𝟓𝟕. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥

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Etwas verwirrt öffnete ich meine Augen und musste mich erst einmal an die fremde Umgebung gewöhnen. Schnell fiel mir ein, dass ich gestern Abend bei Molly gelandet war und hier bei ihr eingeschlafen bin. Etwas verpeilt setzte ich mich auf und blinzelte ein paar Mal, um richtig wach zu werden. Sofort kam mir der Gedanke an Leo in den Sinn, den ich jedoch gekonnt wegschob. Ich wollte dieses stechende Gefühl in mir gerade nicht fühlen. 

»Guten Morgen, Dornröschen. Bist du ausgeschlafen?«, Molly schmunzelte und lehnte sich gegen den Türrahmen, während meine Augen sich bei ihren Worten nur weiteten und mir sofort einfiel, dass heute Freitag gewesen ist. Der letzte Tag meines Praktikums. Mein Herz schlug augenblicklich schneller und ich wusste schon während sie redete, dass ich zu spät sein musste. Ich müsste um acht Uhr bei Leo sein. 

»Molly, wie spät ist es?«, zügig stand ich auf und suchte nach meinen Klamotten. »11:34, warum? Was ist los?«, murmelte sie fragend, während ich nur mein rosa Kleid und meine Stöckelschuhe aufhob und verzweifelt feststellen musste, dass ich nichts Vernünftiges dabei hatte um halbwegs angemessen in der Firma zu erscheinen.

»Ich muss zu meinem Praktikum!«, rief ich aufgebracht und schaute zu Molly, welche zu sofort verstehen schien. 

»Oh, sorry! Voll vergessen. Such dir ruhig etwas aus meinem Schrank aus. Soll ich dich fahren?«, sie öffnete mir ihre Schranktüren und dankend, gleichzeitig jedoch auch fast schon panisch rief ich ihr ein »Danke!« zu und warf mich regelrecht in ihren Kleiderschrank, um etwas passendes zu finden. Ich war nie zu spät. Zu meinen Lebzeiten bin ich noch nie zu spät gewesen. Nirgendwo. Ich zog mir eine Hose und einen für meinen Geschmack viel zu bunten und mollyhaften Pullover an und kämmte meine verwuschelten Haare zu einem - so gut es ging - ordentlichen Zopf zusammen. 

»Ava, Oh Ava! Wo bleibst du nur?«, rief Molly plötzlich theatralisch durch den Raum und etwas stutzig schaute ich zu meiner besten Freundin, die mein Handy in ihren Händen hielt und meine Nachrichten vorzulesen schien. »Dein Prinz Leo schreibt außerdem noch: Ist es wegen gestern, Ava? Meld dich doch. Ignoriere mich nicht. Ava?«

Aufgebracht ging ich auf sie zu und versuchte mir mein Handy zu schnappen. »Ist das sein Ernst? Erst behandelt er dich so und jetzt erwartet er, dass du ihn nicht ignorierst?«, Molly schnaubte, während ich mir schnell mein Handy und gleichzeitig Mollys Hand schnappte und sie eilig hinter mir her zog, damit wir sofort losfahren konnten und ich nicht noch mehr Zeit verlor.

Auf dem Weg zu Adams Industries schaute ich aus dem Fenster und versank wie üblicherweise mal wieder in meinen Gedanken. Ich dachte nach über die Zeit, die ich dort verbracht hatte. An meinen ersten Tag, an Leo, an den ersten Kuss und die Nacht bei ihm im Apartment. Ich dachte über alles nach. Die zwei Wochen waren nun vorbei und ich müsste mich auf meinen Abschluss, der bald anstand vorbereiten, würde wieder in meinen Alltag finden und Leo nicht mehr sehen. Würde ich Leo überhaupt noch einmal sehen? Würde ich sein Angebot annehmen? 

Was empfand Leo für mich? Ich musste instinktiv an unsere Treffen denken, an die Nacht, die ich bei ihm verbracht hatte, schließlich mein erstes Mal mit ihm. Ich sah all das wieder vor meinem Inneren Auge und sorgte mit meinen Gedanken für eine Gänsehaut, die meinen ganzen Körper - mal wieder - einnahm. Ich wusste nicht, was ich mit mir selbst und den Gefühlen, die ich für Leo empfand, anfangen sollte. »Du denkst an ihn, hm?«, fragte nun Molly während sie die Hauptstraße entlang fuhr. 

»Leo ist verwirrend«, gab ich seufzend von mir und schnallte mich ab, da wir unmittelbar vor dem Gebäude standen. »Ava bevor du aussteigst«, erwiderte meine beste Freundin und ich blieb  kurz sitzen. Etwas verwirrt versuchte ich in ihrem Gesicht zu erkennen, weshalb sie plötzlich so ernst gewesen ist. 

the interview | ✔️Where stories live. Discover now