wahr? Überstand sie die Strapazen der Geburt nicht? Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der Fluch! Eilig begab er sich ans Kopfende des Bettes und schickte Elisa zur Seite. Sofort sah Narzissa ihn hilfesuchend an und er wollte sie keinen Augenblick länger leiden sehen.
„Du kannst schreien so viel du willst, wenn es dir hilft. Du schadest damit nicht dem Ansehen der Familie."
Als hätte er ihr einen Strick vom Hals gebunden, strömte auf einmal wieder Luft in ihre Lungen. Erleichtert sog Narzissa die Luft ein und beruhigte langsam ihren Herzschlag. Ihre Hände zittern nicht mehr arg so schlimm und trotzdem sah Lucius Angst in ihren Augen.
„Es ist alles gut, der Fluch wird dir nichts mehr anhaben!"
Versuchte er sie zu beruhigen, doch sie lächelte nur mild. Bevor sie etwas sagen konnte, wurde sie erneut von einer Wehe in Beschlag genommen und Lucius wartete geduldig, bis der Schmerz ihr wieder einen kurzen Augenblick zum Atmen gab.
„Ich traue mich kaum es auszusprechen, aber genau das hier macht mir Angst."
Vor diesen Worten hatte Lucius sich gefürchtet. Auch Narzissa merkte wohl, dass sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stieß. Dabei musste sie doch noch eine ganze Zeit lang stark sein! Hoffentlich würde sich die Geburt nicht allzu lange hinziehen, Lucius mochte sich gar nicht vorstellen, was dies für seine Frau bedeuten würde. Unfähig ihr etwas anderes zu sagen, drückte er unbeholfen ihre Hand und sagte mit gewohnt kühler Stimme, dass sicher alles gut gehen würde. Dann wandte er sich zum gehen und verließ den Raum. Als er die Tür zum Schlafzimmer hinter sich geschlossen hatte, hielt er für einige Augenblicke inne und atmete tief durch. Wieder einmal wurde ihm bewusst, dass Narzissa noch jung war, viel zu jung um hiermit angemessen umgehen zu können. So zart, so zerbrechlich... Nein, er konnte nicht wieder dort hinein gehen. Er würde ausharren bis es vorbei war. Nun vernahm er Schritte auf der Treppe. Der Heiler musste eingetroffen sein. Routiniert ordnete sich der Hausherr und ging dem Ankömmling entgegen. Ein älterer Herr mit Vollbart und buschigen Augenbrauen erschien vor ihm und streckte ihm zum Gruß die Hand entgegen. Lucius nahm sie und begrüßte den Mann.
„Gut, dass sie da sind. Meine Frau befindet sich mit der Heilerin in dem Raum dort hinten."
Er deutete den Gang hinab.
„Ich möchte sie noch einmal darauf hinweisen, dass ich von ihnen die beste ihrer Leistungen erwarte. Weder dem Kind noch meiner Frau darf irgendetwas zustoßen."
„Aber sicher doch, Mr. Malfoy. Ich weiß, von welcher Bedeutung diese Angelegenheit für sie und ihre Familie ist."
Das bezweifelte Lucius zwar stark, doch er nickte nur kühl. Dann wies er dem Heiler erneut den Weg und blieb alleine im dunklen Gang zurück.

Zum wiederholten Mal wrang Elisa den Lappen aus, den sie immer wieder in eiskaltes Wasser tauchte um damit Narzissas Stirn zu kühlen. Die Heilerin hatte Mitleid mit der jungen Frau. Immer wieder blickte diese Sehnsüchtig auf die Tür, als würde sie ihren Mann bald zurück erwarten. Doch Elisa wusste, dass viele Männer mit dem Anblick ihrer leidenden Gattinnen nicht zurechtkamen. Und auch wenn Mr. Malfoy ihr nicht gerade den Eindruck vermittelt hatte, ein besonders fürsorglicher und liebevoller Ehemann zu sein, hatte Elisa doch den fahlen Ausdruck in seinem Gesicht gesehen, als er den Raum verlassen hatte. Während sie Narzissas Stirn kühlte, untersuchte der Heiler ihren Unterleib. Enttäuscht beendet er die Prozedur.
„Immer noch nichts."

Die Stunden zogen sich hin wie Tage. Erst ging die Sonne auf, ließ mit ihrem grellen Licht die Situation in Malfoy Manor unwirklich erscheinen, dann ging sie auch schon wieder unter. Lucius hatte sich zum Essen zwingen müssen und nun saß er mit einem halbvollen Glas Scotch in der Hand im Salon und starrte vor sich hin. Im Haus war es vollkommen ruhig, nur Narzissas Schreie durchbrachen die Stille. Wieso bei Merlin dauerte das so lange? War das noch normal? Nun lag sie schon fast einen ganzen Tag in den Wehen. Er ließ einen weiteren Schluck der karamellfarbenen Flüssigkeit seine Kehle hinunter laufen. Die große Standuhr schlug geräuschvoll zwölf Uhr und läutete somit auch einen neuen Tag ein. Hoffentlich würde er heute seinen gesunden Sohn im Arm halten und Narzissa zur erfolgreichen Geburt gratulieren können. Doch noch schien all dies in weiter Ferne. Zu Bett gehen würde Lucius in dieser Nacht nicht. Niemals hätte er sich ins Bett legen und selenruhig auf den Schlaf warten können, während seine Frau unter Qualen seinen Sohn zur Welt brachte.

„Lange wird sie das nicht mehr aushalten können. Sehen sie nur, wie ihre Augenlieder flattern! Jegliche Kraft schwindet aus ihrem Körper."
Der Heiler hatte Elisa zur Seite gezogen und sprach nun eindringlich auf sie ein.
„Ich weiß, aber sie muss durchhalten!
„Diese unsegliche Prozedur schadet dem Jungen. Hören sie, unser Hauptaugenmerk liegt auf dem Erben und nicht auf der Frau. Sollte das Kind nicht bald auf natürlichem Weg zur Welt kommen, dann müssen wir es eben holen."
Elisa fand sich in einem fürchterlichen Zwiespalt wieder. Sie wusste, dass der Heiler recht hatte und trotzdem wollte sie ihre lieb gewonnene Patientin nicht aufgeben. Immerhin hatte diese auch viel für sie getan.
„Ich weiß, sie schafft es! Gebt ihr noch eine Stunde, nur eine einzige!"
„Elisa, es tut mir Leid, aber wenn der Knabe in einer halben Stunde nicht das Licht der Welt erblickt hat, dann werde ich mit ihrem Ehemann sprechen und er muss diese Entscheidung treffen."
Elisa presste wütend die Lippen zusammen, nickte und wandte sich wieder Narzissa zu.

Ich schaff das nicht! Dieser Gedanke hämmerte sich schon seit Stunden in Narzissas Kopf ein. Kaum mehr nahm sie ihre Umwelt war, nur noch die Schmerzen bestimmten ihr Dasein. Doch sie wollte ihr Kind sehen, wollte es in den Armen halten, wollte sehen wie Lucius den kleinen Knaben stolz betrachtet, wollte noch einmal seine Lippen auf ihren spüren. Gerade erst war doch alles endlich gut! Erneut nahm sie ihre Kräfte zusammen, woher sie diese Reserven bezog wusste sie selbst nicht, und presste so stark sie konnte.

„Mr. Malfoy, wir müssen sie um eine Entscheidung bitten."
Lucius musste im Sitzen eingenickt sein, denn die Stimme des Heilers holte ihn unsanft in die Realität zurück. Zu seinem Glück saß er mit dem Gesicht abgewandt von dem Störenfried, sodass dieser nicht sehen konnte, wie er sich erst einmal sammeln musste.
„Welche Art von Entscheidung? Ist das Kind auf der Welt?"
Welch törichte Frage! Schalte er sich selbst. Noch immer konnte er Narzissas Schreie vernehmen.
„Nun, die lange Geburt ist gefährlich für das Wohl des Kindes. Langsam sind wir zum Handeln genötigt. Doch wir brauchen ihr Einverständnis dafür, das Kind aus dem Mutterleib hinaus zu schneiden. Dabei müssen sie wissen, dass eine Betäubung zu diesem Fortgeschrittenen Zeitpunkt unmöglich ist."
Sofort wusste Lucius, was das bedeuten würde. Ein fahler Geschmack breitete sich in seinem Mund aus, ihm wurde regelrecht schlecht.
„Ist das tatsächlich die letzte verbleibende Möglichkeit?"
„Ich fürchte ja."
Nun wurden also alle seine Befürchtungen wahr. Welch Tragödie! Konnte er wirklich diese Anweisung geben? Würde er jemals damit leben können? Lucius wusste was von ihm erwartet wurde und trotzdem brachte er es nicht über sich, Narzissas Todesurteil zu unterzeichnen. Er stand auf, ging ein paar Schritte im Raum. Das Ticken der Standuhr war unerträglich laut. Als er in das Gesicht des Heilers blickte, konnte er ganz deutlich dessen Sorge und Ungeduld ablesen. Er musste sich entscheiden.
Ein Schrei. Nicht aus Narzissas Munde, nein, ein hoher Schrei aus dem Munde eines Neugeborenen erfüllte das Haus. Wie Paralysiert stand Lucius da und lauschte diesem wunderbarsten aller Geräusche. Hatte er sich verhört? Nein, da erklang es erneut. Auch der Heiler konnte seinen Ohren kaum glauben, stand wie angewurzelt da. So verstrichen einige Sekunden, bis der Heiler wieder Herr seiner Sinne war und Elisa zur Hilfe eilte. Lucius sackte zurück in den Ohrensessel, benommen und glücklich. 

The noble house of Malfoy //Lucissa FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt