KAPITEL 4

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J I M I N

Als die Schulglocke erklang, stand jeder hektisch von seinem Stuhl auf, packte seine Sachen zusammen und verließ den Raum. „Ich frag mich echt, was Herr Lee von euch beiden wohl will", gab Jungkook nachdenklich von sich, während er sich neben die anderen beiden stellte, die musterten, wie ich meinen Rucksack schulterte. „Solange er mich nicht mit Min Yoongi in einen Raum steckt, ist mir alles egal", „Hast du keine Angst?", fragte Jin, währenddessen wir das Klassenzimmer verließen und zu den Treppen, die runter zum Physikraum führten, stehen blieben. „Nein, wieso denn? Ich habe ja soweit ich weiß nichts falsch gemacht", beantworte ich seine Frage und zuckte mit den Schultern. „Als ob Jimin jemals etwas falsch machen würde. Der ist viel zu unschuldig", lachte Hobi und legte einen Arm um mich, was mich tatsächlich leicht schmunzeln ließ.

„Okay Leute, ich muss dann mal. Wir sehen uns nachher", verabschiedete ich mich und sah den Jungs dabei zu, wie sie die Treppen runterliefen, wobei ich noch kurz stehen blieb und ihnen zusah, in der Angst, sie würden sich bei ihrer Alberei die Treppen runterschubsen, kann ja bei denen schon mal passieren. Dann seufzte ich, umklammerte die Griffel meines Rucksacks und machte mich auf den Weg zum Sekretariat. Zu meinem Bedauern stand Yoongi schon angelehnt, mit seinem Handy in der Hand, an der Tür. So näher ich ihm kam, desto lauter wurden meine Schritte und er blickte emotionslos zu mir auf. Ich beachtete ihn nicht weiter und lehnte mich mit großem Abstand an die Fensterkante schräg gegenüber von ihm, wartend, dass die Tür geöffnet wurde.

Dann steckte er sein Handy ein und sah mich abwartend an. „Sag schon, was hast du gemacht, dass mich Herr Lee auch sehen will?", fragte er und seine dunkle Stimme hallte durch den leeren Flur. Ich würdigte ihm keines Blickes, denn er nervte mich schon seit heute Morgen und innerlich hoffte ich, er würde mich in Ruhe lassen, wenn ich so tat, als wäre er Luft. „Hey, bist du taub?", fragte er noch einmal, stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu. Immer noch abweisend, rutschte ich weiter nach rechts. Doch, plötzlich packte er mich am Arm und kam mir heute ein zweites Mal so nahe, dass ich diesmal seinen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte. Es blieb mir dann nichts anderes übrig, als ihn anzusehen. „Unwahrscheinlich, dass ich hier das Problem bin", sprach ich meine Gedanken aus und war einwenig verblüfft, dass ich das einfach so laut ausgesprochen hatte.

Er fing an, langsam meinen Arm zu drücken und innerlich verzog ich das Gesicht. „Du bist ganz schön frech", meinte er daraufhin nur. „Wenigstens habe ich kein Aggressionsproblem", und in diesem Moment, wollte ich mich selbst Ohrfeigen. Mit meinen Worten provozierte ich ihn nur noch mehr und er gab sich nicht mal die Mühe, seine Wut zu verstecken. Yoongi wollte gerade seinen Mund öffnen, doch ein Knarzen unterbrach ihn und unseren Blickkontakt.

Yoongi drehte sich schnell um und ließ daraufhin meinen Arm los. Herr Lee hatte gerade die Tür, die zum Sekretariat führte, geöffnet und musterte uns verwirrt. „Ist hier draußen alles in Ordnung?", fragte er und sah zwischen uns beiden hin und her, gleichzeitig nickten wir. Anschließend bat er uns hinein und wir nahmen, nach seiner Handbewegung, Platz. Er ging um uns herum, setzte sich auf seinen Drehstuhl und legte die Hände verschränkt auf die braune Schreibtischunterlage.

„Ihr wundert euch bestimmt, wieso ich euch her gebeten habe, aber vorab es ist nichts schlimmes, ihr habt nichts verbrochen", lachte er und kramte in einem Ordner rum, aus dem er einen Zettel zog und sorgfältig vor sich hinlegte. „Ich komme gleich zur Sache. Und zwar hat deine Mutter, Yoongi, mich kontaktiert und mit mir über deine mathematischen Fähigkeiten gesprochen. Daraufhin habe ich mir deine Mathenoten mal angesehen und habe festgestellt, dass du einige Probleme in dem Fach hast." Yoongi stützte sich an der Stuhllehne ab und sah den Direktor abwartend an.

„Jetzt kommst du ins Spiel, Jimin. Frau Min hat mich darum gebeten, jemanden zu finden, der ihm hilft."

„Hey, warten Sie, Herr L-", „Das verstehe ich nicht ganz, gibt es etwa keinen anderen?", unterbrach ich Yoongi bewusst, hielt jedoch den Blickkontakt zu Herrn Lee stand. Ich konnte mir schon denken, auf was Herr Lee hinaus wollte und mir gefiel es nicht.

„Jimin, du bist einer der besten Schüler hier. Die anderen sind mit den Prüfungen beschäftigt, du nicht. Außerdem geht ihr beiden in die selbe Klasse, was das ganze natürlich vereinfacht. Du kannst den Stoff leicht auffangen und verstehen", überlegend sah ich ihn an. Ich hatte vor, abzulehnen. Das letzte was ich wollte, war Min Yoongi zu unterrichten. „Übrigens ist es auch auf Bezahlung", hing der Direktor auf einmal dran, als er merkte, dass ich nicht vorhatte, ihm zu antworten. Ungläubig sah ich ihn an. Eine Bezahlung? Für ein paar Nachhilfestunden, die von einem normalen Schüler durchgeführt  werden sollten? Seit wann gab es denn sowas? Und war das überhaupt erlaubt?

„Entschuldigung? Ich hab da vielleicht auch noch mitzureden?!", brachte Yoongi aufgeregt von sich und sah zwischen Herrn Lee und mir hin und her. „Meinen Sie, dass mit der Bezahlung ernst?", fragte ich, zog die Augenbrauen zusammen und verschränkte die Arme, es kam mir suspekt vor. „Ja, natürlich. Frau Min bestand darauf und bezahlt sogar Zwanzig Euro pro Nachhilfestunde. Und? Wie klingt das? Überzeugt?", hoffnungsvoll sah er mich an und mich überkam ein mulmiges Gefühl, was mir sagte, dass es nicht richtig sei. Jedoch sah ich es tatsächlich, als eine Option, nicht eher nachhause gehen zu müssen. Zwar würde ich so oder so nicht um meinen Vater herumkommen, aber es würde mir etwas Zeit verschaffen.

„Ich sehe, dass du zögerst, Jimin. Nur bis zu den Prüfungen, dass ist leicht verdientes Geld und du tust damit Yoongi und auch Frau Min etwas gutes. Sie zählt auf dich. Mögt ihr euch beiden denn etwa nicht?", fragte er und sah uns beide verwundert an. „Nein, ich mag ihn nicht und ich habe keine Lust meinen Nachmittag mit ihm zu verbringen!", wurde Yoongi plötzlich etwas lauter, weshalb ich zusammenzuckte, sagte dann aber ohne weiter darüber nachzudenken: „Okay, in Ordnung", „WAS?!", „Großartig Jimin! Ich wusste, dass wir auf dich zählen können. Ich werde Frau Min Bescheid sagen und den Rest besprechen wir noch. Ich entlasse euch jetzt."

𝙎𝘼𝙑𝙀 𝙈𝙀  / 𝙥𝙟𝙢 𝙭 𝙢𝙮𝙜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt