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Louisa

"Hey Loui. Alles gut?" fragte John als er zur Tür rein kam.
Mal wieder hatte ich mit meinem Mann 'getanzt' und gesungen. Er freute sich immer wenn ich ein wenig den Kasper raushängen ließ. Er konnte es nicht sagen, aber er zeigte es mir mit seiner Mimik und seinen kleinen aber wunderschönen Gesten.
"Hey Großer ! Soweit alles wie immer. Wie gehts dir?" fragte ich nach und ließ mich von meinem riesigen Bruder in seine Arme schließen.
"Alles super. Ich soll dir alles liebe von Ty ausrichten." erzählte er und wuschelte mir das Haar durcheinander.
"Boah John lass das!" schimpfte ich, musste jedoch lachen.
"Ich werde mich nie daran gewöhnen das du ein unhöflicher Tölpel bist. Stell mir doch deine Freunde vor!" kicherte ich und streckte dem ersten direkt die Hand entgegen.
"Joah das is Raf, der daneben ist Gazo und der schlecht blondierte ist Hamudi." grinste John frech.
Ich schüttelte einem nach dem anderen die Hand, taumelte dann jedoch da mein Mann mir von hinten mit dem Rollstuhl an die Beine fuhr und mich auf sich zog.
"Ey du Affe!" lachte ich und rutschte auf seinen Beinen zurecht so das er mich festhalten konnte.
"Das ist übrigens mein Mann Amir." lächelte ich und sah ihn verträumt an. Ich liebte ihn, auch wenn er mittlerweile kaum noch dazu in der Lage war, sich zu äußern. Ich kannte ihn mittlerweile so gut das ich an seinem Gesicht sah was er wollte.
Amir schüttelte ebenfalls jedem die Hand konzentrierte sich dann jedoch wieder auf mich.
"Wie lange seit ihr schon verheiratet?" fragte Raf nach.
"Sie sind nicht verheiratet." sprang John ein, doch ich sah ihn entschuldigend an.
"Also um genau zu sein.... Sind wir das John." murmelte ich kleinlaut.
"W... Wie bitte?" fragte er fassungslos.
"Bitte erzählt es niemandem. Du weißt was Mama davon hält das ist mich um Amir kümmere." bat ich eilig. Meine Mutter hielt garnichts davon. In ihren Augen verschwendete ich mein Leben an diesem Mann. Mir war das jedoch egal. Ich würde ihn nicht hängen lassen.
Niemals! Dafür liebte ich ihn zu sehr.

"Wow... Du... Wow." murmelte John, wirkte dabei ehrlich gekränkt.
"John, es weiß niemand davon. Nur ihr. Niemand war eingeladen... Amir wollte das nicht und ich... Naja... Außer dir findet es sowieso jeder scheiße das ich Amir nicht in den Wind schieße." versuchte ich meinem Bruder zu verstehen zu geben, weshalb ich zuvor nichts davon erzählt hatte.
"Wahrheit..." flüsterte Amir während er seinen Kopf in meinem Haar vergrub.
"Ich weiß Liebling..." seufzte ich.
"Amir möchte das du weißt das die Hochzeit nicht ausschließlich aus Liebe stattgefunden hat. Es wird der Tag kommen da werde ich Entscheidungen treffen müssen. Entscheidungen die wir vorab besprochen haben, die ich aber nur treffen kann wenn ich seine Ehefrau bin.
Amir möchte nicht unnötig lange am Leben erhalten werden. Wenn sein Allgemeinzustand sich verschlechtert, dann bleibt er zuhause. Es gibt nur wenige Ausnahmen warum ich ihn ins Krankenhaus bringe. Es ist alles Rechtlich abgeklärt und ich bin damit auch abgesichert. Auch nach seinem Tot. Er wollte das ich mir Finanzell keine Sorgen machen muss. Das alles ging aber nicht ohne seine Frau zu sein." erklärte ich. Mir tat es im Herzen weh, darüber zu sprechen. Nach den vergangenen Wochen, hatte ich aber zumindest gelernt damit umzugehen. Sich vor etwas zu verstecken das so oder so passieren würde, würde nichts bringen.

"Du sprichst so abgeklärt darüber. Wie schaffst du das?" fragte Hamudi nachdem wir uns an den Küchentisch gesetzt hatten.
"Wir werden von einem Paliativteam betreut. Ich habe einen Therapeuten mit dem ich über alles sprechen kann und... Naja... Tatsachen leugnen bringt auch nichts. Es tut weh, jeden Tag aufs Neue, aber es ist unser Leben und wir müssen lernen damit umzugehen." erzählte ich sachlich.

Ich hatte mir die Männer anders vorgestellt. Aber schon als ich meinen Bruder kennengelernt hatte, musste ich feststellen das ich ein völlig falsches Bild von ihm hatte.
Er konnte natürlich gut so sein wie man es von ihm kannte. Aber er hatte eine zweite Seite. Ein zweites Gesicht.
Eines das unendlich viel Liebe und Loyalität seiner Freunde und Familie gegenüber hatte.

"Frauen wie dich gibt's nicht oft." murmelte Gazo, sah mich dabei so ernst an das es mir kalt den Rücken runter lief.
"In jedem Menschen steckt genauso viel Liebe. Viele haben nur nicht gelernt wie man damit umgeht. Manche haben Angst so viel zu geben weil sie wissen das man vermutlich nie genauso viel zurück bekommt. Das ist auch der Fehler. Wer erwartet etwas zurück zu bekommen hat nichts verstanden. Ich lerne so viel, jeden Tag. Über mich selbst, über unsere Mitmenschen, Amir zeigt mir immer wieder neue Dinge die mich mein ganzes Leben begleiten werden." lächelte ich und drückte meinem Mann einen Kuss an die Wange.
" Geht's dir gut? "fragte ich leise. Amir nickte lehnte seinen Kopf an mich und schloss die Augen. Er war müde, wollte mich aber nicht alleine lassen.
Diskutieren brauchte ich nicht mit ihm. Also ließ ich ihn einfach bei mir.
"Man merkt alleine wie du sprichst, das du dadurch ziehmlich... Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll... Erwachsen?... Ja so in etwa... Erwachsen wirkst." sagte Hamudi.
"Reifer als andere in meinem Alter... So würde ich es beschreiben." gab ich nachdenklich zurück.
"Ja stimmt." nickte er eilig.
"Ich habe keine Freunde mehr seit wir uns diesem Schicksal gestellt haben. Ich habe Amir und John. Das wars. Meine Mutter versucht mir ständig einzureden das ich Amir in eine Pflegeeinrichtung geben soll, das werde ich aber auf keinen Fall zulassen und Freunde... Naja. Ich verstehe das sie sich in diesem Alter nicht mit Krankheit und Tot auseinandersetzen wollen. Ich bin keinem von ihnen böse... Dementsprechend ist man etwas abgeklärter. Ich lese viel wenn Amir schläft, sonst würde ich mir vermutlich noch mehr den Kopf über Gott und die Welt zerbrechen." erzählte ich ein wenig über mein Leben.
Ich spürte Raphaels Blick auf mir. Er wirkte nachdenklich. Beinahe so als wolle er etwas sagen wovon er nicht wusste ob er es aussprechen sollte.

"Sollte er nicht ins Bett?" fragte John leise. Amir war eingeschlafen, mit dem Kopf auf meinen gebettet.
"Nein. Keine Chance. Wenn Besuch da ist bringen ihn keine zehn Pferde ins Bett." lächelte ich.

Wir, in schlechten Zeiten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt