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John

"Loui, Was los mit dir?" schmunzelte ich als meine Schwester gerade die Einfahrt ihres Hauses runter lief und mir so direkt entgegen kam.
Mein letzter Besuch war knapp ein Monat her. Wir telefonierten oft, daher wusste ich das Amir im Moment ziehmlich abbaute.
Trotzdem war es für Loui selbstverständlich gewesen das ich sie mit Raf besuchen kam.

"Na ihr Beiden?" lächelte sie und umarmte mich direkt.
"Hallo Raphael, schön dich wieder zu sehen!" lächelte sie und umarmte auch ihn freundschaftlich.
"Wie gehts dir?" fragten wir zugleich und schmunzelten.
"Jaaa... Ja. Fragt morgen nochmal. Und euch?" stellte sie die Gegenfrage während sie die Mülltonne raus stellte.
"Gut soweit. Digga ich mäh dir am Nachmittag den Rasen... Sieht ja aus wie in der Botanik." lachte ich und schüttelte den Kopf. Zumindest konnte ich ihr so ein wenig arbeit abnehmen.
"Das musst du wirklich nicht John!" wandte sie ein, doch das ließ ich nicht gelten.
"Loui du musst da bald mit einer Machete durch den Garten Maschieren." warf ich ein und deutete ihr den Vogel.
"Die Vorstellung gefällt mir!" schmunzelte sie und schielte zu Raf.
"Was denkst du? Kann doch nicht schaden, ein bisschen Grün kann es doch ohne weiteres sein oder?" fragte sie ihn. Raphael lachte und runzelte die Stirn.
"Ein bisschen Mähen könnte man trotzdem." 

"Wollt ihr Kuchen? Ich hab gebacken, extra mit Creme damit Amir sich nicht mehr verschlucken kann, aber seit er letztens beinahe erstickt wäre traut er sich nurnoch Breikost essen und ich bleib auf meinem Zeug sitzen." seufzte sie. Kurz erkannte ich dann doch den Anflug von Traurigkeit. Meine Schwester war eine beeindruckend starke Frau, aber natürlich war auch sie nicht völlig frei von Trauer und Verzweiflung.
"Gerne!" stießen Raf und ich zugleich aus und brachten Loui so dazu zu lachen.
"Kaffee dazu?" bot sie an.
"Für mich gerne." nickte Raphael dankend während ich den Kopf schüttelte. War einfach nicht mein Ding dieses Zeug.

Loui hatte sich gerade zu uns an den Tisch gesetzt als es Klingelte.
Anders als erwartet war es jedoch mein Schwager und nicht die Türklingel.
Loui hatte kurz angebunden erklärt das sie eine Funkklingel organisiert hatte um es ihr und Amir etwas leichter zu machen. Sie konnte nicht ständig neben ihm sitzen und so konnte er, wenn er etwas brauchte klingeln.

Als Loui dann jedoch mit einer Tüte an uns vorbei huschte war mir klar, daß Amir in seinen letzten Zügen war.
Offensichtlich konnte er nicht mehr auf die Toilette gehen.
"Ich muss ihr irgendwie helfen man." murmelte ich leise und rieb mir die Augen.
"Dann mach mal ne Pause und bleib hier..." schlug Raf vor. Ich wusste das er recht hatte, vermutlich würde ich Louisa so jedoch noch mehr arbeit machen. Ich kannte sie zu gut. Sie würde mich bemuttern, mich wie einen Hotelgast behandeln. Genau das wollte ich verhindern.
"Ich überleg mir was." seufzte ich.
"Dicker, wenn Amir stirbt braucht sie dich. Er ist ihr gesamter Lebensinhalt." murmelte Raphael leise. Er wollte vermutlich genauso wenig wie ich, das Loui dieses Gespräch hörte.
"Ich weiß, ich werde dann auch da sein. Ich nehme im Moment kaum Termine an die nicht verschoben werden könnten. Im Falle..." murmelte ich, unterbrach mich jedoch als Loui wieder zu uns kam.
"Tut mir leid." Entschuldigte sie sich und setzte sich wieder zu uns.
"Alles gut. Wie geht's ihm?" fragte ich nach.
"Nicht so gut. Ich weiß nicht wie lange ich ihn so noch zu Hause behalten kann. Er isst oft nur zwei drei Löffel Hipp, trinkt kaum etwas." seufzte sie und fuhr sich durchs Haar.
"Entschuldigt mich kurz." murmelte Sie und verließ den offenen Wohnbereich wieder.
Ich warf Raf einen Blick zu und folgte ihr. Mir war klar das sie aufgestanden war weil sie nicht neben uns weinen wollte.

"Hey Loui... Komm her." murmelte ich als ich sah das sie sich mit dem Gesicht zur Wand gedreht hatte.
Ich schnappte sie einfach und nahm sie in den Arm. Was sonst hätte ich tun sollen?
"Es tut so weh..." hauchte sie und schluchzte auf.
"Ich weiß Loui... Ich weiß." murmelte ich und strich ihr dabei immer wieder über den Kopf. Sie klammerte sich fest an mich, weinte so bitterlich das ich beinahe selbst mit den Tränen kämpfen musste.
"Ich bin immer für dich da, hörst du?" versprach ich ihr.
Loui nickte nur, schluchzte erneut auf.
Ich hätte ihr so gerne gesagt das alles wieder gut werden würde, doch das tat es nicht. Nichts würde wieder gut werden.
Nicht für Amir und auch wenn Loui noch Jung war und für sie das letzte Kapitel noch nicht geschrieben war, so wollte ich auch ihr im Moment nicht versprechen das sie wieder glücklich sein würde.
Das würde sie irgendwann sein. Davon war ich überzeugt, aber nicht mehr mit Amir.
Sie würde irgendwann wieder einen Mann kennenlernen aber in dieser Situation war dieser Gedanke und vor allen Dingen diesen laut auszusprechen, vollkommen unangebracht.

Wir, in schlechten Zeiten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt