2. Kapitel

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Erschrocken schlug ich mir die Hand vor den Mund, um einen leisen Entsetzensschrei zu ersticken. Dann hatte Vater ihn also nicht aufhalten können. Aldon hatte sicher, nachdem er entdeckt hatte das ich fort war, erraten (und selbst, wenn er das nur geschafft hatte, weil er mich so gut kannte) was mein erstes Ziel war, und hatte kurzerhand beschlossen vor mir dort anzukommen. Das war ein Problem. Wenn ich in Bree ankommen würde und er mich dort entdeckte, könnte er mich einfach dazu zwingen mit ihm zu kommen. Selbst gegen meinen Willen. Ich schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Ich musste jetzt kühlen Kopf bewahren, wenn ich meine neue Freiheit behalten wollte. Ich blickte ihm nach, seine Gestalt wurde immer kleiner, bis er nur noch ein kleiner Punkt am Horizont war und schließlich ganz verschwand. Im Ort würde Aldon in jedem Gasthaus fragen, ob sie ein junges Mädchen mit grünen Augen und dunkelbraunen Haaren gesehen hätten, welches allein reiste. Und sollte ich dann dort sein, fände er mich mit Sicherheit. Ich musste schlauer sein als er. Langsam stand ich auf und schüttelte den Kopf, um meine Gedanken zu ordnen: Aldon war auf der Suche nach mir, er würde nicht aufgeben, er würde vor mir in Bree ankommen. Was also konnte ich jetzt tun?

Als ich endlich wieder bei meinem provisorischen Lager ankam, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Mir war nicht bewusst gewesen das ich mich tatsächlich so weit entfernt hatte. Und dann hatte ich mich in der Aufregung auch noch mehrmals verlaufen. Seit 24 Stunden hatte ich jetzt nicht mehr geschlafen und mir fielen vor Müdigkeit fast die Augen zu. Der Schalf zehrte an meinen Kräften und so kratzte ich mit letzter Kraft etwas getrocknetes Laub zusammen und ließ mich darauf nieder, um zunächst ein wenig zu schlafen. Weiterreiten konnte ich nach dem langen Nachritt sowieso nicht, also konnte es nicht schaden erst einmal wieder zu Kräften zu kommen. Ich schloss die Augen und glitt hinüber in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Tropf, Tropf, Tropf.

Ich schüttelte den Kopf um die Nässe von meinem Gesicht zu vertreiben.

Tropf, Tropf, Tropf.

Genervt schlug ich die Augen auf. Die Sonne war, der Dämmerung zu entnehmen, bereits untergegangen und es regnete in Strömen. Meine Kleidung war vollkommen durchnässt, genau wie mein Gepäck und in diesem Moment bereute ich es zutiefst, keinen Umhang dabei zu haben. Feanor hatte sich schützend neben mich gestellt um wenigstens teilweise den Regen abzuhalten, was ihm aber leider nicht wirklich gelang. Murrend stand ich auf und schüttelte meinen steifen Glieder. Als ich vollständig wach war, packte ich meine wenigen Sachen zusammen und schnallte sie auf Feanors Rücken. Sein dunkles Fell war vom nass vom Regen, doch darunter spürte ich die warmen, starken Muskeln meines treuen Begleiters. Sanft strich ich ihm übers Maul. Seine weichen Lippen knabberten leicht an meiner Hand, lächelnd zog ich eine Karotte aus einer Tasche und gab sie ihm. Dieses Leckerli hatte er sich wirklich verdient.
Ich verscharrte die Überreste meines kleinen Lagers und führte ihn dann zwischen dem Unterholz hervor ins Freie.

Ich guckte nach links und rechts, die Straße war verlassen, und schwang mich dann auf mein Pferd. Ich presste ihm die Schenkel in die Seiten und trieb ihn so lange an bis wir im Galopp über den nassen Sand preschten. In dieser Nacht drang das Licht des Mondes kaum durch die Wolken am Himmel hindurch, weshalb wir bald das Tempo drosselten um uns nicht zu verirren.

Einige Tage ritt ich so auf Feanor immer weiter nach Osten, bis ich schließlich, in einer kalten und regnerischen Nacht, was sehr untypisch für den Sommer war, die Lichter der Stadt Bree vor mir sah. Ich bremste meinen Hengst ab, sodass wir schließlich trabend vor den Toren Brees ankamen. Ich stemmte mich aus dem Sattel und schlammspritzend gelangte ich auf den Boden. Mit, vom Reiten, wackeligen Beinen ging ich auf das massive, hölzerne Stadttor zu und klopfte laut an die Tür des Pförtners. Mit einem leisem Knarren öffnete der Mann hinter dem Tor eine kleine Klappe und starrte mich an. Ich starrte zurück. Ergraute Haare hingen ihm ins Gesicht und seine buschigen Augenbrauen verdeckten fast gänzlich seine wässrigen grauen Augen. „Wer seit ihr und was wollt ihr in Bree?", fragte er mürrisch. Ich runzelte die Stirn, damit hatte ich nicht gerechnet und mir somit auch keine passende Antwort überlegt. Etwas überrumpelt antwortete ich barsch: „Ich bin die Tochter von dem Bauer Bert aus Weisfurchen und ich soll Saatgut kaufen. ", vielleicht wäre es besser gewesen mir eine andere Identität zu geben, doch darüber hatte ich in nicht nachgedacht. Er sah nicht sehr überzeugt aus, trotzdem fragte er nicht weiter nach.„Ist ja gut, ich bin verpflichtet, jeden der bei Nacht an dieses Tor klopft zu fragen.", er notierte sich etwas in ein vergilbtes Büchlein, schniefte zweimal und stand dann ächzend auf um mich herein zu lassen. Ich packte Feanor's Halfter fester und zog ihn hinter mir her. Der Mann schloss hinter uns das Tor und wollte sich gerade wieder abwenden, als mir noch etwas einfiel: „Wisst ihr vielleicht wo ich mein Pferd unterstellen kann?" Ohne sich umzudrehen, setzte er sich wieder in die Pförtnerhütte und murmelte unverständlich: „Beim Gasthaus zum tänzelnden Pony, an der Hauptstraße, gibt es Stallungen für die Reittiere der Gäste."

All left behind (abgebrochen)Where stories live. Discover now