St. 1: Flg. 20 „Apocalypse"

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„Hast du alles?", mit seiner Jacke über der Schulter hängend, stand er in der Tür. Nickend tapste ich auf ihn zu, woraufhin er hinter uns abschloss und dann an meiner Seite die Straße entlang lief.
Es war schwül, die Luft stand regelrecht und roch nach Regen. Dazu die vereinzelten dunklen Wolken, die den rosafarbenen Himmel bedeckten. Ich schätzte die Zeit auf 19 Uhr, die Sonne ging gerade unter. Es war noch früh genug.

Ich begleitete ihn noch nach Hause, weil er unbedingt darauf bestand, mich danach auf jeden Fall zu den Kitas zu bringen.
Er steckte den Schlüssel ins Schloss, woraufhin sich die Tür öffnete und mir gleich der nun allzu gewohnte Geruch des Apartments in die Nase stieg. Das wurde von Mal zu Mal immer schöner.
Ich schlüpfte neben ihm aus meinen Schuhen, weshalb er mich skeptisch ansah.
„Behalt die doch an, ich bin eh gleich wieder da."
„Wir wollten doch essen, oder nicht?" Mit einem Schmunzeln lief ich an ihm vorbei auf die Küche zu.

***

Während ich einen Blick in den Kühlschrank warf, huschte Suna schnell nach oben ins Badezimmer. Hier gab es nichts als Frühlingszwiebeln, Butter, Aufstrich und Fleischklöpse zu finden. Wie der Junge das überhaupt bis jetzt hier alleine so lange überlebt hatte, war mir bei dem Anblick ein Rätsel. Ich beschloss also die anderen Schränke nach Reis oder Ähnlichem zu durchsuchen und wurde tatsächlich fündig.

Reiswasser aufgesetzt, drehte ich mich zu Suna um, dessen Schritte hinter mir im großen Raum ertönten. Mit feuchten Haaren, einer schwarzen Jogginghose und einem ebenfalls schwarzen T-Shirt kam er zu mir gelaufen. Nachdem er die Lage gecheckt und einen Blick über die Zutaten hat fliegen lassen, drückte er mir ebenfalls ein paar gemütliche Klamotten in die Arme.
„Wenn du willst, kannst du auch duschen gehen. Ich mach das hier mit dem Reis, bekomm ich schon hin", zwinkerte er mir zu und schickte mich damit ins Bad.

***

„Du bist so ein Idiot", schmollte ich, nur in einem langen dunkelblauen Shirt hinter ihm stehend. Grinsend drehte er sich zu mir um.
„Passt doch, weiß gar nicht was du hast." Der dunkle Stoff hing mir bis knapp über's Knie und verdeckte damit die wichtigsten Stellen meines Körpers. „War nur ein Spaß. Du kannst dir die Jogginghose holen, die müsste noch in meinem Zimmer liegen." Er widmete sich wieder dem Reistopf.

Ich zögerte einen Moment und ließ meinen Wangen genug Zeit sich rosa zu färben, bevor ich mich an seinen Rücken schmiegte und meine Arme von hinten um seinen Bauch schling. Vorsichtig sah ich an seinem linken Arm vorbei auf die Herdplatten, beobachtete, was er da nun genau zauberte. Sein Kopf neigte sich ein Stück nach unten zu mir.
„Machst du Musik an? Mein Handy liegt auf dem Tisch drüben. Einfach nur die Anlage anmachen, das Verbinden geht von allein."
Ich ließ von ihm ab und dackelte auf sein Telefon zu.

„Was ist dein-", begann ich zu rufen. Stoppte jedoch, als ich sein Hintergrundbild bemerkte. Behutsam strich ich das Ziffernfeld, sowie seine erhaltenen Nachrichten zurück, sodass ich einen klaren Blick drauf werfen konnte. Es ist nicht leicht zu beschreiben, wie ich mich in dem Moment fühlte. Verwirrt vermutlich.
Der Name über einer der Nachrichten brannte sich in meinen Kopf und hinterließ ein Augenrollen in meinem Gesicht.
Da war es wieder, dieses Stechen in meiner Brust. Dieser wunderschöne Schmerz, der alles kribbeln ließ.

„Alles okay?", sein Kopf drehte sich zu mir um, „Oh."
Ich sah ihn mit großen Augen an, während er sich schlendernd auf mich zu bewegte. In seinem Gesicht lag ein verunsichertes Lächeln. Wie versteinert stand ich da, als er dann direkt vor mir stand und einen Blick auf den Bildschirm warf, auf dem noch immer mein Daumen lag und die Nachricht von „Rodney <3" zur Seite schob.
Und über den Bildschirm zog sich die 4-Bilder Collage von unseren Spiegelbildern in der Umkleide. Auf dem in der Ecke oben links hielt er seinen Arm um mich geschlungen und hatte ein stolzes Lächeln auf den Lippen, während ich mir das Lachen nur so verkneifen musste, um das Bild nicht komplett zu versauen. Innerhalb der anderen Fotos wechselten sich die Positionen immer wieder.
Ich erinnerte mich an jede klitzekleine Bewegung an diesem Tag. An dem dazugehörigen Abend. Wie er seinen Kopf zur Seite drehte, beschämt. Wie ich seinen Kopf zwischen meine Hände nahm und ihn dann einfach küsste.

Suna hatte diesen unfassbar kostbaren Moment zwischen ihm und mir dokumentiert. Ich würde ihn immer und immer wieder zu sehen bekommen. Und immer wieder aufs Neue stiege Feuer in meinen Augen auf, so schön war es anzusehen. Nur ein paar Bilder, vielleicht 7 Stück insgesamt, kein Ton, nur er und ich, die sich gegenseitig zum Affen machten und es liebten.
Es war sein Hintergrund. Er sah es sich mehrmals am Tag an, es war ihm genauso wichtig wie mir. Das war vermutlich der Grund, weshalb ich so emotional wurde.

Er lief ein Stück auf die Anlage zu und blieb vor ihr stehen, bis ein leiser Ton erklang. Wenige Sekunden darauf spielte das erste Lied im Hintergrund. Es waren erst nur ganz leise, sanfte Töne, zu denen nach kurzer Zeit ein leiser Bass gespielt wurde und dann der ruhige Gesang einsetzte.
Suna drehte sich zu mir um, kam ein paar Schritte auf mich zu gelaufen und streckte mir mit einem kleinen Lächeln seine Hand aus.
Ich legte meine auf seine, woraufhin er mich dicht an sich zog. Seine rechte Hand lag an meinem unteren Rücken, mit der anderen hielt er die meine neben unseren Körpern in der Luft. Unsere Oberkörper berührten sich, ich spürte seinen warmen Atem an meinem Haar. Wir wippten nur ganz langsam in stillen Bewegungen hin und her.
Nachdem der Refrain einsetze, sah er mich an, blickte mir in die Augen. Seine Lippen formten stumm die Wörter des Gesangs.

„Kisses on the forehead of the lovers wrapped in your Arms."

Danach beugte er sich langsam ein Stück vor und küsste mich sanft auf die Stirn, legte dann seinen Kopf neben meinen. Unsere Wangen berührten sich. Ein warmes, erfülltes Lächeln überzog meine Lippen.
„Wie heißt das Lied?", fragte ich leise, während es weiter im Hintergrund lief und diesen Moment zwischen uns untermalte. „Apocalypse", flüsterte er.

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Und damit wäre dann auch der wohlmöglich ungewöhnliche erste Name der Story geklärt. Da sich der Name nun geändert hat, ist die Stelle wohl nicht mehr allzu wichtig. Ich fand das Wort sehr hübsch, außerdem das Lied. Ich fand nämlich, dass sich das Schreiben der Story genau so angefühlt hat, wie dieses Lied sich beim Hören anfühlt. Schwer zu beschreiben glaub ich.

<3

Limerence // Suna Rintarō x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt