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Raphael

Als Louisa durch die Tür zu ihrem Bruder verschwand hatte ich kein Gutes Gefühl im Magen. Keine Ahnung warum ich plötzlich der Meinung war das sie nicht mehr zurück kommen würde, doch es war genau das was ich befürchtete.

Ich war nervös, suchte planlos nach Beschäftigung und kam dennoch immer wieder zum selben Ergebnis. Ich hätte sie nicht alleine zu ihm schicken sollen.

Als es klingelte sprang ich wie ein Verrückter auf und hechtete zur Tür.

"Loui kommt gleich." murmelte John und betrat meine Wohnung.
"Was macht sie?" fragte ich nach und deutete in die Richtung meines Wohnzimmers.
"Warten bis ich mit dir gesprochen habe." sagte er ernst und setzte sich.
"Dicker das von letzter Nacht tut mir leid ich..." begann ich doch John hob die Hand um mich zu unterbrechen.
"Darum geht es nicht..." stellte er klar. Offensichtlich war das Thema für ihn schon abgeschlossen.
"Was dann?" fragte ich verwundert. Ich konnte mir keinen Deut daraus machen was John ansonsten in eine derart ernste Stimmung versetzte.

"Ich will Louisa hier in Berlin halten, Hamburg ist nicht gut für sie. Außerdem hab ich, wenn ich hier bin, mehr Zeit für sie als in Hamburg." seufzte John und fuhr sich durch seine Locken.
"Okay, verstehe. Und wieso willst du darüber mit mir reden?" fragte ich misstrauisch.
"Dicker ich weiß nicht genau was da zwischen euch läuft. Loui ist in deiner Anwesenheit anders als grad eben in meiner Wohnung zum Beispiel." schüttelte er den Kopf und sah mich einen Moment lang nachdenklich an.

"Sie wird vorerst in meine Wohnung ziehen... Das haben wir so besprochen. Das bedeutet ihr seid Nachbarn. Ich will nur sichergehen das du dir vor Augen haltest in welcher Situation sie ist. Ich weiß das du dich gerne in hübsche Mädchen mit traurigen Augen verliebst. Ich will nicht das ihr Beide euch in etwas verrennt." erklärte John sich.
Ich lehnte mich zurück, stieß schwer Luft aus und sah ihn einen Moment lang an. 

"Ich weiß gerade nicht was ich dazu sagen soll." murmelte ich und rieb mir die Augen.
"Das du die Finger von meiner Schwester lässt?" schlug John mit einem fragendem Unterton vor.
Etwas daran schmeckte mir ganz und gar nicht. Nicht das es für mich keine Sache der Ehre war, die Schwester einer meiner engsten Vertrauten nicht zu ficken. Es war Johns Ton und diese Selbstverständlichkeit mit der er sich ausdrückte.
"Dicker, Respekt vor dir und deiner Familie das weißt du! Aber ich lasse mir bestimmt nicht sagen welche Frau ich liebe und welche nicht. Es ist nicht so das ich vor hatte Loui in nächster Zeit ins Bett zu bekommen, aber ich verschließe mich bestimmt nicht vor Eventualitäten. Von Liebe rede ich natürlich nicht, noch nicht, aber ich mag sie und ich weiß ihre Anwesenheit zu schätzen..." Stellte ich klar. Für einige Sekunden schwieg ich.

"Aber das spielt vermutlich keine Rolle mehr, so wie ich dich kenne hast du bereits dafür gesorgt das Loui von mir die Finger lässt, hab ich recht?!" stellte ich mehr fest als das ich Fragte und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Er hat es versucht Raphael." riss mich Louisas Stimme aus meiner Wut.
Ich starrte sie einen Moment lang an, dann nickte ich.
"Dachte ich mir. Bist du gekommen um deine Sachen zu holen?" fragte ich zornig nach. Louisa lächelte allerdings nur schief und schüttelte den Kopf.

"Sie ist hier weil sie mir beinahe den Kopf abgerissen hätte. Ich wünsche mir nur, das ihr Beide eure Augen aufmacht. Ihr habt, zwar aus unterschiedlichen Gründen, aber dennoch... Ihr habt euch in einem Strudel festgebissen. Ein Strudel aus Selbstmitleid. Hört auf damit und lebt im Hier und Jetzt, wir sehen uns die Tage." schmunzelte John, klopfte mir im vorbeigehen auf die Schulter, murmelte ein 'Ich wollte nur sicher gehen...' und verließ meine Wohnung.

"Was meinte er damit? " fragte ich Lou. Diese lächelte liebevoll und umarmte mich einen Moment lang.
"John hat uns Beide ein bisschen gelinkt. Er wollte sicher gehen das es mir bei dir gut geht. Er wollte sehen wie ich reagiere wenn er mich vor die Wahl stellt. Vermutlich hat er nicht damit gerechnet das ich ihm dabei fast seine Eier über die Ohren ziehe." kicherte sie und sah zu mir auf.
"Ich verstehe immer noch nicht." stellte ich klar.
Louisa lachte leise und legte eine Hand an mein Gesicht. Ohne es bewusst zu steuern, schmiegte ich mich in ihre Handfläche und genoss diese Geste.
"Mir geht es gut bei dir. Besser als bei meinem Bruder. Es ist unfair ihm gegenüber, ich weiß das... Aber er ist ein so schnelllebiger Mensch, ständig unterwegs und am liebsten hat er ganz viele Leute um sich... Du... Du gibst mir die Ruhe die ich brauche. Ein derartiges Gefühl von Geborgenheit, wie ich es bei dir habe, hatte ich schon so lange nicht mehr. Gerade jetzt wo ich so dringend jemanden brauche der mich einfach schwach sein lässt, mir keinen druck macht wieder die Schultern zu straffen... Genau jetzt bist du da! Ich werde einen Teufel tun und mir das nehmen lassen. Irgendwann werde ich wieder die starke Loui sein... Dank dir... Das habe ich John klar gemacht." erklärte sie sich.
Mit jedem Wort blieb mir mehr und mehr die Luft weg.
Ich Begriff nur langsam welche Bedeutung ich in Louisas Leben eingenommen hatte.

Wir, in schlechten Zeiten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt