4. Kapitel

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Menschen sprangen erschrocken zur Seite und riefen mir wüste Beleidigungen hinterher, als ich auf Feanor durch die engen Gassen Bree's preschte. Wir warfen Körbe mit Gemüse und Obst um, zerbrachen Tontöpfe und verursachten fast eine Massenpanik, als wir durch die engen Gassen galoppierten. Hinter mir hörte ich die Rufe meines Bruders, doch ich achtete nicht auf sie und ritt unbeirrt weiter.

Dann sah ich es: am Ende der Straße war das Südtor. Und es stand offen. Jedoch nicht mehr lange, denn es passierte gerade ein Wagen den Durchgang und zwei kräftige Männer machten sich an den Torbögen zu schaffen um sie wieder zu schließen, sobald der Wagen hindurch war.

Ich witterte meine Chance Aldon abzuschütteln. Also drückte ich Feanor fest die Schenkel in die Seiten und trieb in so zu noch schnellerem Tempo an. Ich würde vor meinem Bruder das Tor passieren, welches sich kurz nach mir schließen würde und er wäre ausgebremst. Doch mir blieb nicht mehr viel Zeit, denn gleich wäre es geschlossen und damit meine Freiheit dahin.
Schnell näherten wir uns dem Tor. Nur noch 50 Meter. „Macht Platz!", brüllte ich so laut, dass die Männer kurz erschrocken innehielten und Feanor preschte durch das Portal. Mein linkes Knie streifte dabei den linken Torflügel, der Schmerz der mir ins Bein fuhr raubte mir den Atem, doch ich war frei! Denn hinter mir schlossen sich die Tore endgültig. Die wütenden Rufe meines Bruders, welcher brüllte und tobte vor Wut, hallten noch hinter mir wieder, bevor wir um die nächste Biegung gallopierten.

Die Sonne schickte ihre letzten goldenen Strahlen über das Land. Schon seit Stunden saß ich im Sattel und langsam schwanten meine Kräfte. 10 Meilen, so schätzte ich, lagen jetzt wohl zwischen mir und Bree. Mein Mund war ausgedörrt vor Durst und mein Magen schmerzte vor Hunger. Ich musste nun dringend eine Rast einlegen. Ich stieg von Feanors Rücken und ging beinahe zu Boden. Ich hatte fast keine Kraft mehr mich oben zu halten, trotzdem raffte ich mich auf undführte mein Pferd links von der Straße. Wir liefen in einen dunklen Wald hinein, welcher uns hoffentlich etwas Schutz bot. Der Geruch nach Kiefernnadeln und feuchtem Waldboden drang mir in die Nase und ich atmete tief ein. Unter den dichten Baumkronen wäre ich geschützt vor jeglichem Wetter.

Mir war natürlich klar das ich kein Feuer machen durfte, trotzdem sehnte ich mich nach etwas Wärme. Aber ein Lagerfeuer wäre viel zu auffällig, womöglich würde es meinen Bruder oder andere Gestalten anlocken, in der Hoffnung, jemanden ausrauben zu können. Ich guckte mich suchend nach einer halbwegs geschützten Stelle um, an der ich mein Nachtlager aufschlagen konnte. Schließlich fand ich etwas passendes: eine kleine Mulde am Fuß einer mächtigen Kiefer mit bis zum Boden hängenden Ästen, welche mich vor neugierigen Blicken verbergen würden. Ich band Feanor lose an einen der besagten Äste, damit er sich im Notfall losreißen konnte. Dann nahm ich im mein Gepäck sowie den Sattel ab und legte alles neben ihm ab.

Eines der Felle legte ich auf den Waldboden, das andere wickelte ich um meinen Körper. Ich streifte mir noch meine Fellhandschuhe über, dann griff ich in eine meiner Taschen und zog meinen Lederbeutel gefüllt mit Wasser, einen Laib Brot und ein Stück Käse hinaus. Ich nahm große Schlucke aus dem Trinkbeutel, die klare Flüssigkeit rann in meine ausgetrocknete Kehle. Mit meinem Messer, das in meinem Stiefel steckte, schnitt ich ein großes Stück aus dem Brot und ebenfalls ein Stück aus dem Käse. Der Geruch des frischen Brotes und der des würzigen Käses stieg mir in die Nase und das Wasser lief mir im Mund zusammen. Ich verschlang beides in rekordverdächtiger Geschwindigkeit.
Als ich mich schließlich hinlegen wollte, fuhr mir wieder ein stechender Schmerz ins Bein, der mich an mein verletztes Knie erinnerte. Mit zitternden Händen zog ich den Stoff von meiner Haut, sie war blau und grün angelaufen und leicht geschwollen. Ich schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Morgen sähe es bestimmt schon etwas besser aus. Ich schlang das Fell fest um mich und rutschte noch tiefer in die Kuhle.

Ich schlief friedlich in einem weichen warmen Bett auf unserem Heuboden, eine Biene flog nah an meinem Gesicht vorbei. Der leichte Windhauch ihrer Flügel weckte mich sanft. Von unten hörte ich die Stimmen meiner Familie und das Klappern von Geschirr, dann vernahm ich die Stimme meines Vaters „Aufwachen, Naira! Es gibt Frühstück.", rief er nach oben. Ich schlug die Augen auf.

Und war wieder im Wald, ich hatte bloß geträumt. Nebelschwaden hingen tief zwischen den Bäumen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und Dunkelheit umgab mich. In nächster Nähe hörte ich Schritte, eine heisere Stimme und das Kratzen von Metall auf Metall. Sofort war ich hellwach, meine Hand lag auf meinem Schwert. Langsam, ganz langsam richtete ich mich auf, um auch ja kein Geräusch zu machen. Ich blickte zwischen den Ästen hindurch und sah zwei schwere Stiefel über den Waldboden stapfen. Sie waren nur 10 Meter von meinem Versteck entfernt. Mein Herz raste, genau wie meine Gedanken. Was konnte ich jetzt tun? Sollte ich liegenbleiben bis die Person fort war, oder sollte ich lieber kämpfen?

Ich entschied mich gegen beides. In geduckter Haltung packte ich leise meine Sachen zusammen: Mein Proviant war bereits in meinem Lederbeutel und die Felle schnürte ich rasch mit einem Stück Seil zusammen. Die Schritte hatten sich inzwischen wieder etwas entfernt, also kroch ich samt meinem Hab und Gut über die weichen Kiefernnadeln zum Rand der Kuhle und späte darüber. Sofort fiel mir auf, dass Feanor nicht mehr da war, er musste sich losgerissen haben und irgendwo im Wald verstecken. Das war ein Problem: schnell auf Feanor wegreiten konnte ich nun nicht mehr. Ich ließ den Blick schweifen, in der nahenden Morgendämmerung wäre es schwerer unbemerkt zu entwischen als jetzt, wo es noch dunkel war. Vorsichtig stand ich auf und schlich mich von dem Baum weg. Auf dem weichen Untergrund waren meine Schritte lautlos, die tiefhängenden Äste der Bäume schützten mich vor Blicken und doch ging es schief. Denn ich trat auf einen kleinen trockenen Ast und das Knacken halte laut durch den Wald.
Ich erstarrte und wartete darauf, dass ich entdeckt werden würde. Allerdings geschah erst einmal nichts. Ich wagte schon zu hoffen, dass ich unbemerkt geblieben war, doch dann, ganz plötzlich und aus dem Nichts, warf sich etwas schweres von rechts auf mich und drückte mich zu Boden. Die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst. Ich konnte nicht mehr atmen. Irgendetwas drückte schmerzhaft von unten in meinen Rücken. Ich versuchte mich loszumachen, aber vergeblich. Ich rang mit meinem Angreifer, aber langsam schwanden meine Kräfte und kleine schwarze Pünktchen tanzten vor meinen Augen; ich driftete allmählich in die Bewusstlosigkeit ab. Doch dann fiel mir plötzlich mein Messer ein. Es steckte noch immer in meinem Stiefel, wenn ich es mit der Hand erreichen würde, würde ich mich vielleicht befreien können. Mit letzter Kraft machte ich meinen Arm frei und zog mein Jagdmesser hervor. Ich packte es fest am Griff und stieß es der Gestalt auf mir,mit aller Kraft, ins Bein. Ich konnte fühlen wie seine Spitze auf einen Widerstand traf und drückte es noch tiefer ins Fleisch, soweit bis ich einen Knochen splittern hörte. Ein Schrei, wie er nur aus großem Schmerz entstand, drang an mein Ohr und der Druck über mir ließ sofort nach. Ich rollte mich zur Seite und kam stolpernd auf die Beine. Ich wollte weglaufen, doch wohin? Ich drehte mich im Kreis, alles sah gleich aus. Mein Blick fiel auf meinen Angreifer, der am Boden kauerte, winselnd vor Schmerzen. Ich taumelte weiter, vorbei an hohen Bäumen, Büschen und kleinen Felsbrocken. Plötzlich kam der Boden immer näher, ich konnte winzige Ameisen darauf krabbeln sehen. Doch dann wurde alles um mich herum dunkel. Ich sank in tiefe Schwärze und spürte nicht einmal mehr den harten Aufprall auf der Erde.

All left behind (abgebrochen)Where stories live. Discover now