Missmutig schob ich den Rollstuhl von Kian den kleinen Weg vom Auto zu der Gruppe von Menschen in Sportklamotten. Ich konnte bereits Ava sehen, die das Gespräch mit einer älteren Dame beendete, als sie mich genauso entdeckte. Mit einem strahlenden Lächeln kam sie auf Kian und mich zugelaufen und wedelte kräftig mit den Armen.
»Das ist ja eine Überraschung, dass ich dich mal wieder sehe, meine süße Fay.«, rief sie begeistert und schmatzte mir einen dicken Kuss auf die Wange, nachdem sie Kian durch die Haare gestrubbelt hatte. Ergeben erwiderte ich ihre hyperaktive Begrüßung, die ich heimlich aber unglaublich liebte. Ava war wie eine zweite Mutter für mich. Als Kind hatte ich entweder meine Zeit zuhause oder bei ihr verbracht, was daran lag, dass sie die beste Freundin meiner Mutter war. Sie und ihr Mann David, mein Patenonkel, hatten vor einigen Jahren ein eigenes BoxFit Studio eröffnet und boten zusätzlich eine wöchentliche Jogginggruppe an, zu der Kian vor seiner Erkrankung immer gegangen war. Damit er jedoch weiterhin mitmachen konnte, hatte die gesamte Gruppe ein Zugsystem entwickelt, wie sie Kian in seinem Rollstuhl beim Joggen mitnehmen konnten.
»In fünf Minuten geht's los, Leute!«, rief Ava plötzlich und holte mich aus meinen Gedanken. Erfreut klatschte sie in die Hände, woraufhin zwei breitschultrige Kerle Seile an Kians Rollstuhl befestigten und ihn von uns wegschoben. Lächelnd sah ich meinem kleinen Bruder hinterher, der fleißig mit dem Eintippen in seinen Sprachcomputer beschäftigt war und anscheinend einen Witz erzählt hatte, weil alle lachten.
»Er wird von allen Mädchen angeschmachtet, siehst du das?«, meinte Ava plötzlich zu mir, nachdem sie meinem Blick gefolgt war. Ich nickte leicht. »Er ist ja auch der Coolste von allen.«, erwiderte ich schmunzelnd, was Ava erwiderte. Dann wandelte sich ihr Gesichtsausdruck in etwas Ernstes. »Was hat der Arzt gesagt?«, wollte sie leise wissen, woraufhin ich meinen Blick senkte und mit dem Fuß auf dem Boden scharrte. »Sein Zustand hat sich verschlechtert.«, würgte ich mit einem beklemmenden Gefühl hervor und schaute hoch in Avas Gesicht. Ich versuchte mich an einem Lächeln, versagte allerdings auf ganzer Linie. Jedenfalls zeigte das Avas Reaktion, mir über die Wange zu streicheln.
»Nicht weinen, meine Süße. Das Gute ist doch, dass Kian soweit glücklich ist. Sieh ihn dir doch an.«, versuchte sie mich aufzumuntern und nickte in die Richtung meines Bruders, der die Atmosphäre um sich herum zu genießen schien. »Mach dir keine Sorgen um ihn, er ist ein Kämpfer.«
»Ich versuch's.«, erwiderte ich und lächelte Ava dankbar an. Diese nickte entschlossen, während sich langsam ein fettes Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete. »Und jetzt denke ich, dass du noch ein Hühnchen mit meinem Sohn zu rupfen hast, oder? Chloe hat mir von gestern erzählt, dass er dich nicht in den Club gelassen hat.«
»Wo finde ich ihn denn?«, fragte ich mit einem äußerst schadenfrohen Grinsen im Gesicht. Mal wieder hatte es Ava geschafft, mich meine Angst um Kian für einen Moment vergessen zu lassen.
»Er trainiert gerade in der Halle und freut sich bestimmt, wenn du ihm mal die Leviten liest, oder was meinst du?«, fragte sie ironisch, wobei ihre Augen vor Freude blitzten. Die Tatsache, dass sie gerade ein Komplott gegen ihren eigenen Sohn plante, war einfach urkomisch. Aber genau das machte Ava ja so genial.
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Little Miss Bodyguard | ✓
RomanceWäre es nicht wunderbar die Zauberkraft besitzen zu können, hinter die Maske eines jeden Menschen schauen und genau abwägen zu können, was sich dort verbirgt? In Fannys Fall definitiv, denn dann wären weniger Herzen gebrochen, weniger Tränen vergoss...