23 | Ein doppelt grässliches Wiedersehen

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Ich musste hier weg

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Ich musste hier weg. Sofort.

Wie aufs Stichwort wirbelte ich herum und setzte alles daran, aus der Mensa zu verschwinden. Und vor allem, vor Carlos zu flüchten. Nein, ich wollte ihn definitiv nicht mehr sehen. Er machte mir Angst, weil ich endlich realisiert hatte, was er mir angetan hatte. Ich war an dem Abend in Tränen ausgebrochen und musste in eine Tüte atmen, weil ich sonst hyperventiliert wäre. Die sorgenvollen Gesichter meiner Eltern hatten in dem Moment auch nicht wirklich geholfen gehabt. Nur mit Mühe hatte ich mich an diesem Abend wieder unter Kontrolle bringen können.

»Hier geblieben.« Eine große Hand mit festem, zu festem, Griff schlang sich um meinen Oberarm. Ich war gezwungen stehen zu bleiben, dabei war ich schon so weit gekommen. Ich hatte die Mensa hinter mir gelassen und war schon bei den Sportplätzen angekommen.

Ängstlich blickte ich hoch zu Carlos, der mir wie konnte es auch nicht anders sein, gefolgt war und mich jetzt ziemlich selbstgefällig angrinste.

»Lass mich in Ruhe, Carlos.«, sagte ich und drückte meinen Rücken durch, um selbstbewusster zu wirken. »Und lass mich verdammt nochmal los.« Ich riss stark an meinem Arm und bekam ihn sogar los.

»Baby, du weißt doch, dass es noch nicht vorbei ist mit uns.«, gab Carlos mit belustigtem Unterton wieder, der mir einen Schauer über den Rücken rieseln ließ. Mit einem Mal wünschte ich mir wieder in der Mensa zu sein. Dort wo alle waren und mir Carlos nichts anhaben konnte. Ich dumme Nuss! Wieso war mir das nicht eher eingefallen? Jetzt waren wir komplett alleine und keiner kam mir zur Hilfe gelaufen.

»Ich hatte dir gesagt, dass ich darüber entscheide, wann und wenn es vorbei ist.«, sagte er wieder, was diesmal noch viel mehr wie eine Drohung klang. Jedenfalls sagte mir das mein flaues Gefühl. Ich versuchte unbemerkt die Gegend zu scannen, ob hier nicht doch noch eine Menschenseele war, doch Fehlanzeige.

Mein rasendes Herz ließ mich fast Schwindeln und ich hätte mir gerne gegen die Wangen geschlagen, um nicht mehr in einer solchen Schockstarre zu sein. Okay, Fanny, jetzt reiß dich zusammen! Ich wusste, dass ich mich jetzt selbst retten musste.

»Wirklich witzig.« Ich lachte gekünstelt auf. »Es ist wirklich armselig, dass du nicht genug Selbstwertgefühl hast, um die Sache einfach ruhen zu lassen, Carlos.«

»An deiner Stelle würde ich vorsichtig sein.«, unterbrach er mich und packte mich am Nacken. Meine Schultern schoben sich nach oben und ich spannte meinen Hals an, um mich gegen seine Hand zu drücken. Ich sah ihm in seine düster funkelnden Augen, die so aussahen, als wäre er kurz davor die Kontrolle zu verlieren. Auch sein Kiefer schien zu arbeiten. Wahrscheinlich überlegte er, was er mir jetzt am besten antun könnte. Und ganz ehrlich, ich machte mir gerade ziemlich in die Hose.

»Lass mich los. Du tust mir weh.«, würgte ich nichtsdestotrotz hervor und drückte mit beiden Armen gegen seine Brust. »Lass los und sag mir endlich, was in dich gefahren ist, dass du meinst, dich so aufführen zu müssen.«

Oh, oh. Ich sah wie sich Carlos Nasenflügel blähten. Hatte ich gerade mein Todesurteil selbst besiegelt?

»Du kleine Schlampe, du weißt gar nicht, zu was ich noch alles im Stande bin. Wenn du denkst, dass das schon alles war, dann hast du dich gewaltig getäuscht.«, zischte er mit zusammengepressten Zähnen, während er seine Finger in meine Haut im Nacken bohrte. Im nächsten Moment ließ er mich los und ich stolperte sofort mehrere Schritte zurück. Ich starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Carlos grinste mich dreckig an und nahm sich dann noch die Frechheit heraus, mir zuzuzwinkern.

»Vergiss meine Worte nicht, Fanny.«, sagte er, dann drehte er sich um und ging.

~

Ich schaute mich immer wieder um, als ich das Gebäude verließ. Ständig hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich hatte Carlos zum Glück nicht mehr gesehen, dafür hatte mich sein Kumpel im letzten Kurs, den ich heute hatte, die ganze Zeit über mordlustig angestarrt. Als ich es nicht mehr aushielt, hatte ich mich auf der Toilette verkrochen, bis die Stunde vorbei war.

Jetzt wollte ich nur noch hier weg. Morgen würde ich definitiv die Uni schwänzen. Das war zwar keine langfristige Lösung, aber mich würden erstmal keine zehn Pferde hierhin bringen.

Dass mich Vincent wieder abholen kam, beruhigte mich ungemein. Gleich wäre wieder alles gut. Wobei -

Ich blieb wie angewurzelt stehen, als ich Vincents Auto, ihn selbst daran gelehnt und ja, auch die liebe Hannah sah, die schon wieder so am kichern war. Konnte mein Tag noch einen Deut schlechter werden? Was hatte ich nur getan, um mit einem solchen Karma bestraft zu werden?

Ich atmetete tief ein und senkte meinen Kopf. Ich kramte meine Sonnenbrille aus meiner Tasche hervor, setzte sie mir auf und ging mit eiligen Schritten auf Vincents Auto zu. Ohne seine Begrüßung zu erwidern, ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen, rutschte tief in den Sitz und starrte auf meine Füße. Der weiße Nagellack an meinen Zehen fing langsam an, sich abzuschälen und sah überhaupt nicht mehr schön aus. Nicht so wie bei Hannah, die täglich ihren Nagellack kontrollierte und deren Finger und Zehen immer perfekt lackiert waren.

Wie hatte ich überhaupt verdrängen können, dass Hannah eine große Rolle in Vincents Leben zu spielen schien? Dass er nicht urplötzlich den Kontakt zu ihr abgebrochen hatte, auch wenn ich sie lange nicht mehr zusammen gesehen hatte. Und dass sie so dämlich grinste und Vincent auch noch auf den Arm schlug - was konnte nur so witzig sein, dass sie das machen musste? - zeigte ja nur, dass sie krass verknallt in ihn war. Stellte sich nur die Frage, ob es Vincent genauso ging.

Bestimmt. Er strahlte mit ihr um die Wette. Ein mulmiges Gefühl schlich sich in meinen Magen. Nervte ich ihn gerade vielleicht? Würde er viel lieber Hannah herumfahren und nicht mich? Zweifel nagten an mir, vor allem als er sie zum Abschied fest an sich drückte.

»Willst du mir verraten, was es jetzt ist, was dich so umtreibt?« Vincent hatte neben mir im Wagen Platz genommen und ich wusste, dass er mich anschaute. Ich hingegen starrte weiter auf meine Füße und schüttelte den Kopf. Er stöhnte, sagte auch nichts mehr, sondern fuhr mich direkt nach Hause.

Die Fahrt über schwiegen wir uns an. Ich hätte am liebsten angefangen zu weinen, weil die Spannung zwischen uns immer unerträglicher wurde. Dass auch Vincent nichts mehr sagte, als ich ausstieg, ließ mein Herz in Stücke reißen. Wahrscheinlich bereute er es jetzt, mir angeboten zu haben, mich abzuholen. Er wünschte sich wahrscheinlich, Hannah mitgenommen und einen wunderschönen Tag mit ihr verbracht zu haben.

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Little Miss Bodyguard | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt