3. Kapitel

9 1 0
                                    

Das unerträglich schrillende Klingeln, eines kleinen Glöckchens neben meinem Bett, riss mich unbarmherzig aus dem Schlaf. Nun ja, jedenfalls hätte es so sein sollen. Stattdessen starrte ich schon seit Stunden an die Decke, die aus schweren Eichenbrettern und Querbalken bestand. Auf einem dieser Balken lag mein Schwert. Sicher versteckt vor neugierigen Augen.

Das unerträgliche Bimmeln verstummte endlich und ich setzte mich auf. In wenigen Minuten musste ich unten am Ofen sein, Brot backen und Gläser polieren. Ich seufzte, so hatte ich mir das alles nicht vorgestellt. 13 Tage saß ich nun schon hier fest, in diesem muffigen Gasthaus. Nicht das es nicht ganz nett war, Donna war zu einer echten Freundin geworden und Butterblume bezahlte wirklich gut: 4 Silberpfennige pro Tag. Nichtsdestotrotz war meine Zeit hier in Bree abgelaufen, dass wusste ich. Ich ließ meinen Blick in der Kammer schweifen, sie war karg eingerichtet: nur ein Bett, eine Truhe und eine Schüssel mit Wasser auf einem kleinen Tisch waren darin. Gegenüber der Tür war ein kleines schmutziges Fenster in die Wand eingelassen, durch das ein dünner Strahl Sonnenlicht in mein Gesicht schien.

Ich stand auf, ging zur Wasserschale und spritze mir etwas von dem kalten Nass ins Gesicht um meine Lebensgeister zu wecken. In den vergangenen Wochen hatte ich oft und lange über vieles nachgedacht. Zum einen über meinen Bruder, er war nicht mehr im Dorf, wie ich von einigen Händlern erfahren hatte, die einen großen Jungen Mann fortreiten gesehen hatten, welcher so aussah wie er, wahrscheinlich durchsuchte er gerade die anderen 3 Orte hier im Breeland. Aber er würde sicher bald zurückkommen. Deshalb musste ich auch so schnell wie möglich aufbrechen. Das brachte mich zu meinem nächsten Punkt: Ich hatte ausführlich mit Tom über mein nächstes Ziel geredet und schließlich waren wir zu dem Schluss gekommen, dass Bruchtal, im Osten, eine gute Wahl wäre. Dort würde ich sicher vor Aldon sein, konnte mich ausruhen, Rat von den Elben einholen und schließlich weiterreisen. Der Weg dorthin war nicht ohne, dass wusste ich, aber das konnte mich nicht abschrecken. Außerdem wollte ich unbedingt Elben sehen. Von ihnen konnte ich sicher viel lernen, was mir auf meiner Reise helfen konnte.

Ich ging zu meiner Truhe, in der mein Kleid, ordentlich zusammengefaltet, dalag, das ich, wären ich hier arbeitete, tragen musste. Ich öffnete den schweren Deckel und nahm es heraus. Es war einfach, aber nicht unansehnlich. Dunkelgrüner samtener Stoff mit weißer Spitze an Ärmeln und Kragen. Seufzend legte ich mein Leinenhemd ab und zog mir das Kleid an. Es war schon ein wenig abgenutzt, wahrscheinlich war ich nicht die Erste die es trug, und etwas zu kurz am Saum. Allerdings störte mich das wenig. Ich betrachtete mich in einem kleinen Spiegel an der Wand. Ich würde mich nie als besonders hübsch bezeichnen, obgleich ich das Grün meiner Augen und meine dunklen Haare sehr mochte. Eben diese standen mir wild vom Kopf ab und ich griff zum Kamm. Haare zu kämmen gehörte nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber hier musste ich es tun um sie später von Donna hochstecken zu lassen.

Als ich schließlich fertig war verließ ich das Zimmer und trat auf den Flur. Die Tür hinter mir zuziehend sah ich Donna, die schon auf mich wartete. Ich hatte ihr von meinen Abreiseplänen erzählt und heute wollten wir ein paar Besorgungen machen.
„Ich finde es so schade das du gehen musst.", meinte sie als wir hinunter gingen. „Ich weiß, aber ich werde gehen. Ich hatte nie vor, so lange hier zu bleiben und die Zeit Abschied zu nehmen ist nun gekommen.", antwortete ich ihr bestimmt. Als wir unten angekommen waren winkte uns schon Butterblume zu sich „Heute früh müsst ihr nichts machen, ich hab schon alles erledigt. Ihr könnt jetzt eure Besorgungen machen.", freundlich zwinkerte er uns zu. Nachdem wir uns überschwänglich bedankt hatten nahmen wir unsere Wollmäntel und traten auf die Straße. Feiner Nebel hing über den Dächern, eine leichte Kühle lag über dem Ort, wie eine unheilvolle Ahnung. Die Sonne schickte nur vereinzelte Strahlen durch die graue Wolkendecke am Himmel. Dafür das Sommer war, war es ungewöhnlich kalt. Nur wenige Leute waren schon wach: die ersten Händler bauten ihre Stände auf und ein paar Frauen spannten verblichene Laken über eine Leine, die sie im zweiten Stock über die Straße gespannt hatten. Wir traten den Weg nach links an, um zuerst auf den Marktplatz zu gelangen. Er war gesäumt von Fachwerkhäusern und viele kleine Gassen gingen von ihm ab, wie in einem Spinnennetz. Wir liefen zu den Ständen die schon verkaufsbereit waren und erworben ein kleines Jagdmesser, 2 größere Felle, einen Ledersack und eine Karte, welche den Westen Mittelerdes abbildete. Sie war kunstvoll gezeichnet, ich bewunderte die filigranen Details am Rand und die winzige Schrift, mit der die Bezeichnungen geschrieben wurden.
Zuletzt wollten wir noch zu einem etwas größeren Geschäft, das Kleidung verkaufte. Ich brauchte nämlich dringend eine neue Ausstattung. So kam es, dass wir eine dunkelgrüne Kapuze und neue Lederstiefel, sowie Fellhandschuhe und einen langen Gürtel kauften. Recht zufrieden gingen wir mit unseren Sachen wieder ins tänzelnde Pony. Und auf dem Weg dahin, sah ich es: in einem Schaufenster hängend, grüner fließender Stoff mit Einschnitten an den Beinen für mehr Bewegungsfreiheit. Feine goldene Stickereien zierten den Saum. „Wunderschön", entfuhr es mir, „wieviel kostet dieses Kleid?"

Eine kleine Glocke an der Tür kündigte mein Betreten des Ladens an. Die Wände waren holzvertäfelt und an der Decke hing ein schwarzer Kronleuchter an dem Kerzen brannten. Ich sah zuerst niemanden bis ich mich ein klein wenig weiter hineinwagte und schließlich eine kleine, rundliche Frau zwischen 2 großen Stoffbahnen entdeckte. Ich ging geradewegs auf sie zu „Wieviel kostet das Kleid dort im Schaufenster?", fragte ich sie drängend. Sie kniff die Augen zusammen und trat um mich herum um es selbst in Erscheinung zu nehmen. „9 Silberpfennige mindestens.", sagte sie schließlich. Enttäuschung machte sich schlagartig in mir breit, soviel Geld hatte ich nicht mehr. Mein gesamtes Erspartes war für die anderen Sachen draufgegangen. Niedergeschlagen wollte ich mich gerade verabschieden und dann den Laden verlassen, als plötzlich Donna auf mich zugeeilt kam. „Warte!", keuchte sie außer Atem. Sie stütze sich mit den Händen auf den Knien ab und kramte gleichzeitig in einer ihrer Taschen. Schließlich holte sie 9 oder 10 runde, silberne Münzen hervor. „Ich kaufe dir das Kleid.", sagte sie bestimmt. „Das kann ich nicht annehmen!", bestimmt verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Du kannst und du wirst.", sie reichte der Verkäuferin das Geld und sah mich herausfordernd an. Ich schüttelte den Kopf „Warum?", war das Einzige, was ich sagte. „Du hast mir schon soviel geholfen und ich möchte dir einmal etwas zurückgeben! Das bin ich dir schuldig" „Du bist mir gar nichts schuldig! Ohne dich wäre ich hier absolut verloren.", aber da ich wusste, dass mit Donna zu diskutieren keinen Sinn hatte, hielt ich schließlich den Mund und ließ sie das Kleid bezahlen.

„Du wirst mir wirklich fehlen Naira. Aber sag, wohin wird dein Weg dich nun führen?", ich saß neben Donna an einem Tisch unten im Gasthaus um mich von ihr zu verabschieden, denn in wenigen Stunden würde ich abreisen.
„Als erstes nach Bruchtal und dann ... werde ich sehen wohin die Straße mich führt.", Donna hielt meine Hände so fest umklammert, als wäre sie eine Ertrinkende und ich etwas, an dem sie sich festhalten konnte. „Sei bitte vorsichtig, ja? Pass gut auf dich auf.", bat sie mich. „Das werde ich, versprochen. Ich werde versuchen dir von Bruchtal aus einen Brief zukommen zu lassen!",munterte ich sie auf.
„Das wäre wirklich wunderbar."
Ich ließ sie los, stand auf und trat zur Tür. „Also dann, Naira, leb wohl.", sie saß dort, wie ein Häufchen Elend, dass ich einfach nicht anders konnte, als ihr etwas Hoffnung zu schenken: „Wer weiß, vielleicht komme ich schon bald zurück." Damit schloss ich die Tür endgültig hinter mir und ging zurück in mein Zimmer.

Die Mittagssonne stand bereits hoch am Himmel als ich oben im Gasthaus auf meinem Bett saß. Meine Sachen standen gepackt vor mir. Mein Schwert war sicher an meinem Gürtel befestigt. Ich hatte mir mein neues Gewand angezogen und mir meinen Mantel mit der grünen Kapuze umgelegt. Ich erhob mich und verließ den Raum und dann das Gasthaus. Ich hatte mich bereits von allen verabschiedet. Die kleine Gasse führte mich zu den Stallungen und ich ging geradewegs zu Feanor's Box. Die alten Holzklappen knarrten als ich sie öffnete, dann trat ich ein. Im Inneren erkannte ich schemenhaft meinen Hengst der mich aus seinen dunklen Augen freundlich anguckte. Ich war lange nicht mehr hier gewesen, denn im Gasthaus war immer viel zu tun. Ich nahm Sattel und Zaumzeug von einer Halterung an der Wand und sattelte Feanor. Meine Sachen verstaute ich in den Satteltaschen oder schnallte sie auf seinen Rücken. Dann schließlich, führte ich ihn aus der Box und wir gingen zusammen zur Hauptstraße. Viele Leute waren um diese Zeit unterwegs, sodass es schwierig war sich durch die Menge zu drängeln, noch dazu mit einem Pferd. Gerade hatte ich mich flüchtig bei einem Hobbit entschuldigt, dem ich aus Versehen auf die Füße getreten war und wollte mich dann an einer jungen Frau mit blonden Haaren vorbeischieben, als ich ihr ins Gesicht blickte. Calen. Meine ältere Schwester. Ihr üppigen blonden Haare umarmten ihr schmales Gesicht und ihre Augen, die die selbe Farbe hatten wie die meinen, blitzten mich erstaunt an. Ich musste einen Blick des Entsetztens aufgesetzt haben, denn sie packte mich fest an der Schulter „Naira, endlich haben wir dich gefunden! Komm mit uns nach Hause, bitte.", sagte sie dann. Doch ich schüttelte nur abwehrend den Kopf und riss mich von ihr los. Einige Schritte stolperte ich zurück bevor ich mich wieder gefangen hatte und mich auf Feanors Rücken schwang. Ich schaute noch einmal zurück. Dort stand sie, verloren in der Menge aus Fremden und schaute mich verwirrt an. Bis ein Mann sie am Arm packte und ihrem Blick folgte. Der ihn zu mir führte. Stechend blaue Augen bohrten sich in meine und ich erstarrte vor Angst und Entsetzten. Aldon, mein Bruder, Verfolger, ein Grund weshalb ich fort ging. Mein Albtraum. Ich drückte meinem Hengst die Schenkel etwas zu fest in die Seiten und er setzte sich sofort in Bewegung. Genau wie mein Bruder. Er griff nach den Zügeln seiner Stute und saß auf, wie ich noch im Augenwinkel erkennen konnte, bevor ich die Flucht ergriff.

Hallo liebe Leser,
Tut mir leid, dass schon wieder so lange kein Update kam. Aber ich hoffe euch hat das neue Kapitel gefallen!

All left behind (abgebrochen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt