5. Kapitel

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Stille. Absolute Stille umgab mich. Ich schwebte wie auf Wolken. Bis mich der harte Schlag der Realität mit voller Wucht traf. Ich spürte den festen Boden unter mir, hörte die Geräusche des Waldes in voller Lautstärke und sah den blauen Himmel über mir. Das helle Licht blendete mich, mein Kopf hämmerte. Ich stöhnte und rieb mir die Augen. Meine Lunge stach bei jedem Atemzug und meine Hände waren, bei näherer Betrachtung, aufgeschürft und blutig. Ich schaffte es schließlich mich aufrecht hinzusetzten und guckte mich das erste Mal gründlich um. Ich war wieder auf einer Lichtung. Um mich herum standen Eichen und Kiefern so dicht beieinander, als wollte man meinen sie würden mich einsperren. Schwankend kam ich auf die Füße. Mein Beutel hing mir noch um die Schultern, doch die Felle musste ich unterwegs verloren haben. Meine Hand hielt noch immer das Messer fest umschlossen. Blut glänzte darauf, ich wischte es schnell an meinem Umhang am. Mit der Hand stützte ich mich an dem Stamm einer Buche ab und holte Luft. Ich musste Feanor finden und hier wegkommen. Mit Müh und Not schaffte ich es dann schließlich weiterzugehen. Ich fand auch die Felle wieder, sie mussten mir wohl aus dem Arm gefallen sein und lagen nun neben zwei großen, mit Moos bewachsenen Felsen. Ich sammelte sie ein und ging weiter, doch plötzlich hörte ich in der Nähe ein Geräusch. Es war halb Schnauben, halb Wiehern und es kam mir äußerst bekannt vor. Gespannt folgte ich den Geräuschen. Sie führten mich in einen dunkleren Teil des Waldes, an dem ein kleiner Bach murmelnd dahin floss. Begierig stürzte ich mich auf das Wasser und schöpfte mir mit einer freien Hand etwas davon in den Mund. Die Flüssigkeit tat mir gut. Ich wusste nicht, wie lange ich schon nichts mehr getrunken hatte, mein Körper musste völlig dehydriert sein. Schnell nahm ich meinen Wasserschlauch aus dem Rucksack und füllte ihn wieder auf, da ich nicht wusste wann ich das nächste Mal an einer Wasserquelle vorbeikommen würde . Ich lehnte mich schließlich etwas zurück und schaute mich um: Der Boden war mit noch grünen Nadeln bedeckt und bildete somit einen weichen Untergrund. Die mächtigen Wurzeln der Bäume waren mit einer dicken Schicht Moos bedeckt und ganz oben im Geäst sang ein Vogel. Dann erregte ein großes Gestrüpp meine Aufmerksamkeit. Es bewegte sich sehr merkwürdig, also stand ich vorsichtig auf und ging um es herum. Die Geräusche von vorhin waren nun wieder deutlich zu hören und eine Vorahnung beschlich mich. Und ich hatte tatsächlich Recht! Hinter dem Busch stand mein Pferd Feanor. Eine starke Woge der Erleichterung überkam mich, ich schlang meinem Hengst die Arme um den Hals und presste mein Gesicht in sein warmes und duftendes Fell. Was hätte ich bloß getan wenn ich meinen Begleiter nicht mehr gefunden hätte? Die Reise abbrechen? Ich wusste es nicht.
„Ich bin so froh, dass wir wieder zusammen sind!", flüsterte ich ihm ins Ohr. Er wieherte zustimmend, was mir ein kleines Lachen entlockte.

Ich bepackte Feanor wieder mit meinen Sachen, ließ ihn aus dem Bach trinken und saß dann auf. Ich hatte keine Ahnung mehr wo wir waren, doch eines wusste ich: Ich wollte unbedingt schnellstmöglich wieder auf die Straße kommen und hinaus aus diesem Wald. Die Sonne stand inzwischen nicht mehr ganz so hoch am Himmel, woraus ich schlussfolgerte, dass in ihrer Richtung Westen war. Da ich allerdings nach Osten musste, beschloss ich in die entgegengesetzte Richtung zu reiten. Ich gab meinem Pferd ein Zeichen und sofort lief er los. Wir kamen an vielen kleinen Bächen und etlichen Bäumen vorbei, doch schließlich brach die Dunkelheit aus und ich konnte die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Wir irrten noch eine Weile ziellos durch den Wald, bis ich mir niedergeschlagen eingestand das es keinen Sinn mehr ergab weiterzumachen. Ich stieg ab und suchte nach einem geeigneten Nachtlager. Mit zusammengekniffenen Augen konnte ich gerade noch einen großen Felsen erkennen, der ganz in der Nähe lag. Er musste schon Jahrtausende dort liegen, denn Moos, Flechten und andere Pflanzen hatten ihn eingeschlossen. Er war zerklüftet, doch seine Kanten waren abgerundet. Vielleicht floss einst ein Fluss an ihm vorbei, der ihn ausgewaschen hatte. Ich band Feanor, diesmal etwas fester, an einer in der Nähe stehenden Eiche fest und nahm ihm seine Last ab. Ich breitete die Felle unter einem kleinen Felsvorsprung aus und legte dort meinen Rucksack ab. Ich suchte in der Nähe nach Brennholz, fand aber nur ein paar verkümmerte Äste. Aber das war immerhin besser als nichts. Ich legte sie auf einen Haufen und versuchte mit meinen Feuersteinen ein Feuer zu entfachen, was mir nach ein paar Versuchen auch gelang. Erschöpft legte ich mich hin, schloss die Augen und trieb langsam in einen unruhigen Schlaf.

Ich spürte etwas warmes und nasses an meiner Wange und schreckte hoch, wobei ich mir den Kopf an einem Stein stieß. Stöhnend rieb ich mit den Schädel und kroch fluchend ins Freie. Feanor stand da, mit leicht schrägem Kopf und blickte mich aus seinen großen Augen unschuldig an. Doch ich fiel nicht darauf rein und würdigte ihn nicht eines Blickes. Die Sonne ging gerade auf und schien warm auf mein Gesicht, die Vögel sangen in den Bäumen und ein paar Bienen und andere Insekten schwirrten durch die Luft. Es war ein wirklich idyllischer Morgen. Dennoch packte ich zügig alles zusammen und schnallte es auf Feanorˋs Rücken.
Wir waren vielleicht zwei Stunden geritten, als die Bäume sich langsam lichteten und ich zwischen ihnen etwas erkennen konnte. Es war die Straße, welche immer wieder zwischen den Stämmen hervor blitzte. Erfreut zog ich das Tempo an und schon bald galoppierten wir zwischen den Bäumen hervor und auf die Straße, wo wir stehenblieben. Ich atmete die frische Luft ein, die ein Windstoß brachte und blickte in die Ferne. Ich konnte am Horizont ein paar mittelgroße Hügel sehen, deren Namen mir aber unbekannt waren. Ich blickte nach Osten, die Straße erstreckte sich viele Meilen über das Land bis sie irgendwann verschwand. Voller Zuversicht musterte ich den Weg der mir bevorstand und erneut drückte ich meinem Begleiter die Schenkel in die Seiten und wir rasten dem Horizont entgegen.

All left behind (abgebrochen)Where stories live. Discover now