𝟑𝟗. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥

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»Nur weil ich dich geküsst habe? Ist es vielleicht eher deswegen?« Ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust und schien äußerlich vielleicht wütend, aber innerlich schrie mein Herz danach, ihn wieder zu küssen, ihn wieder fühlen zu können. Aber seine kalte Art welche er gerade vorzeigte, ließ mir einen Schauer über meinen Rücken laufen, ließ mich vergessen, was genau ich sagen wollte.

»Du hättest mich nicht küssen sollen, wenn du es von Anfang an nicht ernst meintest. Und das bei dir hätte auch nicht passieren dürfen.«, brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Natürlich hatte ich den Kuss genossen, aber das lag nur an der Tatsache, dass ich während des Kusses im siebten Himmel gewesen bin, weil Leo ein wohliges Gefühl in mir ausgelöst hatte und mir als erster Mann in meinem Leben zeigte, was es hieß verliebt zu sein. Oder zumindest dachte ich, dass er eine gewisse Liebe in mir ausgelöst hatte.

»Tu ja nicht so, als wäre ich der Jenige gewesen, der dich dazu gedrängt hat. Du hast dich regelrecht auf meinen Schoß geschmissen.« Nun stand er genau vor mir und schaute auf mich herunter. Ich fühlte mich eingeengt und geängstigt, da er viel größer und mächtiger gewesen ist als ich. Er hatte mich und mein Herz in der Hand, weil er genau wusste, dass ich Gefühle für ihn entwickelt hatte, während er unsere gemeinsame Zeit geradezu nur nötig hatte.

»Geschmissen?? Du konntest deine Finger nicht von mir lassen. Das hast du doch selber gesagt«, zischte ich wütend zurück und schaute in seine böse funkelnden Augen. Ich mochte diesen Ausdruck in seinem Gesicht nicht, aber die Worte die er so unbedacht aussprach, trafen mich ungemein. Er löste eine unglaubliche Trauer in mir aus, welche ich seit Tagen zu verdrängen versuchte. Wieso nur kam sie in seiner Gegenwart wieder zum Vorschein?

»Du hast mich im Aufzug geküsst und konntest dich nicht von mir entfernen. Wenn du doch wusstest, dass du ein kalter, verdammt nochmal gefühlloser Mensch bist, wieso hat du es nicht einfach sein gelassen«, giftete ich ihn zusätzlich noch an und entfernte mich von ihm, weil seine Wärme mich wieder einnahm und ich mich wieder einmal mehr zu ihm hingezogen fühlte, als ich dürfte. Er verletzte mich und nicht einmal jetzt konnte ich anfangen meine Gefühle für ihn anzuzweifeln, weil ich ihn wollte. Weil ich mich in ihn verliebt hatte.

Kopfschüttelnd wandte er seine Augen von mir ab und sein Blick fand die schwarze Nacht. Er schaute auf die Sterne als würde er sich überlegen, was er sagen wollte. »Vielleicht bist du doch so unreif, wie Sabrina gesagt hat.«

Mein Magen zog sich bei seinen Worten zusammen und ich verstand nicht, wie er diese miese Aussage von Sabrina bestätigen konnte obwohl er genau wusste, dass das was aus ihrem Mund kam nicht stimmte. Mir schossen augenblicklich Tränen in meine Augen weil ich die ganze Zeit über versucht hatte, genau diese Streitsituation zu vermeiden. Ich habe meine Gefühle unterdrückt und so getan, als würden mich seine Worte nicht stören, damit er sich nicht schlecht fühlte. Er konnte nichts dafür, dass ich Gefühle entwickelt hatte, die er nicht erwiderte. Aber er konnte etwas dafür, dass er gerade irgendwie mein Herz gebrochen hatte. Nickend stieg ich gerade aus dem Pool und schnappte mir mein Handtuch. Ich hatte nichts zu sein Aussage hinzuzufügen und war augenblicklich glücklich darüber dass er nicht sehen konnte wie ich anfing zu weinen, weil mein ganzes Gesicht schon nass genug gewesen ist.

»Gute Nacht, Leo«, meine Stimme brach ab und ich spürte, wie mich eine Kälte überkam. Aber das lag nicht daran, dass ich aus dem lauwarmen Wasser gestiegen bin, sondern weil ich so unglaublich enttäuscht war. Auf den Weg in mein Zimmer kam mir Sabrina entgegen, aber ich bemühte mich nicht auf sie zu achten, sondern huschte regelrecht an ihr vorbei. Wir sagten nichts zueinander und ich bin froh gewesen, als ich in meinem Zimmer ankam, mein Handtuch fallen lassen konnte und duschen gehen konnte. Ich hatte einen Klos in meinem Hals und wollte nichts mehr, als diesen verschwinden zu lassen.

Am nächsten Morgen wurde ich wach und musste erst einmal realisierten, dass ich mich nicht wie gewohnt Zuhause befand, sondern in Denver war. Seufzend stand ich auf und musste mir erst einmal das Gesicht waschen. Ich war wahrscheinlich weinend eingeschlafen, denn meine Augen waren verklebt und fühlten sich müder an, als sonst. Ich beschloß direkt, meinen Körper einmal mit kaltem Wasser abzuwaschen, um mich aus meiner Trauer zu ziehen und fitter zu werden. Es klappte zwar nicht so, wie ich es mir vorstellte, jedoch fühlte ich mich etwas frischer und zog mich an, da ich in zehn Minuten die anderen in der Lobby treffen würde. Wir würden uns am Buffet bedienen, aber ich wusste, dass ich nicht viel runterbekommen würde. Ich hatte zwar Lia, aber ich konnte nicht zu ihr zu gehen, um ihr zu sagen dass ich mich wegen ihres Bruders total miserabel fühlte. Ich wollte mich aber mit Molly unterhalten und ich brauchte ihre aufmunternden Worte gerade mehr denn je.

Ich klatschte mir etwas Concealer in mein Gesicht um meine Rötungen zu verstecken. Ich betrachtete mein trauriges Ich im Spiegel und erinnerte mich noch an die Zeit vor einer Woche. Vor einer Woche fühlte ich mich so lebenslustig und war aufgeregt, weil ich ein Interview mit dem perfekten Leo Adams führen durfte. Ich fühlte mich geehrt. Aber jetzt hatte ich nicht nur herausgefunden, was ich in den Bericht schreiben konnte, sondern ich hatte Dinge erkannt, die vielleicht lieber versteckt hätten bleiben müssen. Und das war nicht geplant. 

Schleppend beförderte ich meinen Körper zum Aufzug und schließlich in die Lobby, wo ich schon Lia und ihren Verlobten erkannte. »Morgen«, entkam es meiner kratzigen Stimme und ich musste mich einmal räuspern, um nicht wie eine Kettenraucherin zu klingen. »Morgen, Ava. Gut geschlafen?«, fragte Lia, doch ich konnte mich nicht so richtig auf ihre Frage konzentrieren. Von Weitem erkannte ich, wie Leo in Begleitung von Sabrina und Logan das Hotel betrat. Wo waren sie denn so früh am Morgen? Rausgegangen?

»Erde an Ava«, fügte sie hinzu und ich schoss etwas beschämt in ihre Richtung. »Ja danke, und du?«, fragte ich zurück und gemeinsam gingen wir alle zum Buffet. »Auch« sie musterte mich, wie ich bemerkte, von der Seite. Ich jedoch versuchte so zu tun, als wäre alles wie gewohnt und als hätte mir ihr Bruder nicht vor ein paar Stunden das Herz aus der Brust gerissen. Ich fragte mich, ob er Sabrina tatsächlich zustimmte oder ob er dies nur aus Wut zu mir sagte. Zumindest schien ihn unser Streit nicht wirklich zu stören, denn er setzte sich gemütlich an den Tisch, nachdem er seinen Teller vollgemacht hatte und aß ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich jedoch hatte mir nur zwei Pancakes genommen und aß, ohne wirklichen Hunger zu verspüren. Augenblicklich war mir schlecht und ich wusste nicht, ob ich diese kleine Menge in mich reinstopfen konnte. Und während alle so redeten, als wäre nichts passiert, war ich in meinen Gedanken gefangen und fühlte einen kleinen Schmerz, der sich langsam aber sicher in mir ausbreitete. Ich hatte Liebeskummer.

the interview | ✔️Where stories live. Discover now