𝟕𝟎. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 / 𝐋𝐞𝐨𝐬 𝐒𝐢𝐜𝐡𝐭

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Leos Sicht

»Bitte«, flehte sie immer und immer wieder und hörte einfach nicht auf. Am Liebsten hätte ich mein Telefon aus meinem Auto geschmissen, aber riss mich für einen weiteren Moment zusammen und atmete tief durch. Diese Frau machte mich verrückt. Und das nicht eine auf positive Weise. Sie ließ mich wortwörtlich nicht mehr in Ruhe. »Leah, ich habe dir doch schon gesagt, was ich zu sagen habe. Ich sehe in unserer Beziehung keinen Sinn. Keine Zukunft. Wie oft muss ich dir das denn noch sagen?«, wiederholte ich heute schon zum fünften Mal.

Vor zwei Tagen, als ich diese Beziehung beendete und sie zum Weinen brachte, tat sie mir leid. Ich hatte sie in den Arm genommen und versucht ihr zu erklären, dass ich diese Beziehung einfach nicht mehr weiterführen konnte. Nicht, während ich ständig an eine andere Person denken musste. Das würde ihre Zeit verschwenden und ich würde ihr nur noch mehr weh tun, als ich es ohnehin schon tat. Ich versuchte ihr klar zu machen, dass es mir leid tat und dass es die richtige Entscheidung wäre. An diesem Abend hatte ich nichts mehr von ihr gehört und hatte natürlich ein schlechtes Gewissen wegen der Tatsache, dass ich sie so verletzt hatte. Doch seit gestern tyrannisierte sie mich regelrecht. Rief mich jede Stunde an, rief mich nachts an, weinte die ganze Zeit am Hörer und wollte mich wieder haben. Natürlich verstand ich, dass ich ihr weh getan hatte und dass sie jetzt Liebeskummer wegen mir hatte. Und ich verstand auch, was für ein Arschloch ich war. Aber was versuchte sie damit zu bezwecken? Wieso ließ sie mich nicht einfach in Ruhe?

So langsam verlor ich meine Geduld. »Leo du musst mich zurück nehmen, hörst du?«, schrie sie in mein Ohr. Ich entfernte mein Handy von meinem Gesicht und fuhr mir mit meiner Hand durch dieses. Ich war verzweifelt. »Hörst du Leo. Ich lasse das nicht zu«, schrie sie weiter. Andrew parkte den Wagen endlich und von Weitem erkannte ich schon den Club. »Es tut mir Leid Leah, aber ich muss jetzt auflegen. Bitte lass es gut sein, mir zu liebe, aber auch dir zu liebe. Du verdienst was Besseres. Gute Nacht«

Mit diesen Worten legte ich auf. Ich hörte noch, wie Leah ausholte um etwas zu sagen, doch steckte mein Handy in meine Jackentasche. »Wir sind da, Leo«, merkte Andrew an und lächelte durch den Rückspiegel. Er schien müde zu sein. Ich wollte eigentlich auch gar nicht, dass er mich herfuhr, aber er bestand darauf. Schon öfter hatte ich ihn auf seinen hoffentlich baldigen Ruhestand angesprochen. Bot ihm an, dass er viel weniger arbeitete oder sogar ganz kündigte, schließlich war er fünfundsechzig und gesundheitlich nicht auf der Höhe. Aber das wollte er einfach nicht. Was genau er hatte, wollte er mir nicht verraten. Aber ich hatte mitbekommen, dass es ihm schon seit längerer Zeit nicht so gut ging. Und ich wollte ihm helfen, genau so wie er es bei mir tat. Schon seitdem ich klein war. »Danke fürs Fahren, Andrew«, sagte ich lächelnd. Gerade als ich aussteigen wollte, hörte ich, wie er meinen Namen aussprach. Ich hielt inne.

»Kämpfe um sie, wenn du sie wirklich liebst«

Ich musste schmunzeln. Er erkannte das durch den Rückspiegel. »Das ist ja wie in einem Film.«, erwiderte ich lachend, nickte jedoch schnell. »Mache ich. Versprochen«

Wir beide wussten, dass es um Ava ging. Andrew wusste, was ich für sie empfand. Direkt an dem ersten Tag, an dem Ava bei mir in der Firma war, hatte er es gemerkt. Er hatte mir gesagt, dass er es sofort merkte, wenn etwas mit mir nicht stimmte. Und das entsprach auch der Wahrheit, schließlich hatte er mich großgezogen. Ich vertraute keinem so sehr aus meiner Familie wie ihm und Lia. Andrew war meine Familie geworden und ich hätte mir nichts sehnlichster gewünscht, als ihn als meinen Vater bezeichnen zu können. Stattdessen war mein Erzeuger ein egoistisches, selbstverliebtes Arschloch gewesen, dass sich nie dafür interessiert hatte, wie es Lia und mir ging. Aber irgendwie war ich genau so geworden. Spielte mit den Gefühlen anderer Menschen.

the interview | ✔️Where stories live. Discover now