~6~

12 1 0
                                        

1811

Die Kutsche holperte über die schlecht gepflasterte Straße und wir wurden ungemütliche hin und her geschüttelt. Der Kutscher schrie ständig vom Kutschbock und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie dieses heruntergekommene Viertel von London aussehen mag. In meinem Kopf bildeten sich Bilder von halbverhungerten und verwahrlosten Kindern, die bettelend an die Kutsche liefen. Am liebsten würde ich sie alle aufnehmen und ihre Mäuler mit reichlich Essen stopfen. So das sie nie wieder Hunger leiden müssten. Ich vermied es jedoch, den goldbestickten Vorhang unserer prunkvollen Kutsche beiseite zu schieben. Ich konnte dieses Elend nicht ertragen. Keine Sekunde lang. Ich wusste natürlich, dass dies feige, naiv und egoistisch war. Aber diese armen Kinder erinnerten mich nur zu gut daran, wo ich herkam und das meine Zukunft auch so aussehen hätte können. Ich schluckte und versuchte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Grund unseres Besuches zu konzentrieren.

"Es hängt viel von diesem Treffen ab.", sagte ich und wandte meinen Blick Frederick zu. Er saß kerzengerade gegenüber von mir. Diese feine Kleidung ließ ihn schrecklich elegant und gebildet aussehen und als mein Blick bei seinem Gesicht angelangt war, hatte ich die Hoffnung wieder Güte und Liebe darin zusehen. Doch alles was mir entgegenblickte, waren zwei eiskalte, braune Augen. Randvoll mit Hass. Ich biss mir auf die Lippe und versuchte das Bild zu verdrängen, mir meinen Frederick vorzustellen. Den ich geliebt und deswegen geheiratet hatte. Jedoch wusste ich, ich konnte mir nichts mehr vormachen. Alles was von diesem Mann übrig geblieben war, saß vor mir. Ein junger, verbitterter Herzog. "Du musst aufpassen, was du tust." Ich legte all meine Liebe in diesen Blick. Ich musste ihm zeigen, das noch nicht alles verloren war. Das es noch Hoffnung gab für uns und für die Welt. Ich hätte so gerne gesagt, dass wir doch alles zusammen durchstanden und meistern konnten. Doch Frederick fuhr mir dazwischen. "Das ist nicht deine Angelegenheit!", zischte er und ich schreckte zurück. Und wie das meine Angelegenheit war." Ich bin deine Frau, die Herzogin von York und es geht hier um mein Volk und dein Seelenwohl." Ich konnte kaum glauben, wie er mich behandelte. Er war immer anders gewesen, als die anderen Adligen und hatte mich nie wie sein Eigentum ohne Verstand behandelt.

Seine Finger krampften sich um den goldenen Knauf seines Gehstocks, den er eigentlich noch gar nicht nötig hatte. Aber er wollte, damit zweifelslos seine Macht suggerieren und das unglaubliche Vermögen, das er ebenfalls besaß. "Sie haben mir alles genommen." Seine Stimme war so kalt und leblos, dass ich augenblicklich eine Gänsehaut bekam. Ich bin doch noch da, wollte ich sagen. Aber meine Zunge bewegte sich keinen Millimeter. Vielleicht hatten sie ihm auch die Fähigkeit zu lieben, für immer genommen. "Ich habe Olympe und alle anderen doch auch verloren.", flüsterte ich, dass ich fast das Gefühl hatte, die Worte wurden von den schweren Vorhängen verschluckt. Ich blickte auf meinen Ring, der einst ihr gehört hatte und ich meinte in dem Glitzern des Diamanten, das Glitzern ihres Haares zusehen. Wann immer Olympe in der Bücherei meiner Mutter saß und die Sonne ihr bezauberndes Haar strahlen ließ. All die schönen Tage und Nächte, die ich mit der späteren Duchess of Cambridge verbringen durfte, spiegelten sich in diesem einen Ring wieder. "Du kommst nicht mit.", sagte er und riss mich aus meinen friedvollen Gedanken. "Frederick, du bist nicht völlig bei dir. Ich.." "Du wirst es nie verstehen oder?", bellte er. "DU BIST EINE FRAU, noch dazu keine Adlige." Er musste Luft holen. "Ganz England schaut im Moment nur auf uns und ich werde verspottet und respektlos behandelt, weil ich meiner Gattin freie Hand lasse. Die verehrten Herren des englischen Adels finden vor allem deine Bibliotheken für Frauen besonders amüsant." Fredericks Gesicht verzog sich vor Bosheit und ich holte erschrocken Luft. "Das können wir uns im Moment einfach nicht leisten. Du musst einfach nur Frau sein!!", knurrte er und in diesem Augenblick, war nichts mehr von jenem jungen Herzog, der so viele Träume und Version von einer besseren Welt hatte, zusehen. Der Mann, in den ich mich verliebt hatte, existierte nicht mehr.....

Between You and HellWhere stories live. Discover now